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Etikettenschwindel
Wie bei Muttern - der schöne Schein der Werbung

Silke Schwartau von der Verbraucherzentrale Hamburg kritisiert, dass Werbung von Massenprodukten so anmute, als würden diese in handwerklicher Arbeit hergestellt. Das nennt die Verbraucherschützerin Etikettenschwindel und Verbrauchertäuschung.

Silke Schwartau im Gespräch mit Britta Fecke |
    Britta Fecke: Natürlich wissen wir alle, dass die Torte aus der Tiefkühltruhe nicht von einem Bäcker in liebevoller Konditorarbeit gebacken wird. Wir wissen auch, dass die Schokofüllung einer bekannten Haselnussschnitte nicht für jedes Stück einzeln mit dem Holzlöffel angerührt wird. Obwohl wir das wissen, stellt sich dennoch die Frage, warum besonders die Lebensmittelindustrie bei den industriell gefertigten Produkten wie Tiefkühlpizzen oder Schokoriegeln vom Fließband mit handwerklicher Produktion wirbt. Die Verbraucherzentrale Hamburg hat sich nun die Mühe gemacht zu hinterfragen, wie viele Schokokekse große Hersteller am Tag produzieren könnten, wenn sie ihre Haselnussschnitte tatsächlich in liebevoller Handarbeit herstellen würden, und auch, was das kostet.
    Ich bin jetzt verbunden mit Silke Schwartau von der Verbraucherzentrale Hamburg. Frau Schwartau, bleiben wir im Bild und bei der Haselnussschnitte. Wenn die charmante junge Fachkraft aus der Werbung tatsächlich mit dem Holzlöffel alles extra anrühren würde, wie viele Hanuta würde sie denn am Tag so fabrizieren?
    Silke Schwartau: Wir haben uns das mal angeschaut und sie hat ungefähr eine Schokomasse für 30 Hanuta in ihrer Schüssel, ein Waffeleisen für sechs Waffeln. Sie muss dann backen, Zutaten abwiegen, Nüsse knacken, alles portionieren. Wir kommen auf eine Berechnung von 130 Hanuta am Tag, das könnte eine Kraft schaffen.
    Fecke: Das sind ja nicht wirklich die Methoden, die die Industrie anwendet. Und da uns ja, wie ich gerade kurz erwähnte, klar ist, dass es nicht so hergestellt wird, stellt sich doch die Frage: Warum wird uns das trotzdem so präsentiert?
    Schwartau: Werbung wirkt ja nicht nur rational, sondern zum größten Teil auch in unserem Unterbewusstsein, und von daher nimmt die Industrie genau diese Tricks, um doch bei uns irgendwie zu verankern, hier wird doch liebevoll für euch ein Produkt hergestellt. Obwohl das gar nicht stimmt, denke ich, dass das trotzdem seine Wirkung hat, weil sonst würde die Werbung ja nicht geschaltet werden.
    Fecke: Wenn man jetzt davon absieht, dass der Verbraucher damit in gewisser Weise getäuscht wird, sei es auch nur unbewusst, ist damit noch ein weiterer Vorwurf verbunden von Ihrer Seite?
    Schwartau: Ja. Verbraucher fordern mehr Transparenz, insbesondere auch, was Nachhaltigkeit und Inhaltsstoffe angeht. Wir möchten keinen Etikettenschwindel und aus unserer Sicht ist das schon Verbrauchertäuschung. So werden heute Lebensmittel nicht hergestellt und hier sollte die Industrie ehrlicher sein. Wir haben ja zugleich große Probleme mit wirklich handwerklich arbeitenden Betrieben wie Bäckereien, Konditoreien. Es gibt immer weniger Betriebe, das ist sehr schade, weil die ja auch die regionale Vielfalt darstellen, und leider wird diese Massenproduktion so beworben, als sei sie so hergestellt, und das richtige Handwerk geht uns dabei verloren.
    Fecke: Geht das richtige Handwerk wirklich verloren aufgrund dieser Werbespots?
    Schwartau: Es hängt sicherlich damit zusammen, dass irgendwie der Glaube doch in unserem Unterbewusstsein verankert wird, da wird ja irgendwo noch handwerklich für mich gearbeitet. Ganz speziell ist das zum Beispiel bei den Backwaren so. Viele Supermärkte wärmen nur noch Teiglinge auf, die vielleicht aus China oder Polen importiert werden, die also wirklich nichts mehr mit Backen zu tun haben, sie nennen es aber „täglich frisch für Sie gebacken“, und wir haben immer weniger Bäckereien. Das kann man an ganz konkreten Zahlen sehen.
    Fecke: Gab es auch Beschwerden vonseiten des Handwerks?
    Schwartau: Das Handwerk hat uns bei dieser Aktion sehr unterstützt, weil das Handwerk sich hier auch nicht richtig dargestellt fühlt. Das Handwerk hat zu kämpfen, wenn ich auf diese Teiglinge mal zurückkomme. Viele Verbraucher denken, hier wird ihnen ein frisches Brötchen aufgebacken, und das Handwerk kann sich immer schwerer am Markt positionieren und das wäre doch wirklich schade, wenn wir gerade diese individuellen Geschmacksvarianten, die wir ja in Deutschland auch in unterschiedlicher Auslobung gerade bei Brötchen haben, wenn das alles zurückgeht und wir nur alle diese Einheitsteiglinge essen.
    Fecke: Wie viele Schokokekse, wie viele Haselnussschnitten würden tatsächlich am Tag verkauft werden oder hergestellt werden, wenn sie so produziert würden, wie uns die Werbung vorgaukelt – damit hat sich die Verbraucherzentrale Hamburg beschäftigt. Ich danke Silke Schwartau.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.