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Etwas anderes Wasserkraftwerk

Chemie. - Wo Wasser fließt, lässt sich Energie, also Strom gewinnen. Im Normalfall erzeugt die Schwerkraft den nötigen Druck, um das Nass in Wasserkraftwerken in Bewegung zu bringen. Wissenschaftler am Forschungszentrum GKSS in Geesthacht bei Hamburg wollen nun mit Hilfe der so genannten Osmose ausreichend Wasserdruck für die Stromgewinnung erzeugen. Noch steht ihre Forschung am Anfang, aber einigen Jahren soll die Osmose-Technik schon wirtschaftlich und vor allem umweltfreundlich arbeiten.

    Das wichtigste Bauteil im Osmosekraftwerk der Hamburger Forscher ist eine hauchdünne Membran, die Chemiker Klaus-Viktor Peinemann aus einer durchsichtigen, zähen Masse zusammenbraut. Wenn alles gut durchmischt ist, kommt diese Masse in eine Maschine, die einer Druckmaschine für Zeitungen ähnelt. Dort wird sie schließlich zu einer hauchdünnen Haut zusammengepresst, der eigentlichen Membran. "Wir haben eine Erfahrung von 15 Jahren damit, eine solche Membran in unserer Membran-Suppenküche zusammen zu rühren", sagt Peinemann. "Das Geheimnis liegt in den Rezepturen, die in diese Maschine gegossen werden."

    Der Grundstoff für die Membran ist Zellulose, aber ein Rezept besteht auch aus einem Gemisch aus Kunststoffen und verschiedenen Chemikalien. Die weiße Membran ist schließlich drei Quadratmeter groß, aber nur einen halben Millimeter dünn, so Peinemann: "Sie muss nachher über Jahre einen Druck von etwa 15 bis 20 Bar aushalten. Das ist schon eine ganze Menge." In einem Test-Reaktor im Hafen des norwegischen Trondheim haben die Forscher ihre Membran in eine ein Meter lange Kunststoffröhre gehängt. In diese Röhre wird nun laufend Süßwasser aus einem nahe gelegenen Bach und Salzwasser aus dem Seehafen gepumpt. Die Membran befindet sich zwischen dem Süß- und dem Salzwasser.

    Hier kommt nun die Osmose ins Spiel. Als Osmose bezeichnet man den Drang von Flüssigkeiten, die in ihnen aufgelösten Stoffe möglichst gleichmäßig zu verteilen. Die Membran lässt aber nur Wasser passieren und bleibt für Salz eine unüberwindbare Schranke. Um den Unterschied im Salzgehalt auszugleichen, bleibt also dem Süßwasser nicht anderes übrig, als in Richtung Meerwasser zu fließen und es dort zu verdünnen. Die Folge: Auf der Salzwasserseite steigt der Wasserpegel und damit auch der Wasserdruck in der Reaktorröhre. "Und diesen Druck benutzt man jetzt, um eine Turbine anzutreiben, die dann Strom erzeugt", erklärt Peinemann.

    Die neue Energiequelle hat einen großen Vorteil gegenüber Sonne und Wind: Sie ist immer verfügbar. Aber noch sind die Baukosten für einen solchen Reaktor hoch und die Stromleistung gering: Der Test-Reaktor erzeugt bislang nur wenige Watt Strom. Verbesserungen sind aber geplant, berichtet Karen Gerstandt, Ingenieurin am GKSS Geesthacht: "Vielleicht schaffen wir es, die Membran noch dünner zu machen. Die Wassermoleküle kommen dann schneller durch die Membran." In zehn bis 15 Jahren soll die Osmose-Technik wirtschaftlich arbeiten. Ein norwegischer Stromkonzern fördert das Geesthachter Projekt, das aber auch für andere Länder interessant sein könnte, etwa an der Mündung des Rheins ins Meer, so Karen Gerstandt: "Man hat berechnet: Wenn man den Rhein nutzen würde, könnte man fünf Millionen Haushalte mit Strom versorgen." Und zwar mit umweltfreundlichem Ökostrom.

    [Quelle: Jens Wellhöner]