Dienstag, 19. März 2024

Archiv

EU-Agrarpolitik
"Wichtig, nicht nur den Ökolandbau zu fördern"

Bei der Neuausrichtung der EU-Agrarpolitik gehe es darum, Tier- und Umweltschutz der konventionellen Landwirtschaft zu fördern und damit deutlich auszubauen, sagte der Agrarforscher Harald Grethe im Dlf. Denn Öko-Landwirtschaft sei immer noch eine "relativ kleine Nische".

Harald Grethe im Gespräch mit Britta Fecke | 22.10.2019
Pflug pflügt Feld
Fünf Milliarden Euro fließen laut Experte jedes Jahr in Deutschland an Direktzahlungen in die Landwirtschaft (picture alliance/imageBROKER/Frank Röder)
Britta Fecke: Der gravierende Rückgang der Insekten und damit der Vögel, die extrem hohen Nitrat- und auch Pestizidwerte in Oberflächengewässern und Grundwasser sind Probleme, die zeigen, wie sehr die Umwelt und damit unsere Gesundheit von der Ausrichtung der Landwirtschaft abhängt. Im Moment wird in Brüssel und Straßburg verhandelt, wie die gemeinsame Agrarpolitik der EU, kurz GAP, für das nächste Jahrzehnt gestaltet werden soll.
Ich bin jetzt verbunden mit Professor Harald Grethe von der Humboldt-Universität zu Berlin. Er ist auch der Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz beim Bundeslandwirtschaftsministerium. - Herr Grethe, wie werden denn die Landwirte bislang gefördert?
Harald Grethe: Einen schönen guten Tag, Frau Fecke. - Die europäische Agrarpolitik betreibt mit dem größten Teil des Budgets in der gesamten Europäischen Union (auch in Deutschland) eine pauschale Flächensubvention. Da werden im Durchschnitt etwa 300 Euro pro Hektar, pro bewirtschaftetem Hektar ausgegeben, und das fließt letztendlich über die Pachtpreise überwiegend den Bodeneigentümern zu. Und dann gibt es einen wesentlich kleineren Teil des Budgets. Damit wird auch zielorientierte Agrarpolitik zum Beispiel für mehr Tier- und Umweltschutz gemacht.
Das ist aber wie gesagt nur ein kleiner Teil des Budgets. Im Grunde genommen kann man sagen, fünf Milliarden Euro jedes Jahr in Deutschland für die Direktzahlung, 40 Milliarden Euro in Europa jedes Jahr für die pauschale Flächensubventionierung. Das ist natürlich ein riesiges Problem, weil wir dieses Geld nicht zur Verfügung haben, um all die Probleme, die Sie schon angesprochen hatten, zu adressieren, nämlich mehr Tier- und Umweltschutz.
"Man muss das bezahlen, was man haben will"
Fecke: Wie könnten denn die Leistungen für den Umweltschutz konkreter für die Gewässerarten und für den Klimaschutz honoriert werden?
Grethe: Das ist eigentlich im Grundsatz sehr simpel. Man muss das tun, was einem schon der gesunde Menschenverstand sagt: Man muss das honorieren, man muss das bezahlen, was man haben will, und das ist nicht das Flächeneigentum an sich, sondern das sind weitere Fruchtfolgen, das sind Landschaftsstrukturelemente wie etwa Hecken oder Randstreifen. Das kann sich richten auf den Bodenkohlenstoffaufbau, den Humusaufbau, auf den Tierschutz, auf besonders wenig Pflanzenschutzmittel einsetzende Bewirtschaftungsformen. Dafür müssen wir zahlen, denn das kostet die Landwirtschaft ja auch konkret Geld.
Fecke: Die Bauern protestieren ja auch gegen den Insektenschutz beziehungsweise das Insektizid-Verbot, was angestrebt wird, so dass man zum Beispiel einen größeren Abstand halten muss mit glyphosathaltigen Pestiziden zu Gewässern. Wie groß ist denn eigentlich die Fläche, die davon betroffen ist?
Grethe: Es geht genau um die Randstreifen zu Gewässern und es geht um die Schutzgebiete. Bei den Schutzgebieten, den sogenannten Flora-Fauna-Habitat-Gebieten und den Vogelschutz-Gebieten, da geht es um weniger als zehn Prozent der deutschen Agrarfläche. Denn im Grunde genommen geht es nur um die Ackerflächen, denn dort haben wir einen erheblichen Herbizid- und Insektizid-Einsatz. Das Problem wird insgesamt vom Berufsstand massiv übertrieben. Da war die Rede von 30 Milliarden Euro Wertverlust. Das ist eine grobe Übertreibung, und genau das ist auch das Problem. In der Sache muss man über Details reden und einzelne Betriebe können sehr wohl deutlich negativ betroffen sein. Dann muss man auch reden über Kompensationsmaßnahmen. Aber diese grundsätzlich defensive Haltung des Berufsstandes, die hat natürlich auch über die Jahrzehnte hinweg dazu geführt, dass man im politischen Raum zunehmend weniger gehört wird.
Umstieg in zehn Jahren
Fecke: Wie müsste denn die gemeinsame Agrarpolitik der EU, die GAP ausgerichtet werden, damit die Zusatzleistungen für Umwelt- und Gemeinwohl auch honoriert werden?
Grethe: Wir bräuchten einen Zeitplan und müssten sagen, wir steigen aus den Direktzahlungen aus, weil dort einfach das Budget zurzeit gebunden ist, und das machen wir über einen Zeitraum von zum Beispiel zehn Jahren. Schrittweise bauen wir dieses Budget um und honorieren damit die Tier- und Umweltschutzleistungen, die wir haben wollen. Das ist auch heute schon viel stärker möglich, als wir das in Deutschland tun. Teil des Agrarpakets war ja, Mittel aus den sogenannten Direktzahlungen herauszunehmen aus der ersten Säule und dann einzusetzen in der zweiten Säule für mehr Tier- und Umweltschutz. Das wurde vereinbart, 1,5 Prozentpunkte mehr. Wir könnten deutlich mehr tun und das ist auch das Problem der Positionierung speziell des Berufsstandes, dass immer dann, wenn es um konstruktive Vorschläge geht, wie man denn mehr Tier- und Umweltschutz umsetzen könnte, sehr stark blockiert wird.
Fecke: Gilt das auch für die Biobauern?
Grethe: Das gilt für die Biobauern naturgemäß weniger, weil sie natürlich auch profitieren von der zielorientierten Förderung. Denn eine Möglichkeit, Umweltleistungen zu fördern, ist natürlich die Förderung des Ökolandbaus. Aber es ist wichtig, nicht nur den Ökolandbau zu fördern, denn bei allem Respekt vor dem Ökolandbau: Es ist eine noch immer relativ kleine Nische. Es geht auch darum, Mittel in die Hand zu nehmen, um die Tier- und Umweltschutzleistungen der konventionellen Landwirtschaft zu fördern und damit deutlich auszubauen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.