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EU-Agrarreform wirft Schatten voraus

Angesichts der angespannten Haushaltslage vieler südlicher EU-Mitgliedsstaaten könnte EU-Kommissonspräsident José Manuel Barroso vorschlagen, bei den Agrar-Umweltprogrammen zu sparen. Denn die müssen von den Ländern kofinanziert werden, erklärt Journalist Axel Mönch.

Axel Mönch im Gespräch mit Theo Geers | 22.06.2011
    Theo Geers: Noch ist nichts passiert, oder gar beschlossen, aber dennoch sind die großen Umweltverbände in Hab-Acht-Stellung. Es geht um die nächste EU-Agrarreform. Die Umwelt- und Ökoverbände fürchten, dass die EU nach dieser Reform weniger Geld für Ökobauern, Naturschutz, Landschaftspflege und andere Dinge übrig haben könnte, also all das, womit der Agrarpolitik ein grünes Mäntelchen umgehängt wird. Dazu muss man wissen: Der Agrarhaushalt der EU teilt sich auf in zwei Säulen. Drei Viertel der Gelder fließen in der sogenannten ersten Säule als Subventionen an die überwiegend konventionell arbeitenden Landwirte, ein Viertel steht in der zweiten Säule für die Entwicklung ländlicher Räume bereit, und daraus bekommen dann unter anderem auch Ökobauern oder Naturschützer ihre Unterstützung. Befürchtet wird jetzt, dass ausgerechnet da gespart werden könnte. Mein Kollege Axel Mönch beobachtet seit langem die Agrarpolitik in Brüssel und ich fragte ihn vor der Sendung zunächst einmal: Um wie viel Geld geht es eigentlich?

    Axel Mönch: Im aktuellen Agrar-Budget sind 55 Milliarden Euro für die Landwirtschaft vorgesehen. Das sind ungefähr 40 Prozent vom Gesamthaushalt.

    Geers: Und wie teilt sich das auf in erste und zweite Säule?

    Mönch: Das meiste, 42 Milliarden Euro, die sind für die Direktzahlungen vorgesehen und für die Marktausgaben, und der kleinere Teil, das sind eben Umweltprogramme oder auch einzelbetriebliche Investitionen, dieser kleine Teil, die zweite Säule, das sind 13 Milliarden Euro.

    Geers: Was sind das für Projekte oder Maßnahmen, die da gefördert werden?

    Mönch: Wenn ein Bauer auf seinem Feld eine Hecke pflanzt, oder einen Baum oder auch nur einen Baum stehen lässt, also Strukturelemente, dann bekommt er dafür Gelder aus den Agrar-Umweltprogrammen und zum Teil ziemlich hohe, weil er ja auf der grünen Insel in seinem Acker Einnahmeausfälle hat. Diese Strukturelemente sind aber ganz wichtig, besonders in Ostdeutschland, wo große Felder stehen, und für die Artenvielfalt, also zum Beispiel für die Vogelwelt, solche Hecken und Bäume ganz wichtig sind.

    Geers: Damit kommen wir zur Sorge, die die Naturschützer haben. Sie sorgen sich, dass in dieser zweiten Säule, also in dem Etat-Teil, aus dem solche Maßnahmen finanziert werden in der EU, gekürzt werden könnte. Das plant angeblich EU-Kommissionspräsident Barroso. Ist da was dran?

    Mönch: Entschieden ist bestimmt noch nichts, sondern in der Kommission wird zurzeit sehr angestrengt diskutiert über die Zukunft des Haushalts. Klar ist, dass der Kommissionspräsident kürzen möchte in den traditionellen Politiken. Für ihn gehört da auf jeden Fall auch die Agrarpolitik zu. Aber vor zwei oder drei Jahren, als Barroso sich für seine zweite Amtszeit zur Verfügung stellte, da hat er schon mal in einem Papier klarer gesagt, dass um modernere europäische Politiken zu finanzieren er auch bereit wäre, bei der Agrarpolitik zu kürzen. Also von der Tendenz her ist für Barroso Agrarpolitik so ein Überbleibsel, historisch bedingt, und um einen aktuellen Haushalt vorzuschlagen, kann ich mir schon vorstellen, dass er da kürzen möchte.

    Geers: Nun könnte er ja in der ersten Säule bei den klassischen Agrarausgaben kürzen, oder eben in der zweiten. Warum ist die Furcht jetzt so groß, dass er ausgerechnet in der zweiten, da wo es um fortschrittliche Maßnahmen, um Ökolandbau, um Naturschutz geht, kürzen könnte?

    Mönch: Wie gesagt, fest steht noch nichts. Ich glaube auch nicht, dass der Herr Barroso was gegen die Umwelt hat und auch nicht gegen eine umweltorientierte Produktionsweise in der Landwirtschaft. Für ihn ist ein ganz anderer Ansatzpunkt. Diese Agrar-Umweltprogramme, über die wir sprachen, die werden von den EU-Mitgliedsstaaten kofinanziert. Das heißt also, wenn ein Landwirt 100 oder mehr Euro für seine Hecken und seine Bäume bekommt, zahlt einen Teil davon die EU und einen Teil davon der Mitgliedsstaat. Und jetzt kommt da die Griechenland-Debatte rein und auch die klamme Haushaltslage in anderen südlichen EU-Mitgliedsstaaten, und ich mache mir jetzt mal einen Kopf, den sich vielleicht Barroso in ähnlicher Richtung machen könnte, dass er sagt, kofinanzierte Agrarprogramme passen nicht mehr ins Bild, wenn einzelne Mitgliedsstaaten dafür gar kein Geld mehr übrig haben.

    Geers: Auf der anderen Seite würde das Bild dann so aussehen, dass bei der klassischen konventionellen Landwirtschaft alles beim Alten bliebe und dort, wo etwas für die Umwelt und die Natur getan wird, da wird gespart.

    Mönch: Das wäre eine Schieflage. Die Diskussion ist noch nicht beendet. Wir erfahren erst nächste Woche, für was sich die Kommission endgültig entscheidet. Mir wurde nur so herangetragen aus der Kommission, dass die Kofinanzierung eine mögliche Kritikstelle an den Agrar-Umweltprogrammen ist, weil ich glaube, man kann Barroso jetzt wirklich nicht unterstellen, dass er sagt, die Umwelt ist mir egal, oder auch die Umweltanreize in der Landwirtschaft sind überflüssig.

    Geers: Letzte Frage, Herr Mönch: Wann wird es ernst mit der nächsten EU-Agrarreform? Wie sieht der Zeitplan aus?

    Mönch: Ernst im Sinne einer Entscheidung, das zieht sich noch ein bisschen. Im Oktober wird die Kommission ihren Vorschlag vorlegen und das Parlament und die Mitgliedsstaaten werden dann zusammen mit der Kommission vielleicht Ende 2012 darüber entscheiden.

    Geers: Weniger Geld für Öko und Bio in der EU-Agrarpolitik. Das Gespräch mit Axel Mönch haben wir vor der Sendung aufgezeichnet. Und dazu passt vielleicht folgende Meldung, die die Sorgen über weniger Öko etwas relativiert, denn die Zahl der Biohöfe ist hierzulande im letzten Jahr um 4,3 Prozent auf 22.000 gestiegen, und damit werden jetzt gut sieben Prozent aller Höfe von Biobauern bewirtschaftet und sie haben etwa sechs Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche unterm Pflug. Das sind Zahlen des Bundeslandwirtschaftsministeriums.