Freitag, 29. März 2024

Archiv

EU Datenschutz-Grundverordnung
Aus für das User-Tracking zu Werbezwecken?

Fast die komplette Online-Werbung funktioniert nach dem Tracking-Prinzip: Nutzer werden beobachtet, Interessen-Profile angelegt und basierend darauf Werbeanzeigen eingeblendet. Nächste Woche tritt die Datenschutz-Grundverordnung in Kraft, die das Tracking viel schwieriger macht - und so auch die Verlage treffen kann.

Von Philip Banse | 17.05.2018
    ILLUSTRATION - Ein mit dem Wort "Anzeige" gekennzeichneter gesponserter Artikel ist in dem Online-Portal der Tageszeitung Morgenpost Dresden MOPO24 auf dem Display eines Smartphones zu sehen, aufgenommen am 06.07.2016 in Berlin.
    Online-Werbung auf Zeitungsportalen: In Zukunft nicht mehr? (dpa/ Monika Skolimowska)
    Marit Hansen ist die Datenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein. Sie ist der Überzeugung, dass die Tage gezählt sind für die heute im Netz allgegenwärtige Nutzer-Beobachtung zu Werbezwecken:
    "Ein User-Tracking, was darauf basiert, dass man übergreifend eine Personalisierung vornimmt, ein Profil anlegt, das sehe ich nur gedeckt, wenn der User dazu auch eine Einwilligung gibt."
    "Aktiv einen Haken setzen - unter Umständen fünf oder sechs"
    Heute gehen Hinweisschilder im Browser auf, alle Haken sind gesetzt und wer diese nicht aktiv entfernt und das Hinweisschild einfach wegklickt, hat der Weitergabe seiner Daten zugestimmt.
    "Der Verarbeiter muss dafür sorgen, dass die Standard-Einstellung ist: Kein solches Tracking."
    Damit also Besucherdaten zu Werbezwecken weitergegeben werden dürfen, um personalisierte Werbung anzuzeigen, müssten die Besucher aktiv einen Haken setzen - unter Umständen fünf oder sechs davon. Auf jeder Webseite, für Dutzende Anzeigen. Alle wissen: Das wird niemand machen.
    "Das wird nicht realistisch funktionieren."
    Sagt der Medienrechtler Christoph Fiedler vom Verband Deutscher Zeitungsverleger.
    Ist Direktmarketing ein "berechtigtes Interesse"?
    Der Verleger-Lobbyist glaubt dennoch, das Tracking zu Werbezwecken auch mit der Datenschutz-Grundverordnung möglich sein wird. Denn die Verordnung erlaubt das Datensammeln auch ohne Einwilligung, wenn ein "berechtigtes Interesse" vorliegt, das wichtiger ist, als das Recht der Nutzer an ihrer Privatsphäre.
    "Und da es sogar eine ausdrückliche Erwähnung des Direktmarketings als berechtigtes Interesse gibt, sehen wir unter der Datenschutzgrundverordnung eigentlich noch recht gute Chancen, auch die personalisierte Werbung und die Profilbildung dafür zu ermöglichen."
    Diese Sicht der Verleger wird sogar gestützt vom Landesdatenschutzbeauftragten aus Baden-Württemberg, Stefan Brink.
    "Das 'berechtigte Interesse', von dem der Artikel 6 der Grundverordnung spricht, ist denkbar weit gefasst. Das ist jedes Interesse, das nicht von vornherein rechtswidrig, illegal oder unfair ist. Und natürlich ist auch das wirtschaftliche Interesse, mit Daten zu arbeiten, grundsätzlich von einem berechtigten Interesse getragen."
    Alptraum der Verleger: die ePrivacy-Verordnung
    Also ist das Werbe-Tracking doch nicht tot? Nicht so richtig, sagt Thomas Hoeren, Professor für Medienrecht an der Uni Münster. Mit dem "berechtigten Interesse", sagt er, dürften Verleger und Werbenetzwerke auch weiterhin Daten sammeln - ohne Einwilligung. Allerdings müssten die Verleger auch dann die Nutzer sehr detailliert informieren, welche Daten sie zu welchem Zweck sammeln. Und Nutzer müssten der Datensammelei einfach widersprechen können.
    "So und dann weiß er aber, der Kunde, was passiert und kann sagen: ne, ne, ne, ne! Jetzt möchte ich nicht mehr. Dann hat er gewonnen. Dann ist automatisch Schluss mit Speichern. Das Tracking wird allenfalls tot durch die ePrivacy-Verordnung."
    Das ist der wahre Alptraum der Verleger: die ePrivacy-Verordnung, ein Gesetzeswerk, über das in Brüssel noch heiß gestritten wird. Setzen sich dort aber die Datenschützer durch, müssten auch Browser, also Programme, die Webseiten anzeigen, die Erlaubnis von Nutzern einholen, bevor sie bestimmte Daten weitergeben dürfen. Nutzer müssten also wieder aktiv Häkchen setzen, um sich tracken zu lassen. Das käme dann dem Tod des aktuellen Online-Werbe-Modells sehr nahe, sagt Verleger-Lobbyist Christoph Fiedler und zitiert eine Studie seines Verlegerverbands:
    "Unterm Strich geht man davon aus, dass die journalistischen Websites 30 Prozent oder sogar mehr als 30 Prozent an Werbeinnahmen verlieren werden."
    Doch der Medienrechtler Thomas Hoeren hält diese Verleger-Angst für unbegründet:
    "Ich halte es überhaupt nicht für wahrscheinlich, dass überhaupt eine ePrivacy-Verordnung kommt. Das ist so umstritten das Thema, dass es entweder Jahre noch dauert oder die Leute sagen: Wir sind so müde, wir wollen nicht mehr."
    Tracking zu Werbezwecken dürfte also schwerer werden, aber sterben wird es nächste Woche nicht.