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EU dringt auf freien Handel

Freier Handel zwischen der Türkei und Zypern ist unmöglich. Ankara verweigert griechisch-zypriotischen Schiffen, in türkischen Häfen anzulegen, und griechisch-zypriotischen Flugzeugen, auf ihren Flughäfen zu landen. Allerdings ist die Türkei bereit, dieses Verbot aufheben, sobald die Zyperngriechen ihrerseits die bestehende ökonomische Isolierung der türkischen Zyprioten beenden. Jerry Sommer berichtet von der Insel.

    Morgens um Sieben sitzen einige türkische Zyprioten beim Kaffee am Straßenrand im griechischen Teil von Nicosia. Sie haben gerade die innere Grenze passiert, um im Süden zur Arbeit zu gehen. Die Zyperntürken verdienen hier ihr Brot. Und sie sind sauer, dass die Regierung der Zyperngriechen die wirtschaftliche Isolation der türkischen Zyprioten nicht aufhebt. Mustafa Beschlül, der ganz gut Griechisch spricht, fordert:

    "Die müssten endlich erlauben, dass wir unsere Flughäfen und Häfen frei benutzen können."

    Obwohl Zypern Mitglied der EU ist und die Türkei es werden will, können EU-Waren bis heute nicht zollfrei über türkisch-zypriotische Häfen importiert und exportiert werden. Noch wichtiger für den Norden wäre, dass Flugzeuge direkt auf dem zypern-türkischen Flughafen Erkan landen könnten. Denn der Tourismus ist die größte Einnahmequelle des ärmeren Nordens. Bisher müssen alle Touristen aus Westeuropa erst einen Zwischenstopp in der Türkei einlegen. Das macht den Flug länger und teurer.

    Ein Döner-Imbiss in der belebten Einkaufstraße in der Altstadt des türkisch-zypriotischen Teils von Nicosia: Der junge Angestellte Hakan Eydyn ist über die Europäische Union enttäuscht. Diese habe die wirtschaftliche Benachteiligung der türkischen Zyprioten nicht beendet, obwohl die Zyperntürken sich vor zwei Jahren in einem Referendum für die Wiedervereinigung der Insel ausgesprochen hatten. Damals war die Wiedervereinigung nicht an den Zyperntürken, sondern am Nein der Zyperngriechen gescheitert. Dennoch würden die Zyperntürken jetzt bestraft.

    "Die EU hält nicht, was sie verspricht. Nur die griechischen Zyprioten profitieren von der EU, wir nicht."

    Die Türkei hat vorgeschlagen, ihre Häfen für griechisch-zypriotische Schiffe zu öffnen, wenn im Gegenzug auch die griechischen Zyprioten ihr ökonomisches Embargo gegen den Norden aufheben. EU-Kommissar Olli Rehn hat diesen Vorschlag begrüßt und hofft, dass ein Kompromiss gefunden werden kann. Doch die Regierung der Zyperngriechen will darüber noch nicht einmal diskutieren. Regierungssprecher Giorgos Lillikas:

    "Natürlich lehnen wir das ab. Die Türkei hat sich gegenüber der EU verpflichtet, unsere Schiffe und Flugzeuge in der Türkei landen zu lassen. Das soll sie einhalten. Von uns fordert sie eine Gegenleistung, doch die Häfen im türkisch besetzten Norden Zyperns zu öffnen, ist illegal."

    Die griechisch-zypriotische Regierung meint, das solche wirtschaftlichen Erleichterungen für den Norden nur eine politische Aufwertung des zyperntürkischen Staates bedeuten würden – was sie unter allen Umständen verhindern will.

    Die jungen Leute im modernen Starbuck’s-Cafe im Zentrum des zyperngriechischen Teils von Nicosia unterstützen diese Politik ihrer Regierung vehement. Vorurteile gegenüber der Türkei und Angst vor der ökonomischen Konkurrenz sind stark verbreitet. Ein Student erklärt:

    "Ich bin der Meinung, man sollte den türkischen Zyprioten niemals erlauben, ihren Flughafen zu benutzen."

    Seine Begleiterin ergänzt:

    "Das wäre zwar gut für die Wirtschaft der Zyperntürken, aber dann würde auch Geld von hier in den Norden abfließen."

    Die EU hat Forderungen an beide Seiten: Die Türkei soll ihr Embargo griechisch-zypriotischer Schiffe aufheben, die Inselgriechen sollen die wirtschaftliche Isolation des türkischen Nordens beendet. Ein Kompromiss wäre sicher möglich, allerdings müssten die Zyperngriechen ihre sehr legalistische Haltung aufgeben. Wenn nur die Türkei nachgibt, würde die Benachteiligung der Zyperntürken bleiben, befürchtet der Geschäftmann Mustafa Damdelen:

    ""Wenn sich nur die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Südzypern und der Türkei normalisieren, könnten wir wie bisher keine Waren nach Nordzypern importieren und in den Süden verkaufen. Dabei haben wir sehr gute Möglichkeiten, eine Brücke zwischen den griechischen Zyprioten und den Händlern in der Türkei zu sein."

    Eine gerade veröffentlichte Studie der renommierten Brüsseler Organisation "International Crisis Group" warnt, dass die zyperngriechische Regierung sich mit ihrer Kompromisslosigkeit keinen Gefallen täte. Denn ein ökonomischer Aufschwung im ärmeren Norden würde auch eine Wiedervereinigung des Landes einfacher machen. Die EU wiederum, so schlägt der Bericht vor, sollte den ganzen türkisch-zypriotischen Teil der Insel in die europäische Freihandelszone integrieren. Eine Idee, die der Geschäftsmann Damdelen sehr unterstützt:

    "Der freie Warenverkehr ist doch ein Kern der europäischen Mentalität. Wir sollten Teil dieser ökonomischen Integration sein."