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EU-Fischereiquoten
"Ziel muss das Anwachsen der Fischbestände sein"

Ostsee, Mittelmeer, Atlantik - viele Fischbestände gelten als stark überfischt. Nachhaltige Fischfangquoten dürften nicht durch nationale Interessen ausgehebelt werden, sagte Markus Knigge, Fischereiexperte der Umweltorganisation Pew - und hofft auf entsprechende Vereinbarungen der EU bis spätestens 2020.

Markus Knigge im Gespräch mit Britta Fecke |
    Ein Fangnetz ist auf einem Fischkutter aufgehängt.
    Was darf rausgeholt werden? Es gelten die EU-Fangquoten. (Jan-Martin Altgeld )
    Britta Fecke: Als Island vor dem Staatsbankrott stand und die Bevölkerung überlegte, ob sie mit einem EU-Beitritt ihre Insel vor dem Finanzkollaps retten könnte, entschieden sich die meisten Isländer trotz ihrer Not dagegen. Ein Grund sind die Fischfanggründe vor der Vulkaninsel, denn die sind vor allem wegen einer sorgfältigen und nachhaltigen Fischereipolitik relativ gesund. Mit einem EU-Beitritt, so die Sorge der Isländer, käme dann auch die Fischereiflotte der Mitgliedsländer, und dann wäre es um den Fischbestand und die Artenvielfalt geschehen. Heute und morgen beraten die Fischereiminister der EU in Brüssel über die Gesamtfangmenge für das nächste Jahr im Atlantik und der Nordsee.
    Ich bin jetzt verbunden mit Markus Knigge, Fischereiexperte der Umweltorganisation Pew. Herr Knigge, wie steht es denn um die Fischbestände in den Meeren, die die EU-Länder umgeben, wie zum Beispiel das Mittelmeer?
    Markus Knigge: Insgesamt geht es den Fischbeständen nicht besonders gut in den europäischen Gewässern. In den verschiedenen Fanggebieten, in der Ostsee, im Mittelmeer, im Atlantik ist das unterschiedlich. Und zum Teil gibt es auch verschiedene Informationslagen. Im Mittelmeer sieht es besonders schlecht aus, da gibt es besonders wenige Informationen. Und über die Bestände, wo man Informationen hat, ist es so, dass über 90 Prozent der Fischbestände als überfischt eingestuft worden sind.
    Fecke: Welche Fangmethoden, glauben Sie, haben diese Überfischung zum Beispiel im Mittelmeer zu verantworten?
    Knigge: Das sind häufig weniger die Fangmethoden, wie der Fisch rausgeholt wird, sondern es sind häufiger die Fanggrenzen, dass entschieden wird, wie viel kann gefischt werden. Gerade im Atlantik zum Beispiel oder in der Nordsee, die Sie eben angesprochen haben, ist es so, dass dort jährlich wiederholt Fanggrenzen festgelegt worden sind, die sehr viel höher sind als die wissenschaftlichen Empfehlungen.
    Fecke: Die gemeinsame EU-Fischereipolitik soll ja reformiert werden. Damit sollen in Europa neue Regeln für den Fischfang gelten. Wie sehen die aus, diese neuen Regeln, und reichen die auch, um die Bestände damit nachhaltig zu schonen?
    Knigge: Genau. Wir haben eine neue Fischereireform, die ist letztes Jahr verhandelt worden, ist ab 1. Januar in Kraft getreten. Dort gibt es das Ziel, die Fischbestände wieder auf ein nachhaltiges Niveau anwachsen zu lassen, und dafür muss man natürlich erst mal die Überfischung beenden, erst mal weniger fischen, damit es überhaupt wieder langsam hochgeht. Dafür hat man sich eigentlich konkrete Zeitvorgaben gesetzt. Das heißt, dass man ab 2015 - dieses Jahr wird verhandelt für 2015 - eigentlich nachhaltige Fanggrenzen bestimmen möchte, um diese nachhaltig zu bewirtschaften, spätestens aber bis 2020. Man gibt der Fischereiindustrie da eventuell auch ein bisschen mehr Zeit, um sich zu adaptieren. Das ist im Moment die Verhandlungssituation, dass gesagt wird, schaffen wir es 2015, wo wird es ein bisschen später gemacht, und wenn es verzögert wird, dieses Ziel, gibt es dann auch dafür klare Vorgaben, wann es denn dann wirklich erreicht werden muss, das nachhaltige Fischereiniveau.
    Fischer Martin Lange schlachtet am 29.09.2011 mit einem Messer Dorsche. Mit seinem Kutter "FRE 34" läuft der Fischer derzeit jeden Tag bei Wind und Wetter von Barhöft bei Stralsund zum Dorschfang auf der Ostsee aus.
    Fischer Martin Lange schlachtet am 29.09.2011 mit einem Messer Dorsche. (picture alliance / dpa / Stefan Sauer)
    "Wissenschaftliche Empfehlungen werden häufig ignoriert"
    Fecke: Wollen sich denn dann die EU-Fischereiminister auch mal mehr an wissenschaftliche Vorgaben halten?
    Knigge: Das ist unsere große Sorge, dass es auch in diesem Jahr schon Anzeichen gegeben hat, dass die Minister weiterhin eigentlich die wissenschaftlichen Empfehlungen ignorieren und da dann andere Gründe oder nationale wissenschaftliche Empfehlungen mit in die Diskussion einspeisen, was ein bisschen kontraproduktiv ist. Man weiß ja eigentlich, dass die Überfischung letztendlich zu weniger Fischen führt, und das ist auch klar: Das ist weder ökologisch noch ökonomisch sinnvoll.
    Fecke: Können Sie uns ein paar Arten nennen, die besonders betroffen sind?
    Knigge: Es gibt ein paar Bestände, denen es besonders schlecht geht, zum Beispiel der Kabeljau in der Nordsee, oder auch die Seezunge. Es gibt natürlich auch viele Zielarten, die weniger bekannt sind, Blauling, Flunder, andere, wobei man dazu sagen muss, das sind die Bestände, denen es sehr, sehr schlecht geht. Aber das Ziel ist ja nicht nur zu vermeiden, dass ein Fischbestand kollabiert, sondern das Ziel muss ja letztendlich sein, die Bestände wieder anwachsen zu lassen auf ein Niveau, wo es ökologisch und auch ökonomisch sinnvoller ist, die zu bewirtschaften und wo man letztendlich sicher mehr Fisch rausholen kann.
    Fecke: Ist die alternative Aquakultur tatsächlich eine Alternative?
    Knigge: Das wird immer wieder so angeführt. Es ist natürlich zumindest nicht ganz unproblematisch, weil viele Fischarten, die durch die Aquakultur produziert werden, letztendlich auch wieder von Fisch abhängig sind. Ganz einfach gesagt: Der Lachs, der aus der Aquakultur kommt, isst auch wieder Fischmehl, der wird auch wieder von Kleinfischen gefüttert. Da muss man natürlich überlegen, wo kommen die wieder her und wie geht es denen eigentlich. Das ist ein Problem bei dem Thema.
    Fecke: Vielen Dank für diese Einschätzungen. - Markus Knigge war das, Fischereiexperte der Umweltorganisation Pew.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.