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EU-Fördermittel
Weniger Geld für Polen?

Die EU-Fonds, mit denen ländliche Regionen gefördert werden, sollen beschnitten werden. Das betrifft vor allem Polen, den größten Empfänger von europäischen Fördergeldern. In einem Dorf nahe Warschau sieht man diese Entwicklungen gelassen.

Von Florian Kellermann | 27.06.2018
    Flaggen Polens und der EU
    Weniger Geld für Polen? (dpa / Beata Zawrzel/NurPhoto)
    Eine Bühne in der Ortsmitte: Die Talente von Cegłów stellen sich vor – für einen Musikwettbewerb, der hier bald stattfinden soll. Das Dorf Cegłów ist Sitz einer Gemeinde mit rund 6.000 Einwohnern. Jugendliche singen Popmusik, eine Folkloregruppe singt traditionelle Lieder. Seit etwas über zehn Jahren blühe das kulturelle Leben hier auf, sagt Tadeusz Lempkowski, Leiter der örtlichen Bibliothek und Direktor des Musikwettbewerbs:
    "Wir gehen wieder zurück zu unseren Wurzeln, zu alten Bräuchen und Liedern, die fast vergessen waren. Daran beteiligen sich junge Talente und ältere Einwohner, die nicht mehr berufstätig sind und die ihrem Leben noch einmal eine neue Richtung geben wollen."
    Entwickelt dank EU-Geldern
    Nicht nur die Kultur, ganz Cegłów hat sich in rasantem Tempo entwickelt – dank EU-Geldern. Das Holzhaus mit Walmdach, oberhalb des Platzes mit der Bühne, ist renoviert. Es ist das frühere Rathaus, heute Sitz der Bibliothek. Am unteren Ende gibt es einen modernen Spielplatz und eine Fitnessanlage. Die bisher größte Investition im Ort wird vor dem nächsten Schuljahr eingeweiht: eine neue Sporthalle. Auch die Bewohner von Cegłów sind zufrieden damit, wie sich ihr Dorf entwickelt - so die Verkäuferin im Lebensmittelladen:
    "Bald werden wir Erdgas haben in der Siedlung, wo ich wohne. Dann wird die Luft im Winter besser, weil wir nicht mehr mit Kohle heizen müssen. Nicht alle werden es sich sofort leisten können, ihre Heizung umzustellen. Aber seit einigen Jahren wird das Leben immer besser hier."
    EU-Zuschüsse könnten um 25 Prozent sinken
    Natürlich sei es kein Zufall, dass sich das Dorf seit dem polnischen EU-Beitritt so stark entwickelt hat, sagt Bürgermeister Marcin Uchman:
    "Wir haben Zuschüsse von fast 20 Millionen Złoty bekommen in den vergangenen Jahren, knapp fünf Millionen Euro. Das ist in etwa so viel wie unser jährliches Budget – nur, dass wir von diesem Budget nur einen Bruchteil für Investitionen ausgeben können. Die EU-Fördermittel haben unsere Situation also ganz erheblich verbessert."
    Allein zwischen 2015 und 2017 wurden gut 60 Prozent der öffentlichen Investitionen in Polen durch EU-Mittel finanziert. Doch die fetten Jahre sind womöglich bald vorbei. Denn die Fonds, mit denen Cegłów gefördert wurde, sollen beschnitten werden. Das geht aus dem Entwurf für den nächsten Finanzrahmen der EU hervor, für die Jahre ab 2021 – erstellt von der EU-Kommission. Sie will die Mittel für den ländlichen Raum für Polen um 25 Prozent kürzen.
    Der eigene Erfolg wird zum Problem
    Zum Problem wird für Cegłów aber auch der polnische Erfolg. Marcin Uchman meint:
    "Die Hauptstadt Warschau wird immer reicher, und wir liegen im gleichen Regierungsbezirk. Pro Kopf wird das Einkommen hier bald deutlich über dem EU-Durchschnitt liegen. Wenn nun auch noch Großbritannien aus der EU austritt und nicht mehr einzahlt, wird es hier immer schwerer, an EU-Mittel zu kommen."
    Aber auch in anderen Regionen mit mehr Nachholbedarf steigen die Einkommen. Was eigentlich gut für Polen ist, schwächt die Position der polnischen Regierung bei den Verhandlungen um den EU-Haushalt. Dabei gibt es selbst in Cegłów noch viel zu tun, sagt Bürgermeister Uchman:
    "Wir wollen ein Gewerbegebiet einrichten, auf einem zehn Hektar großen Gelände. Es würde direkt in der Nachbarschaft der beiden größten Betriebe entstehen, die es hier schon gibt, darunter eine Fabrik für Bauchemie."
    Zumindest Cegłów könnte sich so, mit den Gewerbeeinnahmen, unabhängig von EU-Subventionen entwickeln.