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EU-Forschungsinitiative
Auf dem Weg zur Wasserstoffunion?

Dem EU-Forschungsrahmenprogramm "Horizon Europe" bewilligten die Regierungschefs auf dem EU-Gipfel deutlich weniger Gelder als vorgesehen. Forschungsministerin Anja Karliczek plant dennoch eine europäische Initiative. Das Ziel: Europa soll zum Kontinent des grünen Wasserstoffes werden.

Von Christiane Habermalz | 22.07.2020
21.07.2020, Berlin: Anja Karliczek (CDU), Bundesministerin für Bildung und Forschung, äußert sich in einer Pressekonferenz zum informellen Treffen der EU-Forschungsminister. Bei der Videokonferenz der Forschungsministerinnen und Forschungsminister der Europäischen Union (EU) - erstmals unter der Deutschen EU-Ratspräsidentschaft - ging es unter anderem um die Förderung des Grünen Wasserstoffs, die Vorbeugung von Krisen und eine Neuausrichtung des Europäischen Forschungsraums. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa | Verwendung weltweit
Anja Karliczek äußert sich in einer Pressekonferenz zum ersten informellen Treffen der EU-Forschungsminister unter der Deutschen EU-Ratspräsidentschaft (picture alliance/Bernd von Jutrczenka/dpa)
In langen Verhandlungen hatte der EU-Gipfel bei den gemeinsamen Corona-Finanzhilfen die Kuh vom Eis geschafft. Doch eine andere Kuh musste dafür geschlachtet werden – so sehen es jedenfalls die enttäuschten Wissenschaftsorganisationen und Hochschulverbände der EU. Das EU-Forschungsrahmenprogramm "Horizon Europe" musste bluten, nur 75,9 Millionen bewilligten die EU-Regierungschefs dafür, 100 Millionen waren einmal vorgesehen gewesen.
Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) war dennoch sichtlich bemüht, sich bei ihrem ersten großen Auftritt auf EU-Ebene die Laune nicht verderben zu lassen:
"Am Ende ist es immer so, dass man niemals mit den Wünschen, mit denen man in eine Verhandlung hineingeht, auch hinauskommt. Und jetzt müssen wir gucken, dass wir mit dem was wir haben das Beste draus machen und dass wir grade bei Forschung und Innovation uns noch viel effizienter verzahnen", erklärte die CDU-Ministerin bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit EU-Forschungskommissarin Maria Gabriel.
Ehrgeizige Pläne
Zuvor hatten sich die europäischen Forschungsminister unter ihrem Vorsitz zu ihrem ersten informellen Treffen unter deutscher Ratspräsidentschaft getroffen – online, versteht sich. Und Karliczek hat ehrgeizige Pläne: Sie will gemeinsam mit ihren Amtskolleginnen und -kollegen Europa zum Kontinent des Grünen Wasserstoffes machen – mit Deutschland als Zugpferd:
"Europa soll weiterkommen, auf dem Weg von der einstigen Montanunion zur Wasserstoffunion, und deswegen haben wir heute eine europäische Forschungsinitiative zum grünen Wasserstoff diskutiert."
Synergien herstellen
Um das gemeinsame Ziel zu erreichen, Europa bis 2050 zum klimaneutralen Kontinent zu machen, sei Wasserstoff ein wichtiger Schlüssel, so Karliczek. Und natürlich forscht nicht nur Deutschland an der Technologie – warum also nicht Synergien herstellen, nationale Anstrengungen verzahnen?
Zunächst, kündigte Karlizek an, solle in einem Mapping-Prozess abgebildet werden, was in den einzelnen EU-Ländern bereits geschehe, dafür haben man eine sehr große Mehrheit der Mitgliedsländer gewinnen können. Als zweiter Schritt solle mit der Industrie und unter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger eine gemeinsame Agenda angestoßen werden:
"Gerade der grüne Wasserstoff ist der Energieträger der Zukunft und mit breitem Einsatz von grünem Wasserstoff werden wir auch in der Lage sein, die Schwerindustrie klimafreundlich zu gestalten und damit auch in Europa zu halten."
In Deutschland ist es erst vor kurzem gelungen, sich nach langem Streit auf eine Wasserstoffstrategie zu einigen. Sieben Milliarden Euro will die Bundesregierung in die Entwicklung der Technologie stecken, weitere zwei Milliarden für internationale Forschungskooperationen. Damit setzt die Koalition viel Hoffnung in ein Verfahren, das in der Stahlproduktion die kohlebetriebenen Hochöfen ersetzen könnte, in Brennstoffzellen Autos antreiben und Energie aus Wind und Sonne speichern könnte.
Grüner Wasserstoff
Um ihn aus Wasser gewinnen zu können, muss man jedoch erst einmal Energie aufwenden – klimaneutral ist das nur, wenn dafür Strom aus erneuerbaren Quellen verwendet wird. Grüner Wasserstoff wird er dann genannt – im Gegensatz zu blauem Wasserstoff, der mit Erdgas gewonnen wird.
Doch die Wasserstoff-Technologie ist bislang noch sehr teuer – in der Stahlproduktion etwa fünfmal teurer als Kohle. Mithilfe der Bündelung nationaler Forschungsanstrengungen soll dem Wasserstoff in Europa auch wirtschaftlich zum Durchbruch verholfen werden, hofft Karliczek.
Rückendeckung erhielt sie von EU-Forschungskommissarin Maria Gabriel. Die Kommission hat vor kurzem ihre eigene Wasserstoffstrategie verkündet. Doch gelingen wird das nur, wenn die nationalen Regierungen mitziehen. Dass die Forschungsgelder gerade erst gekürzt wurden – ein gutes Signal für die Zukunft ist das zumindest nicht.