Donnerstag, 25. April 2024

Migration
EU-Innenminister suchen Lösung im Asylstreit

Bei einem Treffen der EU-Innenminister in Luxemburg soll heute ein neuer Versuch unternommen werden, eine Reform des europäischen Asylsystems auf den Weg zu bringen. Die Vizepräsidentin des Europaparlaments, Barley, sagte im Deutschlandfunk, die Bundesregierung befinde sich dabei in einer schwierigen Position.

08.06.2023
    Betten für Geflüchtete stehen in der Außenstelle der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen in der Messehalle 27 der Messe Hannover.
    Die EU-Innenminister beraten über eine Reform der gemeinsamen Asylpolitik. (picture alliance / dpa / Julian Stratenschulte)
    Deutschland sei immer das Land gewesen, das die meisten Flüchtlinge aufgenommen und für Solidarität geworben habe, sagte die SPD-Politikerin im Deutschlandfunk. Viele Länder seien aber heute weniger bereit zur Aufnahme von Migranten, Deutschland stehe zunehmend alleine da. Barley betonte, dass die Bundesregierung für die Einhaltung humanitärer Standards kämpfe. Wenn es eine Überprüfung von Asylanträgen an den Außengrenzen geben werde, dürfe das nur Verfahren betreffen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit scheitern würden. Die EU müsse zudem Vorkehrungen treffen, dass die Prüfung an den Außengrenzen nicht Monate dauere und es zu haftähnlichen Zuständen komme.
    Die 27 EU-Innenminister tagen heute in Luxemburg. Auf dem Tisch liegen Entwürfe für Gesetzestexte, die die derzeitige schwedische EU-Ratspräsidentschaft auf Basis von Vorschlägen der EU-Kommission erarbeitet hat. Im Kern ist vorgesehen, dass Menschen mit wenig Aussichten auf Asyl in Europa direkt an der Außengrenze überprüft und bei Ablehnung zurückgewiesen werden. Anerkannte Asylbewerber sollen auf alle EU-Staaten nach einem Schlüssel verteilt werden. Länder, die wie Ungarn keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, sollen zu Ausgleichszahlungen gezwungen werden können. Die Bundesregierung will der Vorlage im Grundsatz zustimmen. Kritik kommt aus den Reihen von Grünen und SPD sowie von Flüchtlingsorganisationen.

    Mehrheit für Vorschlag ungewiss

    Ob sich bei dem Treffen in Luxemburg genügend Länder hinter die Gesetzesvorschläge stellen werden, ist unklar. Nach Angaben von Diplomaten ist eine entscheidende Frage, wie sich die deutsche Koalitionsregierung positionieren wird. Sie hatte auf Drängen der Grünen in den Vorgesprächen zu dem Innenministertreffen gefordert, dass Familien mit Kindern von neuen strengen Grenzverfahren ausgenommen werden. Eine große Mehrheit der anderen Staaten lehnte dies allerdings vehement ab, weil sie durch eine solche Regelung den Abschreckungscharakter gefährdet sieht.
    Voraussetzung für einen Beschluss zu den Plänen ist, dass 15 von 27 Mitgliedstaaten mit Ja stimmen, wobei diese zusammen mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU ausmachen müssen. Wenn sich keine ausreichend große Mehrheit abzeichnet, müssten die Verhandlungen fortgesetzt werden.

    Letzte Chance für EU-Asylreform?

    Sollte der EU-Ministerrat bis zur Sommerpause keinen Beschluss fassen, dürfte es kaum noch eine Möglichkeit geben, die Reform in absehbarer Zeit zu verabschieden. Grund ist, dass es auch noch Verhandlungen mit dem Europaparlament darüber geben muss. Diese könnten Monate dauern - dann reicht möglicherweise die Zeit nicht mehr, das Projekt vor der Europawahl im Juni 2024 abzuschließen.
    Bundesinnenministerin Faeser betonte die Notwendigkeit von Reformen. Anderenfalls sei mit mehr nationalstaatlicher Abschottung zu rechnen, sagte die SPD-Politikerin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Das Schengen-System gerate in Gefahr, wenn die EU-Außengrenzen nicht verlässlich kontrolliert würden.
    Bundeskanzler Scholz sicherte Italien Solidarität bei der Aufnahme von Flüchtlingen zu. Italien, Griechenland und andere am Mittelmeer liegenden EU-Staaten stünden vor einer großen Herausforderung, weil die Zahl der dort ankommenden Flüchtlinge steige, sagte der SPD-Politiker der italienischen Zeitung "Corriere della Sera". Man werde die Ländern nicht alleine lassen, sondern verfolge einen Ansatz von Solidarität und Verantwortung. Scholz warb gleichzeitig für eine Einigung auf eine grundlegende Reform des europäischen Asylsystems. Europa brauche eine solidarische Verteilung von Verantwortung und Zuständigkeit zwischen den EU-Staaten sowie die Einhaltung der Standards für Schutzsuchende in den Asylverfahren.
    Diese Nachricht wurde am 08.06.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.