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EU-Investitionsprogramm
"Entscheidung zur Kernkraft ist Sache der Mitgliedsstaaten"

Einige Staaten wollen offenbar mithilfe des EU-Investitionsprogramms den Ausbau der Atomenergie fördern. Diese Projekte würden geprüft, sagte EU-Kommissar Oettinger (CDU) im DLF. Man könne nicht von Deutschland aus befehlen, dass Kernkraftwerke in anderen Ländern abzuschalten seien.

Günther Oettinger im Gespräch mit Jessica Sturmberg | 10.12.2014
    EU-Digitalkommissar Günther Oettinger
    Für EU-Kommissar Oettinger zählen Energieeffizienz, moderne Strom- und Gasnetze sowie moderne Breitbandkabel. (dpa / picture-alliance / Bernd von Jutrczenka)
    Jessica Sturmberg: Schnelles Internet und flächendeckende Breitbandversorgung, genau solche Projekte will die EU-Kommission mit ihrem 315 Milliarden Euro schweren Investitionsprogramm in den kommenden Jahren fördern. Und was dieses europäische Konjunkturprogramm betrifft, da gibt es nun Berichte, dass diverse Mitgliedsstaaten damit den Ausbau von Atomenergie finanzieren wollen. Über diese beiden Aspekte habe ich auf dem Parteitag mit EU-Kommissar Günther Oettinger gesprochen, jetzt zuständig für die Digitale Wirtschaft und zuvor für den Energiesektor, gesprochen. Soll der nun beschlossene Breitbandausbau mit Mitteln aus dem Investitionsprogramm finanziert werden?
    Günther Oettinger: Ja, wir wollen ja mit dem Programm Schwerpunkte setzen. Und ein Schwerpunkt ist Energieeffizienz und sind Energienetze, und der zweite Schwerpunkt ist die digitale Infrastruktur. Und wenn Deutschland hier Projekte anmeldet, sind die hoch willkommen. Die werden wir prüfen und können und dann durch unsere Risikominimierung und unsere Instrumente sicherlich diese Projekte beschleunigen und damit Deutschland früher dorthin bringen, wo es hingehört, nämlich gut vernetzt und ohne, dass ländliche Räume einen Nachteil haben, sondern dass man überall in Deutschland mit der Welt und mit Europa perfekt und digital kommunizieren kann.
    Sturmberg: Das ist ja auch Sinn und Zweck dieses Investitionsprogramms, dass eben in die Infrastruktur investiert wird, sodass man dann darauf wieder private Investitionen satteln kann und dann entsprechend auch die Konjunktur angekurbelt wird. Ist das denn unbedingt in Deutschland nötig, oder wäre das Geld nicht in anderen Ländern noch ein bisschen besser aufgehoben?
    Oettinger: Es gibt in anderen europäischen Ländern zum Teil noch größeren Nachholbedarf, aber im Bereich der digitalen Infrastruktur sind alle Länder gleichermaßen an einer Beschleunigung für wichtige digitale Netze interessiert. Und da Deutschland der Industriestandort ist, haben auch die anderen Interesse daran, dass unsere Industrie wettbewerbsfähig bleibt, kommunizieren kann. Deswegen sind digitale Netze in Deutschland auch ein Mehrwert für den gesamten europäischen Markt.
    Sturmberg: Wie sieht es aus? Sie sagten vorhin, das Stichwort Energieeffizienz, Ausbau der Stromnetze. Jetzt heißt es, dass viele Projekte eingereicht worden sind, die den Ausbau von Atomkraft zum Inhalt haben. Ist das im Sinne dieses Investitionsprogramms?
    "Müssen akzeptieren, wenn andere auf Kernkraft setzen"
    Oettinger: Bisher haben die Mitgliedsstaaten unsere Bitte auf dem Tisch gehabt, uns Projekte zu liefern. Die werden wir jetzt in Ruhe bewerten. Das Auswahlverfahren geht ja bis zum Frühjahr nächsten Jahres. Aber klar muss sein, es gibt nun mal in anderen Ländern zum Thema Energie- und Stromproduktion andere Schwerpunkte. Und wir können nicht aus Deutschland anderen befehlen, ob sie auf Kohle verzichten oder ob sie Kernkraftwerke abschalten. Wir werden prüfen, ob diese Investments für die Versorgungssicherheit notwendig sind, werden prüfen, wie die Geschäftsmodelle aussehen, und dann wird man entscheiden müssen. Aber nochmals: Die Entscheidung zur Kernkraft ist Sache der Mitgliedsstaaten. Das war immer so. Wir Deutschen haben ja mal die Laufzeit verlängert, und das haben die Österreicher akzeptiert. Wir haben stark in Kernkraft investiert, das haben die anderen akzeptiert. Deswegen müssen wir jetzt dann auch akzeptieren, wenn im Unterhaus in London alle Parteien, die Liberalen, die Konservativen, die Torys und die Sozialisten auf Kernkraft setzen. Aber es wird mit Sicherheit kein Kernkraftprogramm, sondern digitale Infrastruktur und Energienetze sowie Energieeffizienz sind die Schwerpunkte.
    Sturmberg: Entspräche das auch dem Geist dieses Investitionsprogramms, wenn eben ein Teil in Kernenergie fließt?
    Oettinger: Der Geist heißt Arbeitsplätze, heißt Wachstum, heißt Beschleunigung von Vorhaben, die Europa stärken. Und dann kann man Kernkraft nicht von vornherein ausschließen.
    Sturmberg: Was ist denn Ihr Herzensanliegen? Wo sehen Sie die Mittel am besten aufgehoben?
    Oettinger: Für mich zählt Energieeffizienz, zählen moderne Strom- und Gasnetze und auch Terminals für Flüssiggas, und zählen moderne Breitbandkabel, die einen höchsten Qualitätsstandard haben. Das sind drei große Schwerpunkte.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.