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EU-Koordinator Busek: Wir müssen rasch zu einer Roadmap kommen

Durch den Tod des Kosovo-Präsidenten Ibrahim Rugova fehlt nach Ansicht des EU-Sonderkoordinators für den Stabilitätspakt, Erhard Busek, ein Gegenüber bei den politischen Gesprächen. Zu den bevorstehenden Verhandlungen über den künftigen Status des Kosovo sagte Busek, es müsse unbedingt der Eindruck entstehen, dass sich etwas bewege. Unter den Kosovo-Albanern könne leicht jemand wieder das Gewehr in die Hand nehmen, warnte Busek.

Moderation: Klaus Remme |
    Klaus Remme: Ibrahim Rugova, der Präsident des Kosovo, ist am Samstag im Alter von 61 Jahren an Lungenkrebs gestorben. Die Ehrungen für Rugova an diesem Wochenende, sie nahmen kein Ende. "Vater der Nation" und "Gandhi des Balkan", so nur zwei Ausdrücke für den Politiker. - Am Telefon ist jetzt Erhard Busek. Er ist Sonderkoordinator für den EU-Stabilitätspakt in Südosteuropa. Herr Busek, ich grüße Sie!

    Erhard Busek: Guten Morgen!

    Remme: Herr Busek, wie groß ist die Lücke, die Ibrahim Rugova politisch reißt?

    Busek: Zunächst einmal ist Ibrahim Rugova sicher ein Symbol für den Kosovo, für die Kosovo-Albaner. Solche Funktionen sind eigentlich sehr wichtig. Zum anderen ist es natürlich eine Lücke, dass wir eigentlich nicht wissen, wer der Partner in Zukunft sein wird, weil er natürlich auch der Chef seiner Partei gewesen ist, und es ist nicht abzusehen, wer hier die starke Figur sein wird. Es fehlt uns das Gegenüber der provisorischen Regierung oder des provisorischen Staates, muss man vorsichtig sagen, und es fehlt uns natürlich auch der politische Spieler am Feld.

    Remme: Muss man Rugova, Herr Busek, bei allem Lob über seine Rolle nicht dann doch vorwerfen, dass er es versäumt hat, diesen Nachfolger aufzubauen?

    Busek: Das ist richtig. Man muss allerdings dazu sagen, dass er nicht in unserem Sinn ein Politiker gewesen ist. Er war Schriftsteller, gewissermaßen auch eine Figur, die eine gewisse Romantik vertreten hat, und nicht jener, der das Geschäft des Tages in dem Ausmaß geprägt hat. Er hat natürlich auch einiges für die eigenen Leute zugedeckt, wobei es natürlich hinter den Linien selbstverständlich Auseinandersetzungen gegeben hat.

    Remme: Es sollte in dieser Woche erste direkte Gespräche über den künftigen Status der Provinz geben. Diese wurden jetzt auf Anfang Februar vertagt. Herr Busek, wie lange kann der Status Quo im Kosovo noch aufrechterhalten werden?

    Busek: Es wäre sehr wünschenswert, dass wir ziemlich rasch zu einer Art Tagesordnung kommen beziehungsweise auch zu einer "Roadmap", dass wir wissen, wie Schritt um Schritt die Dinge vorangehen. Schnelle Lösungen sind nicht zu erwarten, aber es muss unbedingt der Eindruck entstehen, dass sich etwas bewegt, denn das kritische Potenzial existiert unter den Kosovo-Albanern mit Sicherheit noch. Wenn Sie einkalkulieren, dass die Leute dort sehr jung sind. Sie müssen rechnen: etwa die Hälfte ist unter 25. Das zweite ist, dass die Arbeitslosigkeit hoch ist, die sich auch etwa bei 50 Prozent bewegt. Das ist kritisches Potenzial und da nimmt dann leicht jemand wieder das Gewehr in die Hand, wobei man dazu sagen muss, dass ja die kosovo-albanische Seite bisher Erfolge erzielt hat, indem sie zur Waffe griff. Hier muss man ganz entschieden dagegen auftreten, denn das würde die Situation verschlechtern.

    Remme: Herr Busek, gibt es eine Alternative zur Unabhängigkeit des Kosovo, oder fehlt nur der politische Mut?

    Busek: Es fehlt die Gewöhnung daran. Hier liegt das Problem sicher in Belgrad. Man muss es Belgrad so präsentieren, dass eigentlich offiziell klarer wird, dass es ein Vorteil auch für Belgrad und die serbische Seite ist, wenn es zu definitiven Lösungen kommt. Das bedarf Gewöhnung. Das geht nicht von heute auf morgen. Hier muss man glaube ich sehr viel Geduld, aber auch Entschlossenheit an den Tag legen und nicht unterschiedliche Positionen. Das ist der Fehler, der manchmal auf der europäischen Seite passiert.

    Remme: Was kann denn Europa, die EU Belgrad als Gegenleistung für eine Unabhängigkeit des Kosovo anbieten?

    Busek: Zunächst einmal ist es sicher so, die Mitgliedschaft in der Europäischen Union und natürlich auch bei der NATO, das spielt eine große Rolle. Dann muss man auch Vorschläge machen, wie sich Belgrad in seiner Rolle zurecht findet. Das wird wirtschaftliche Hilfen beinhalten, wird aber auch vor allem die politische Akzeptanz als Notwendigkeit haben. Das ist aber ein mühevoller Prozess. Hier zu erwarten, dass wir von heute auf morgen zu Lösungen kommen, ist eine glatte Illusion.

    Remme: Aber wie realistisch ist eine Aussicht auf eine EU-Mitgliedschaft angesichts der Debatte um die Erweiterung der Union, völlig unabhängig von neuen Kandidaten?

    Busek: Das ist eine völlig richtige Feststellung von Ihrer Seite. Das ist das generelle Problem, das wir gegenwärtig in der Region haben. Nur soll mir jemand sagen, wie sieht das Konzept aus ohne die Perspektive der EU-Mitgliedschaft, dass wir Stabilitäten in der Region erreichen. Hier muss ganz deutlich gesagt werden: Machen wir das nicht, die Perspektive der EU-Mitgliedschaft, dann ist der Preis noch viel höher, als wir ihn sonst zu zahlen haben.

    Remme: Herr Busek abschließend: Die internationale Staatengemeinschaft war und ist immer gegen eine Teilung des Kosovo. Muss man diesen Gedanken nicht doch akzeptieren, gesetzt den Fall beide Parteien wollen dies und einigen sich darauf?

    Busek: Wenn eine Einigung der beiden Parteien vorliegt, dann ist das natürlich ein sehr hilfreicher Schritt. Es sind natürlich prinzipielle Erwägungen, die eine Rolle spielen, weil das ein Beispiel sein könnte für andere Fragen. Aber eine tragfähige Lösung zu haben, ist eigentlich die wichtigere Seite. Hier wird man einfach lernen müssen, dass Politik natürlich auch pragmatische Seiten hat.

    Remme: Also eine Teilung für Sie nicht undenkbar?

    Busek: Nicht als erster Vorschlag. Hier muss man sehen, was überhaupt möglich ist. Schöner wäre es natürlich, wenn alle beieinander blieben und miteinander leben könnten und hier auskömmlich eine Zukunft bilden. Aber da wird man sehen. Auch das ist ein Prozess, der die Akzeptanz selber braucht, denn schließlich haben sie auch eine Zeit lang miteinander gelebt. Allerdings liegt das schon einige Zeit zurück.

    Remme: Erhard Busek, Sonderkoordinator für den EU-Stabilitätspakt in Südosteuropa. Herr Busek vielen Dank!

    Busek: Danke vielmals!