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EU-Landwirtschaft zwischen Neuausrichtung und Ost-Erweiterung

Die Agenda 2000 sollte den Landwirten der Europäischen Union einen verlässlichen Rahmen für die Planung bis zum Jahr 2006 bieten. Eine Bestandsaufnahme, der sogenannte Midterm Review, lässt sie jetzt aufschrecken. Die neuen Reformvorschläge aus Brüssel vom EU-Agrarkommissar Fischler lassen einige Änderungen in der Landwirtschaftspolitik vermuten, mit denen die Bauern in Deutschland nicht zufrieden sind. In der Andreas-Hermes-Akademie des Deutschen Bauernverbandes in Bonn-Röttgen tagen deshalb Vertreter aus Wissenschaft, Politik und landwirtschaftlicher Praxis, um Konflikte und gegenseitige Positionen zu klären.

Von Dietrich Sondermann |
    Die Bauern sind verärgert über die Pläne aus Brüssel. In vielen Punkten fühlen sie sich von Franz Fischler über den Tisch gezogen. Zum Beispiel Dieter Bockey. Der Referent für nachwachsende Rohstoffe beim Deutschen Bauernverband versteht die vorgesehenen Änderungen aus Brüssel nicht. Bislang bekamen die Landwirte Geld, wenn sie zehn Prozent ihrer Fläche aus der Nahrungsmittelproduktion herausnahmen, also still legten. Diese Flächen nutzten viele Bauern, um sich mit dem Anbau von Ölpflanzen fur die Biodieselproduktion ein zweites Standbein zu schaffen:

    Fischler hat selbst in der Vergangenheit vielfach gerade die nachwachsenden Rohstoffe als Anbaualternative mit Blick auf die überschüssige Agrarmarktsituation propagiert und auch selbst dafür Sorge getragen, dass eben auf den Stilllegungsflächen nachwachsende Rohstoffe angebaut werden können und gerade jetzt, wo die Entwicklung der Kommissionspolitik auch Früchte zeigt, die man sich wünschte, nämlich dass sich der Anbau in den Ländern entwickelt, dass sich neue Wirtschaftszweige entwickeln, die Landwirte mit dem Anbau auch eine Einkommensperspektive haben, kappt der diese Entwicklung mit einem Vorschlag.

    Gekappt wird auch in anderen Bereichen. Die Direktzahlungen, vielfach auch Subventionen genannt, sollen gekürzt werden. Das bedeutet für viele Betriebe eine erhebliche Einkommenskürzung. Kleine Betriebe, die nicht mehr als 5000 Euro erhalten, sind davon ausgenommen. Aber die Höchstgrenze für diese Gelder soll in Zukunft bei 300.000 Euro liegen. Das trifft dann vor allem ganz große Betriebe wie ehemalige LPGs in den neuen Bundesländern. Ziel ist, den Strukturwandel in der Landwirtschaft aufzuhalten und kleine Betriebe zu fördern. Die Rechnung geht aber nach Meinung der Landwirtschaftsvertreter nicht auf. Bernhard Schlindwein vom Bauernverband Westfalen-Lippe:

    Das wird aber in der Praxis dazu führen, dass Rechtsanwälte Geld verdienen und Unternehmensberater Geld verdienen, um den Betrieben zu verkaufen, wie man so einen Betrieb teilt. Letztendlich spart die EU-Kommission daran keinen Pfennig, keinen Euro-Cent; es sind die Rechtsanwälte, die Steuerberater, die wahrscheinlich hier ihr Geld verdienen.

    Diese Einkommensverluste würden in den kommenden Jahren ständig anwachsen:

    Das soll anfangen mit drei Prozent im Jahr 2004 und enden bei 20 Prozent, etwa im Jahr 2010/201, glaube ich, wird das sein.

    Das Geld, was die EU durch die verschiedenen Maßnahmen einsparen will, soll in die Förderung des ländlichen Raumes gesteckt werden. Wenn das so ist, dann haben die Landwirtschaftsvertreter damit kein Problem. Aber Bernhard Schlindwein sieht die Gefahr, dass die Gelder aus seiner Sicht zweckentfremdet werden:

    Denken Sie an Förderung ländlicher Raum; wir haben bald ne EU-Osterweiterung, wir werden bald EU 27 sein; also es kommen zwölf neue Mitgliedsstaaten dazu. Da wird sicherlich dazu gehören Förderung ländlicher Raum, Bau von Straßen beispielsweise, die wir hier ja zur Genüge haben.

    Er hat andere Ideen, wie das Geld direkt an die Bauern zurückfließen kann:

    ...für Umweltmaßnahmen, für Vertragsnaturschutz bspielsweise,. aber auch für Vorruhestandsregelungen innerhalb der LW, was auch vielen jungen Betriebsleitern helfen würde.

    Brüssel will die Direktzahlungen an Umwelt- und Tierschutzstandards sowie an die Lebensmittelsicherheit knüpfen, womit deutsche Landwirte wohl keine Probleme hätten:

    Wir haben ja sehr hohe Standards hier in Deutschland; hier sagt Kommissar Fischler eindeutig, wir haben hier in Deutschland sehr hohe Standards aber anderswo in der EU-15 ist es vielleicht noch anders, ... dass man hier eine Angleichung hinbekommt auf der europäischen Ebene, was diese Standards angeht. Damit haben wir in Deutschland sicher kein Problem.

    Bernhard SchIindwein ist jedenfalls der Meinung, dass die Fischler-Vorschläge nicht umgesetzt werden sollten. Er hat von der Tagung den Eindruck, dass er dabei von den anwesenden Agrarwissenschaftlern unterstützt wird und wünscht sich eine Fortsetzung der Agenda 2000 ohne Modulation und Entkoppelung.

    Volkard Isermeier, Professor bei der Bundesforschungsanstalt für Agrarwissenschaften in Braunschweig kann den Ärger der Landwirte verstehen. Wenn Betriebe sich in ihrer Planung bis zum Jahr 2006 orientiert haben, kann ein Politikwechsel drei Jahre vor der Zeit sehr schmerzhaft sein. Trotzdem gibt es dafür wohl gute Gründe:

    Wenn wir die Einschnitte jetzt nicht stufenweise machen, werden sie 2007 umso schärfer kommen und das müssen die Landwirte berücksichtigen.

    Aus lsermeiers Sicht sind die Fischler-Vorschläge der Anfang, eine neue Agrarpolitik in Europa einzuleiten.

    Wenn die Landwirtschaft jetzt nicht mitspricht, dann muss sie nachher das nehmen, was noch übrig bleibt.