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EU-Parlament will fairen Handel regeln

Fairer Handel, das sind Produkte, für die niemand ausgebeutet wird und die umweltfreundlich produziert werden. Früher bekam der Verbraucher Produkte aus fairem Handel meist in so genannten Dritte-Welt-Läden. Heute ist dieser Handelsbereich ein Wirtschaftszweig geworden. Das Europäische Parlament jetzt genaue Kriterien für den Handel mit fairen Produkten innerhalb der EU.

Von Ruth Reichstein | 12.07.2006
    Ein Oxfam-Laden in der Brüsseler Innenstadt. Die belgische Nichtregierungsorganisation verkauft in ihren Läden nur fair gehandelte Produkte: Von Kaffee und Schokolade über Tischdecken bis hin zu Kunsthandwerk. Alles kommt von Herstellern, die ihre Arbeiter angemessen bezahlen. Neben dem Wein-Regal steht Anja Osterhaus. Sie vertritt die Welthandelsbewegung in Brüssel bei den Europäischen Institutionen. Und für sie ist der faire Handel eine absolute Zukunftsbranche:

    "Der faire Handel ist immer noch ein kleiner Markt. Aber er wächst beständig und wir haben im Moment in Europa Wachstumsraten von 20 Prozent. Und wir erreichen in der Zwischenzeit Marktanteile von 5, 20, manchmal bis zu 50 Prozent bei bestimmten Produkten. Zum Beispiel sind in der Schweiz 50 Prozent der Bananen fair gehandelt."

    Der faire Handel wird immer wichtiger für die Europäische Wirtschaft. Zurzeit gibt es rund eine Million Produzenten, die sich an den Regeln des fairen Handels beteiligen in der Welt. Deshalb fordert nun auch das Europäische Parlament klare Regeln für den Fairen Handel innerhalb der Europäischen Union. In der vergangenen Woche verabschiedete das Parlament in Straßburg mit großer Mehrheit einen entsprechenden Antrag des grünen Europa-Abgeordneten Frithjof Schmidt:

    "Der Verbraucher muss jetzt auch Fair Trade erhalten, wenn Fair Trade draufsteht. Es geht darum, jetzt auch im Rahmen Europäischer Gesetzgebung festzulegen: Welche Produkte verdienen den Namen Fair Trade? Welche Kriterien müssen sie erfüllen? Und es geht auch darum, Verbraucherinformationen transparent zu machen."

    In seinem Bericht führt Schmidt ganz klare Kriterien auf. Zum Beispiel muss die Bezahlung der Arbeiter korrekt sein. Niemand darf bei der Herstellung des Produkts ausgebeutet werden. Aber nicht alle waren von diesen klaren Vorgaben begeistert, sagt der Abgeordnete:

    "Es gab Versuche, durch klassisches Lobbying – durch Änderungsvorschläge an andere Abgeordnete – den Bericht zu verwässern, die Kriterien weicher zu machen, damit eben große Konzerne leichter in diesem Markt agieren können."

    Genau das will das EU-Parlament aber verhindern. Und die Forderungen der Abgeordneten gehen noch weiter. Zum Beispiel sollen in öffentlichen Ausschreibungen fair gehandelte Produkte bevorzugt und der faire Handel soll international gestärkt werden. Frithjof Schmidt:

    "Wir haben im Rahmen der konventionellen Welthandelsverhandlungen innerhalb der WTO das Programm Aid for Trade – Hilfe für Handel. Und wir fordern, dass es darin einen Sektor Aid for Fair Trade geben soll. Ich habe vorgeschlagen, dass das etwa zehn Prozent der Gesamtsumme betragen soll."

    Die Kunden im Brüsseler Oxfam-Laden freuen sich über die Initiative des Europäischen Parlaments. Denn bisher, sagt diese Kundin, sei es gar nicht so einfach, fair gehandelte Produkte zu finden.

    "Ich komme regelmäßig hierher. Ich schaue, ob es etwas Neues gibt oder kaufe mir etwas zu trinken oder zu essen. Aber es gibt nicht genügend Geschäfte. In den Niederlanden finde ich zum Beispiel kaum welche. "

    Für Anja Osterhaus ist deshalb das langfristige Ziel, dass alle Produkte fair gehandelt werden. Der Bericht des Europäischen Parlaments könnte auf dem Weg dorthin ein kleiner Schritt sein. Jetzt hängt allerdings alles davon ab, ob die Europäische Kommission die Vorschläge des Parlaments aufnimmt. Handelskommissar Peter Mandelson hat bereits Unterstützung zugesagt. Ihm bleibt auch kaum etwas anderes übrig: Denn als er sich vor gut zwei Jahren im Europäischen Parlament als neuer Kommissar vorgestellt hat, aß er demonstrativ Schokoriegel – aus fairem Handel.