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EU prüft Strafzölle gegen Klimasünder

Klimawandel. Die USA weigern sich beharrlich, dass Kyoto-Protokoll zu unterzeichnen und sich damit im weltweiten Kampf gegen den Klimawandel zu einer Reduzierung des CO2-Ausstoßes zu verpflichten. Nachdem alles Reden nichts genutzt hat, erwägt die Europäische Union, die Vereinigten Staaten mit Handelsbeschränkungen unter Druck zu setzen.

Von Volker Mrasek | 16.11.2006
    Die Pressekonferenz der Europäischen Union gestern am späten Abend in Nairobi war eigentlich schon vorbei. Und wirklich Interessantes hatte sie nicht gebracht. Da ergriff die EU-Parlamentarierin Avril Doyle noch kurz das Wort, um auf etwas aufmerksam zu machen, was "wirklich interessant" sei, wie sie sagte. Die irische Europaabgeordnete verwies auf Überlegungen in der EU-Kommission, die bisher nicht bekannt waren:

    "Es wird eingehend geprüft werden, ob die EU nicht Einfuhrzölle auf Waren aus Staaten erheben kann, die sich dem Klimaschutz verweigern, also eine spezifische CO2-Steuer für Länder, die das Kyoto-Protokoll nicht unterzeichnet haben."

    Mit dieser Idee befasst sich laut Doyle eine neue Sachverständigengruppe. Die EU-Kommission hat sie erst vor einem Dreivierteljahr eingerichtet. In dem hochrangigen Expertengremium sitzen Vertreter von Industrie, Energiewirtschaft und Fachbehörden sowie Wissenschaftler und Umweltverbände, aber auch Kommissionsvizepräsident Günter Verheugen und der deutsche Wirtschaftsminister Michael Glos. Die Sachverständigen sollen Konzepte für eine nachhaltige europäische Energiepolitik entwickeln, dabei aber die Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Industrie im Auge behalten.

    EU-Umweltkommissar Stavros Dimas bestätigte jetzt in Nairobi, dass sich der Expertenrat mit Strafzöllen für Klimasünder beschäftigt:

    "Es wird eine Studie der Sachverständigengruppe geben, um das Für und Wider solcher Kohlenstoff-Einfuhrzölle in der EU abzuwägen. Uns geht es darum zu sehen, ob durch sie Wettbewerbsverzerrungen im Kampf gegen den Klimawandel ausgeglichen werden können."

    Auf wen mögliche CO2-Strafzölle gemünzt sind, ist klar: vor allem auf die USA, die Nation mit dem höchsten Treibhausgas-Ausstoß von allen. Die Regierung in Washington verweigert sich bisher allen konkreten Klimaschutzbemühungen. Gerade erst hat die US-Delegation in Nairobi noch einmal deutlich gemacht, dass ihr Land das Kyoto-Protokoll auch in nächster Zeit nicht unterzeichnen wolle. Deswegen muss die Industrie in den USA auch keine Mehrkosten durch den Emissionshandel fürchten. Auf die Kyoto-Vertragsstaaten dagegen kommen sie zu.

    Treffen würden die Strafzölle in der EU auch den großen Kohleproduzenten Australien sowie Kasachstan und Kroatien. Neben den USA sind das die einzigen Länder, die das Kyoto-Protokoll nicht ratifiziert haben, wobei Kasachstans Vertreter in Nairobi kundtun, dass dies bald geschehen werde. Damit schrumpft der Klub der Kyoto-Verweigerer weiter zusammen, auf nur noch drei Mitglieder.

    Doch wie auch EU-Kommissar Dimas weiß, macht eine Klimaschutzpolitik ohne die USA kaum Sinn. Deswegen sind nun schärfere Maßnahmen in Brüssel offenbar kein Tabu mehr:

    "Wir versuchen auch weiterhin, vor allem Überzeugungsarbeit zu leisten. Aber wir kämpfen auch an anderen Fronten, um die besten Ergebnisse im Kampf gegen den Klimawandel zu erzielen. "

    Es gibt durchaus Bewegung beim Klimaschutz in den USA. Zwar nicht im Weißen Haus, aber in verschiedenen Bundesstaaten und Großstädten. Auch diese Entwicklung könne unter Umständen für den Kyoto-Prozess genutzt werden, erklärte die Europa-Abgeordnete Avril Doyle in Nairobi:

    "Es gibt inzwischen rege Diskussionen darüber, ob nicht einzelne US-Bundesstaaten das Kyoto-Protokoll unterzeichnen könnten. Am Anfang dachten wir alle, das sei rechtlich nicht möglich. Aber inzwischen ist gar nicht mehr sicher, ob es nicht doch zu bilateralen Vereinbarungen mit einzelnen Bundesstaaten in den USA kommen könnte."

    Ob solche Abkommen wirklich denkbar sind, blieb zunächst offen. Doch allein der Vorschlag zeugt davon, dass viele Vertragsstaaten inzwischen zu einer raueren Gangart gegenüber Washington neigen.