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Migration
EU-Staaten einigen sich auf Verschärfung der Asylverfahren

Jahrelang haben die EU-Staaten um eine weitreichende Reform des gemeinsamen Asylsystems gerungen. Auf einem Treffen der EU-Innenminister in Luxemburg wurde nun ein Durchbruch vermeldet. Einstimmigkeit ließ sich allerdings nicht herstellen.

    Flüchtlinge und Einwanderer aus dem Flüchtlingslager Moria in Griechenland
    EU will Asylverfahren deutlich verschärfen (Archivbild) (imago images / ANE Edition / Tatiana Bolari via www.imago-images.de)
    So soll das Asylverfahren in der Europäischen Union deutlich verschärft werden - mit dem Ziel, illegale Migration einzudämmen. In Luxemburg stimmte am Abend eine ausreichend große Mehrheit an Mitgliedstaaten für umfassende Reformpläne, wie die schwedische Regierung mitteilte, die derzeit den Vorsitz im Europäischen Rat innehat.

    Haftähnliche Bedingungen

    Die Pläne sehen insbesondere einen deutlich restriktiveren Umgang mit Migranten ohne Bleibeperspektive vor. Künftig sollen Menschen aus sogenannten sicheren Herfunktsländern nach dem Grenzübertritt unter haftähnlichen Bedingungen in streng kontrollierte Aufnahmeeinrichtungen kommen. Dort soll dann im Normalfall innerhalb von zwölf Wochen geprüft werden, ob Chancen auf Asyl bestehen. Wenn nicht, sollen die Menschen umgehend zurückgeschickt werden.
    Dies hatten insbesondere Italien, Griechenland und Bulgarien gefordert, die in erster Linie von illegaler Migration betroffen sind. Aber auch Österreich, Ungarn und Polen hatten sich dafür ausgesprochen.

    Kritik von Migrationsforscher Kasparek: "Auch in einer Demokratie gibt es rote Linien"

    Der Migrationsforscher Bernd Kasparek kritisierte die Einigung. Es sei beunruhigend, dass sich die deutsche Innenministerin Faeser im Grunde mit gar keinem Punkt habe durchsetzen können, sagte er im Deutschlandfunk. Das zeige, wie weit rechts sich der Konsens in der EU im Moment befinde. Auch in einer Demokratie gebe es ein paar rote Linien, die man nicht überschreiten sollte.
    Als Beispiel nannte Kasparek die Geltung der Menschenrechte und den internationalen Flüchtlingsschutz. Die Lehre aus dem Zweiten Weltkrieg sei ja gewesen, dass Menschen nicht mehr vom Asylsystem abgeschottet würden. Jeder sollte das Recht haben, ein Asylbegehren vorbringen und prüfen lassen zu können. Das, was nun an den Grenzen geschehen solle, sei aber kein Asylverfahren mehr, führte der Forscher aus. Die Menschen könnten ihre Fluchtgründe nicht mehr vorbringen und inhaltlich prüfen lassen. Es werde nur noch aufgrund einer groben Kategorisierung geschaut, ob Personen Zugang zum Asylverfahren bekommen sollten.

    Deutsche Kompromissbereitschaft

    Die Bundesregierung hatte sich in den Verhandlungen nachdrücklich dafür eingesetzt, dass Familien mit Kindern von den sogenannten Grenzverfahren ausgenommen werden. Um den Durchbruch zu ermöglichen, musste sie allerdings letztlich akzeptieren, dass dies doch möglich sein könnte.
    Bundesinnenministerin Faeser sagte bei dem Treffen, dass sich die Bundesregierung weiter dafür einsetzen werde, dass alle Kinderrechte gewahrt blieben. Auf Twitter sprach die SPD-Politikerin von einem "historischen Erfolg - für die Europäische Union, für eine neue, solidarische Migrationspolitik und für den Schutz von Menschenrechten". Die schwedische Ressortchefin Stenergard erklärte, es habe eine "große Zustimmung" für die Vorlage gegeben.

    Grüne in der Bewertung uneins

    Bei Bündnis'90/Die Grünen löste die Einigung der EU-Staaten auf eine Verschärfung der Asylverfahren unterschiedliche Reaktionen aus. Außenministerin Baerbock verteidigte den Kompromiss - auch wenn dieser "kein einfacher" sei, sagte sie. Ähnlich äußerte sich Vize-Kanzler Habeck.
    Die Vorsitzende der Partei, Lang, meinte indes, Deutschland hätte den Reformplänen nicht zustimmen dürfen. Auch der Sprecher der deutschen Grünen im Europaparlament, Andresen, führte aus, die Einigung habe einen zu hohen Preis. Die Mitgliedsstaaten hätten ihren moralischen Kompass verloren. Die Vizepräsidentin des Berliner Abgeordnetenhauses, Haghanipour, beklagte, es fühle sich an, als hätten die Rechten in Europa gewonnen.
    Anfang der Woche hatten sich bereits hunderte Parteimitglieder in einem Brief gegen den nun vereinbarten Asylkurs ausgesprochen.

    Mehr Solidarität zwischen den EU-Staaten

    Neben den verschärften Asylverfahren sieht die Einigung auch mehr Solidarität mit den stark belasteten Mitgliedstaaten an den EU-Außengrenzen vor. Sie soll künftig nicht mehr freiwillig, sondern verpflichtend sein. Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, würden zu Ausgleichszahlungen gezwungen. Länder wie Ungarn stimmten deswegen gegen den Plan.
    Von der Regelung könnten Länder wie Italien profitieren. Nach Angaben des UNO-Flüchtlingskommissariats wurden in Italien in diesem Jahr bereits mehr als 50.000 Migranten registriert, die über das Mittelmeer kamen. Die meisten von ihnen kamen aus Tunesien, Ägypten und Bangladesch und hatten damit so gut wie keine Aussichten auf eine legale Bleibeperspektive.

    Enger Zeitplan

    Die noch ausstehenden Verhandlungen mit dem Europaparlament sollen im Idealfall noch vor Ende des Jahres abgeschlossen werden. Dann könnten die Gesetze noch vor der Europawahl im Juni 2024 beschlossen werden. Sollte dies nicht gelingen, könnten veränderte politische Kräfteverhältnisse Neuverhandlungen nötig machen.

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    Diese Nachricht wurde am 09.06.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.