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EU-Subventionen unter der Lupe

Jedes Jahr bezahlen die 25 Mitgliedsstaaten Milliarden an die Europäische Union. Jedes Jahr fließt aber auch viel Geld zurück in die einzelnen Länder - zum Beispiel in Form von Agrarsubventionen oder als Unterstützung für Strukturwandel. Nur: Nicht immer kommt das Geld dort an, wo es tatsächlich gebraucht wird. Immer wieder werden Fälle bekannt von Unternehmen oder Bauern die EU-Gelder nicht für das ausgegeben haben, für das sie eigentlich bezahlt worden sind. Wer entscheidet eigentlich über die Mittelvergabe und wer kontrolliert sie? Ruth Reichstein hat sich in Brüssel auf die Suche gemacht.

    Lutz Ribbe von der Umwelt-Stiftung Euronatur ist sauer. Er bemüht sich seit Jahren um EU-Fördergelder für kleine Landwirtschaftsbetriebe, die umweltverträglich produzieren. Nicht immer hat er dabei Erfolg. Stattdessen, sagt Ribbe, würden Deutschland und Europa lieber Großbetriebe und Arbeitsplatzabbau fördern:

    "Müller hat in Sachsen, in Leppersdorf die größte Molkerei Europas aufgebaut und ist zum Freistaat Sachsen gegangen und hat gesagt: Unterstützt das mal finanziell! Ich schaffe hier 142 Arbeitsplätze. Müller bekommt jetzt also EU-Gelder mit der Begründung, sie schaffen neue Arbeitsplätze. Aber Müller hat auch erklärt, dass das Unternehmen im Gegenzug zwei andere Standorte schließt und unterm Strich mehr Arbeitsplätze abbaut. 70 Millionen für Arbeitsplatzabbau halten wir für falsch."

    Dieses Beispiel, meint Ribbe, sei nur eines von vielen. Die Firma Brandt, die Zwieback herstellt, habe ebenfalls mehrere Millionen aus EU-Geldern erhalten - zum Aufbau eines Werks in Thüringen. Gleichzeitig habe die Firma aber eine Produktionsstätte in Hagen geschlossen. Dabei seien 500 Arbeitsplätze verloren gegangen.

    Zwei Beispiele für fehlgeleitete Subventionen. Statt tatsächlich Arbeitsplätze zu schaffen, verlagern die Unternehmen einfach nur ihren Standort von einem Bundesland ins andere. Ein ähnliches Problem gibt es auch unter den EU-Staaten auf nationaler Ebene, sagt der CDU-Europa-Abgeordnete Markus Pieper. Er entscheidet im Regionalausschuss mit über die Verteilung der EU-Gelder.

    "Die Verlagerung von Unternehmen ist ein besonders Problem, weil das bisher die europäischen Regeln durchaus zulassen. Das hat es zum Beispiel in Ostdeutschland gegeben, dass französische Firmen von Frankreich in die neuen Bundesländer verlagert haben und dafür Fördergelder bekommen haben. Und das gibt es jetzt auch in hohem Maße in Osteuropa. Das ist aus unserer Sicht ein Nullsummenspiel."

    Die EU-Kommission räumt zwar ein, dass manchmal Geld nicht für den richtigen Zweck ausgegeben werde, der Sprecher des Landwirtschaftskommissars, Michael Mann, unterstreicht aber das ausgeklügelte Kontrollsystem der Behörde - zum Beispiel bei der Überprüfung von Bauern:

    "Wir haben natürlich sehr viele Kontrollen, sogar ein Sattelitensystem. Die Satteliten fliegen rund um die Erde und können sehr genau auf ein bestimmtes Stück Land zoomen, so dass wir sehen können, was da genau passiert. Die Bauern müssen schließlich ihre Felder auch tatsächlich bestellen, um von uns Geld zu bekommen. Wir können also überprüfen, ob das der Fall ist und ob die vorgegebenen Umweltstandards eingehalten werden. Sonst kriegen sie kein Geld."

    "Und", sagt der Kommissionssprecher weiter, "die eigentliche Kontrolle liegt bei den Mitgliedsstaaten". Das bestätigt auch der Politikwissenschaftler Guillaume Durand, der beim Brüsseler Think Tank "European Policy Center" arbeitet.

    "Das Grundprinzip ist folgendes: Es ist nicht die Kommission, die das Geld von Brüssel aus verteilt, sondern die Mitgliedsstaaten beauftragen Behörden damit. In einigen Ländern können das auch Regionen oder Kommunen sein. Das bedeutet: Da die EU-Kommission diese Gelder nicht verteilt, ist sie auch nicht dafür verantwortlich, wie das Geld verwendet wird, sondern die Mitgliedsstaaten. Die Kommission überprüft danach allerdings die Kontrollen, die die Mitgliedsstaaten durchgeführt haben."

    Diese Kontrollen auf nationalem und europäischem Niveau haben sogar einen ganz neuen Wirtschaftszweig geschaffen, sagt Ulrich Rössler vom Consulting-Unternehmen Schuman Associates:

    "Es hat sich ein ganz neuer Markt etabliert von Firmen, die sich spezialisiert haben, auf die Überprüfung, die Evaluierung, das Monitoring von Projekten. Das betrifft eben nicht nur, wie die Gelder konkret verwendet werden, dass zum Beispiel wirklich das gekauft wurde, was vorgesehen war, sondern es geht darum, ob die Mittel, die von der Europäischen Kommission zur Verfügung gestellt wurden, auch die gesteckten politischen Ziele erreichen. Da gibt es Firmen, die das erledigen. Und das führt natürlich auch zu mehr Transparenz."

    Dank der zahlreichen Kontrollen auf mehreren Ebenen landet zwar noch immer europäisches Geld an Stellen, wo es eigentlich nicht hin gehört, aber dafür fordert die EU-Kommission auch regelmäßig Geld von den Mitgliedsstaaten zurück. Pressesprecher Michael Mann:

    "Unsere letzte Überprüfung haben wir im Juli gemacht. Griechenland musste zum Beispiel 38 Millionen Euro zurück bezahlen, weil Prämien für Schafe und Ziegen falsch bezahlt worden sind. Ein anderes Beispiel war Frankreich. Da haben wir 17 Millionen zurück gefordert, weil einige Bauern doppelt Geld bekommen haben aus dem Fonds für ländliche Entwicklung."