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EU und Russland verhandeln Partnerschaft

Heute beginnt im russischen Charabrowsk der EU-Russland-Gipfel. Ziel ist die Festigung der angestrebten Partnerschaft. Kernpunkt ist, natürlich, auch das Erdgas. Die EU will Liefersicherheit - Russland lehnt noch ab.

Von Robert Baag |
    Weshalb der 23. EU-Russland-Gipfel am Donnerstag in Chabarowsk stattfinden soll - im fernen Osten Russlands, 8000 Kilometer östlich von Moskau und über 10.000 Kilometer von der EU-Zentrale in Brüssel entfernt, dafür hat der Gastgeber und Initiator dieser Idee, der russische Staatspräsident Dmitri Medwedew, dieser Tage einen aparten Grund genannt: "Das Allerwichtigste ist", so Medvedev am vergangenen Wochenende im offiziösen Fernsehsender "Rossija", "dass sie Russland besser erspüren können!" - Mit "sie" sind die europäischen Politiker gemeint. Die schiere Größe des Landes dürfte sie bei ihrem Zehn-Stunden-Flug über neun Zeitzonen hinweg sicher beeindrucken, angesichts der riesigen Landmasse vielleicht sogar ein wenig einschüchtern und womöglich auf diese handfeste Weise bewirken, ihrem russischen Gastgeber ganz als jener geopolitischen Kraft die Aufwartung zu machen, wie sich die Führung in Moskau selbst gerne sieht. Allen offiziellen diplomatischen Höflichkeiten im Vorfeld dieses Treffens an Russlands Grenze zu China zum Trotz: Die aktuellen Beziehungen zwischen Moskau und Brüssel als harmonisch zu bezeichnen, wäre übertrieben. Gesprächsbedarf besteht reichlich auf beiden Seiten. Moskaus Außenamtssprecher Andrej Nesterenko nennt einen der wichtigsten Tagesordnungspunkte:

    "Die Energiesicherheit für Europa und die russischen Vorschläge für eine neue Rechtsbasis im Energiebereich. Auf dem Gipfel soll der gesamte Komplex unserer beiderseitigen Beziehungen besprochen werden, weil die EU unser natürlicher strategischer Partner ist."

    Allerdings: Den sich seit Jahren hinziehenden Wunsch der Europäer, mit Russland eine so genannte "Energiecharta" abzuschließen, mit der die Liefersicherheit beispielsweise von Erdgas sowie das Recht auf wechselseitige Investitionen in den Energiemärkten verbindlich verabredet werden würde, lehnt Russland weiterhin ab. Präsident Dmitri Medwedew selbst bekräftigte diese Position vor einigen Wochen einmal mehr. Auch einen Zugang von Drittländern auf das russische Pipeline-System Richtung Westen verweigert Moskau strikt. Dies gilt dort als wirtschaftsstrategisch heikel, als nicht verhandelbar. Über die jüngst in Prag unterzeichnete "Östliche Partnerschaft" der EU mit sechs Ex-Sowjetrepubliken in nächster Nachbarschaft Russlands ist Moskau weiterhin alles andere als begeistert. Und so wird es wohl auch diesmal, in Sichtweite Chinas, beim schon lange überfälligen neuen Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen Russland und der EU, immer noch nicht so recht weitergehen.

    Präsident Medwedew hat allerdings auch noch ein anderes zentrales Gipfel-Anliegen, bei dem die europäischen Partner bislang eher zögerlich reagiert haben. Er plädiert für neue Ansätze in der Sicherheitspolitik. In den 70er-Jahren habe es die Helsinki-Abkommen über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa gegeben, als Ergebnis der KSZE. Heute - so Medwedew - sei aber ein neues Dokument nötig:

    "Das bestünde aus vielen Komponenten, unter Mitwirkung vieler Länder aus ganz Europa, der USA, Kanadas, von Strukturen wie der NATO, der EU, der GUS, der Organisation für kollektive Sicherheit: ODKB... Wenn es uns gelingt, solch eine neue Matrix zu erschaffen - das wäre, meine ich, effektiv! Auf jeden Fall ist das sicher besser, als die NATO in alle Richtungen zu schicken."