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EU-Verordnungen im Eilschritt

Brüsseler EU-Politiker haben keine Zeit für Weihnachtsmärkte, denn noch in diesem Jahr sollen wichtige Entscheidungen auf den Weg gebracht werden. So wurde am vergangenen Donnerstag etwa eine einheitliche Politik gegen unerwünschte Emails, so genannten Spam, verabschiedet. Weitere wichtige Themen wie biometrische Merkmale in Ausweisen oder die umstrittenen Softwarepatente werden die Entscheider der Europäischen Union noch in diesem Jahr beschäftigen.

Von Pia Grund-Ludwig | 11.12.2004
    In den vergangenen Tagen herrschte auf europäischer Ebene ein richtiger Jahresendspurt bei Beschlüssen zur IT-Politik. Am vergangenen Donnerstag erst segneten die EU-Ratsmitglieder für Energie und Telekommunikation eine einheitliche Politik gegen unerwünschte elektronische Post ab. In ihrem Beschluss mahnt die EU die Überprüfung der nationalen Datenschutzrichtlinien an, die der Umsetzung von Antispam-Maßnahmen bislang teilweise im Wege stehen. Um Datenschutz geht es auch bei der Pflicht zur Speicherung von Daten im Telekommunikationsverkehr. Hier will sich der Rat nun genauer anschauen, wozu diese Daten überhaupt nutzen. Bereits vergangene Woche entschied das EU-Parlament- gegen den heftigen Widerstand von Datenschützern aus Ungarn, der Slowakei und einigen deutschen Bundesländern - dass zukünftig Fingerabdrücke als biometrisches Merkmal in Pässe aufgenommen werden sollen. Der Einwand der Kritiker: die Entscheidung sei ohne vernünftige Prüfung übers Knie gebrochen worden. Am heftigsten wird derzeit aber über die Patentierbarkeit von Software gestritten. Eine Entscheidung durch den Rat der Europäischen Union sollte eigentlich noch 2004 fallen, doch gegen die im Mai verabschiedete Richtlinie regt sich Widerstand in den Beitrittsländern. Doch in der Frage der Softwarepatenten sei Klarheit dringend notwendig, so Ovum-Analyst Eric Woods, der sich mit IT-Strategien der öffentlichen Hand beschäftigt:

    Die EU muss sicherstellen, dass sie an diesem Punkt eine konsistente Politik vertritt. Es gibt in anderen Teilen einen starken Drang hin zu Open-Source-Software und ich denke, man muss sicherstellen, dass die unterschiedlichen Politikansätze in sich stimmig sind, dass die Patentpolitik den Drang zu Innovationen und hin zu einem breiteren Einsatz von Open-Source-Software nicht konterkariert.

    Nicht nur Open-Source, sondern Programme aller Art sehen Gegner der Softwarepatente wie Christian Cornelsen vom Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur bedroht. Er begrüßt die Verschiebung der Entscheidung, auf die sich der Rat diese Woche verständigt hat. Eine der Kernfragen, die nach Ansicht seines Verbandes erst noch geklärt werden muss, ist die nach dem "technische Beitrag" eines Computerprogramms, die Grundlage für Patente ist. Patentiert werden könne nach der bisherigen Richtlinie, so Cornelsen, bereits der allgemeine Verfahrensablauf. Das können so allgemeine Dinge sein wie etwa das Einkaufen über eine Webseite. Er würde eine Neuauflage der Diskussion begrüßen, wie sie in einem Anfang Dezember veröffentlichten Antrag aller im Bundestag vertretenen Fraktionen angemahnt wird, sagt Cornelsen:

    Sicherlich liegt darin eine neue Chance, denn die Parlamentarier stützen damit ja die Position des europäischen Parlaments, dessen Position ja bisher vom Ministerrat im wesentlichen ignoriert wurde. Alles, was die Patentierbarkeit hätte begrenzen können, wurde vom Ministerrat nicht übernommen als Änderung in den Gesetzesentwurf.

    Der Forderung nach einer Präzisierung der Bereiche, die geschützt werden sollen, schließen sich mittlerweile einige Länder an, die in diesem Jahr neu zur EU gestoßen sind. Dort ist die Furcht groß, dass die junge heimische Softwareindustrie durch die bislang angedachte Form von Patenten in Bedrängnis kommen könnte. Politiker wie der polnische stellvertretende Minister für Wissenschaft und Informatik, Wlodzimierz Marcinski, fordern deshalb eine gründliche Neuauflage der Debatte. Auch in Slowenien wird darüber nachgedacht. Spanien, das sich im Mai enthalten hat, will ebenfalls neu diskutieren. Wenig erstaunt vom heftigen Aufflammen der Debatten um IT-Strategien ist Ovum-Experte Eric Woods. Er rechnet damit, dass die heftigen Turbulenzen gerade bei Fragen der Technologiepolitik nach der Osterweiterung eher zu- als abnehmen:

    Die EU hat sich in den vergangenen Jahrzehnten vor allem mit Fragen der Agrar- und Landwirtschaftspolitik auseinandergesetzt. Die EU des Jahres 2010 wird von Diskussionen über die technologische Infrastruktur, den Datenverkehr und die dazu gehörenden Märkte bestimmt sein.