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EuGH: Durch mangelhafte Ware darf kein Schaden entstehen

Der Europäische Gerichtshof hat die Rechte von Verbrauchern gestärkt, denen durch Produktmängel zusätzliche Kosten entstanden sind. So muss ein Händler von mangelhaften Bodenfliesen auch die Entfernung der Fliesen bezahlen. Auch der Ein- und Ausbau einer montierten, defekten Spülmaschine geht zulasten des Verkäufers.

Von Johanna Herzing |
    Wer ein Gerät oder eine Ware kauft, der erwartet zurecht, dass sie nicht beschädigt oder sogar defekt ist. Sollte das doch der Fall sein, dann hat der Kunde in der Regel Anspruch auf Ersatz. Doch wie sieht es aus, wenn der Käufer seinen Neuerwerb - beispielsweise eine Maschine - aufwendig eingebaut hat und ihm also weitere Kosten entstanden sind? Muss der Verkäufer dem Kunden dann auch dieses Geld erstatten? Der Bundesgerichtshof meint: nein, keine weitere Erstattung, wenn dem Händler durch Aus- beziehungsweise Einbaukosten unverhältnismäßig hohe Kosten entstehen.

    Unklar war bisher, ob diese Auslegung in Einklang mit einer europäischen Richtlinie zum Verbraucherschutz steht. Deshalb wandte sich der Bundesgerichtshof an den Europäischen Gerichtshof. Der befand nun, dass der Verkäufer dem Kunden grundsätzlich nicht nur ein neues Gerät zur Verfügung stellen muss, sondern auch verpflichtet ist, Folgekosten wie etwa Montagekosten zu übernehmen - solange diese nicht unverhältnismäßig sind. Schließlich trifft den Käufer selbst keine Schuld. Die Zusatzkosten für die Neuinstallation wären nicht entstanden, hätte der Verkäufer ein einwandfreies Produkt geliefert.

    Den Luxemburger Richtern lag im konkreten Fall die Klage eines Deutschen gegen einen Bauhändler vor. Der Kläger hatte für rund 1380 Euro italienische Bodenfliesen gekauft. Einen Teil davon, knapp 33 Quadratmeter, ließ er in seinem Haus verlegen. Doch die Freude an der Neuanschaffung währte nur kurz: Bald darauf zeigten sich Schattierungen auf der Oberfläche der Fliesen - feine Schleifspuren, wie ein Sachverständiger feststellte, dessen Rat der enttäuschte Bauherr einholte. Der Experte befand außerdem, dass der Schaden nur durch einen kompletten Austausch der Fliesen zu beheben sei. Kostenpunkt? Rund 5800 Euro.

    Eben diese Summe forderte der geschädigte Käufer daraufhin von dem Baustoffhändler, der ihm die Ware verkauft hatte. Der sollte zusätzlich auch neue Fliesen ohne jeden Mangel liefern.

    Das Oberlandesgericht Frankfurt gab dem Kläger zum Teil recht und verurteilte den Verkäufer: Zur Lieferung von rund 45 Quadratmetern mangelfreier Fliesen; zusätzlich sollte der Baustoffhändler rund 2100 Euro plus Zinsen für den Ausbau der kaputten Fliesen zahlen.

    Der Baustoffhändler legte dagegen Berufung ein und wandte sich an den Bundesgerichtshof, der reichte die Sache an den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg weiter. Nach dessen Entscheidung geht der Fall zurück an den Bundesgerichtshof, der nun ein Urteil fällen wird.

    Ähnlich gelagert ist ein weiterer Fall, in dem der Europäische Gerichtshof ebenfalls heute geurteilt hat: Eine Frau hatte über das Internet eine neue Spülmaschine bestellt. Der Verkäufer, Medianess Electronics, lieferte; die Kundin ließ das Gerät von einem Handwerker einbauen. Doch kurz darauf stellte sich heraus, dass die Maschine defekt war. Die Käuferin verlangte nun von dem Händler, das Gerät auszubauen und durch ein neues zu ersetzen. Medianess Electronics lehnte das aber ab. Daraufhin kündigte die betroffene Kundin den Kaufvertrag auf und forderte ihr Geld zurück. Ein solcher Rücktritt vom Kaufvertrag wird vom deutschen Recht allerdings nur dann anerkannt, wenn darüber hinaus keine weiteren Forderungen - wie in diesem Fall der Ausbau des Geräts - gestellt wurden.

    Im Spülmaschinenfall wie bei den schadhaften Fliesen war unklar, ob der Kunde einen grundsätzlichen Anspruch hat, der über den Ersatz des defekten Produkts hinausgeht - also ob die Kundin berechtigterweise von Medianess Electronics gefordert hatte, die entstehenden Installationskosten für die Spülmaschine zu übernehmen. Auch für diesen Fall gilt die Auslegung des Europäischen Gerichtshofs, wonach ein Kunde für ein defektes Gerät vom Verkäufer nicht nur Ersatz fordern kann, sondern auch die Übernahme der Folgekosten, vorausgesetzt diese fallen nicht unverhältnismäßig hoch aus.