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EuGH setzt neue Akzente

In der kommenden Woche beraten die Chefs der Staatskanzleien über die Neuregelung des Glücksspiel-Staatsvertrages. Mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes am 8. September ist eine neue Situation entstanden.

Von Heinz Peter Kreuzer | 12.09.2010
    Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes in Sachen Sportwetten hat einen neuen Aspekt hervorgebracht. In seinen früheren Entscheidungen hatte der EuGH die einzelnen Arten des Glücksspiels separat bewertet, jetzt hat der Gerichtshof alle Arten des Glücksspiels miteinander verglichen und kam zu dem Schluss: Wenn Deutschland Automatenspiele mit einem hohen Suchtpotential sehr liberal behandelt, dagegen die weniger gefährdenden Sportwetten restriktiv behandelt, ist das Wett-Monopol nicht mehr aufrechtzuerhalten. Der Rechtsanwalt Manfred Hecker, er vertritt die Interessen des Deutschen Lotto- und Totoblocks, erläutert:

    "Dass die Regelung bestimmter Glücksspiele auf einmal auch Auswirkungen auf die Rechtfertigung anderer Glücksspiele hat, das ist neu. Und nunmehr muss sich die Politik Gedanken machen, wie sie die Automatenspiele soweit zurückfährt von ihrem Anreiz- und Gefährdungspotential, das sie nicht mehr das Monopol für Sportwetten und Lotterien gefährden können."

    Das Problem: Spiel-Automaten fallen unter die Zuständigkeit des Bundes, Lotto und Sportwetten sind bei den Ländern angesiedelt. Deswegen hält Hans Jörn Arp, Landtagsabgeordneter in Schleswig-Holstein und Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses, die von Hecker favorisierte Lösung für kaum möglich:

    "Der Weg wird sein: Entweder man macht eine Kohärenz, das heißt Verstaatlichung der Spielhallen. Oder, wie dieses Urteil es sagt, man liberalisiert. Und dann ist die Aufgabe der Chefs der Staatskanzleien, gemeinsam einen Weg zu finden, das Veranstaltungs-Monopol bei Lotto zu lassen. Und den Rest vernünftig, schnell, geordnet aufzubauen."

    Sein Widerpart Hecker ist dagegen überzeugt, mit dem Sportwetten-Monopol würde auch das Lotterie-Monopol fallen. Schließlich sei Lotto weniger suchtgefährdend als Sportwetten. Man könne Lotto nicht restriktiven Regeln unterwerfen und die gefährlichen Wetten liberalisieren:

    "Das heißt, wenn man Sportwetten in einem privaten System regeln kann, dann gibt es keinen Grund dafür anzunehmen, das man das bei Lotterien nicht könnte. Und vor diesem Hintergrund dürfte verfassungsrechtlich ein Lotterie-Monopol nicht mehr zu halten sein. wenn sich der Staat entschließt, Sportwetten in einem liberalisierten Markt durchzuführen."

    Die Befürworter des Sportwettenmarktes sehen das ganz anders. Hans-Jörn Arp kann die Argumente vom Fall des Lotto-Monopols, die Lotto-Gesellschaften und Landessportbünde regelmäßig anführen, nicht mehr hören:

    "Diese Drohung höre ich jetzt seit fünf Jahren. In Italien, in Österreich, in England, in Frankreich und demnächst auch in Dänemark hat man genau ein duales System geschaffen und die sind auch durch Notifizierung der EU gegangen. Die auf der einen Seite ein staatliches Veranstaltungs-Monopol für Lotto lässt, auf der anderen Seite den Vertrieb liberalisiert, Internet zulässt, Sammelgemeinschaften zulässt, Werbung zulässt, und auf der anderen Seite einen Sportwetten-Markt lässt, der sich außer auf Oddset auch auf andere Anbieter konzentriert, über ein lizenziertes System."

    Auch Peter Reinhardt, Zentraleuropa-Geschäftsführer des privaten Wett-Anbieters "betfair", sieht diese These durch Beispiele in Europa widerlegt:

    "Es gibt gute Gründe, Lottomonopole aufrechtzuerhalten, die gibt es in ganz Europa. Das sind die hohen Jackpots, das sind Manipulationsgefahren, und andere, es gibt gute Gründe. Es gibt kein Land in Europa, in dem es kein Lottomonopol gibt, aber es gibt nur wenige Länder, in denen Sportwetten-Monopole gibt."

    Die Befürworter der Liberalisisierung glauben, in einem offenen Markt auch besser gegen Wettmanipulationen vorgehen zu können. Unterstützung erhalten sie dabei von Transparency International. Sylvia Schenk, Vorstandsmitglied der deutschen Sektion der Anti-Korruptions-Organisation:

    "Also wir sehen das große Problem darin, dass in den vergangenen drei Jahren unter der Fortsetzung des Wettmonopols der Schwarzmarkt in Deutschland gewachsen ist. Einfach, weil die Sportwetten im Internet bis auf Oddset von den Lottogesellschaften verboten sind, viele Spieler deshalb ausgewichen sind auf internationale Anbieter, dieses war nicht kontrollierbar, insofern sind damit auch die Gefahren gewachsen, dass es eben mehr Spielmanipulationen gibt, um bei den Wetten Geld zu machen."

    Nach dem Urteil muss es eine Neufassung des Glücksspiel-Staatsvertrages geben. Wie der dann aussieht, dafür wird es nach dem Treffen der Chef der Staatskanzleien in der kommenden Woche erste Fingerzeige geben. Außerdem wird es am 22. September in Kiel eine Anhörung geben, bei der Schleswig-Holstein seinen Gesetzentwurf für die Liberalisierung der Sportwetten aber auch für den Vertrieb des Lottos mit den Ländern diskutieren will. Außerdem werden Vertreter der Spiel- und Wettindustrie und Suchtexperten beteiligt sein. Arp ist überzeugt, bei dieser Veranstaltung viele politische Entscheidungsträger auf seine Seite ziehen zu können:

    "Am Abend wird es eine Kieler Erklärung geben, in dem ich Ihnen sagen werde, dass Vertreter vieler Bundesländer der Kieler Erklärung beitreten werden, die sagen werden: Auf der einen Seite Liberalisierung des Lottobereichs, des Vertriebs, eine Konzessionierung des Sportwettenbereiches und keine Übernahme der Automatenwirtschaft."