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Eukalyptus auf Madagaskar

"Eukalyptus" ist ein Reizwort für viele Ökologen. Die Artenvielfalt in einem Eukalyptus-Wald geht nämlich gegen Null. Trotzdem pflanzt die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit, kurz GTZ, auf Madagaskar diese Baumart an. Und das natürlich weder aus Bosheit, noch aus Unwissenheit. Die GTZ versucht auf diesem Weg eine einzigartige Naturlandschaft zu erhalten. Jedes Jahr geht auf der Insel im Indischen Ozean eine Waldfläche, fast so groß wie das Saarland, in Flammen auf. Wenn diese Zerstörung so weitergeht, dann - so die Experten - steht in 30 Jahren auf Madagaskar kein einziger Baum mehr. Und genau diese Entwicklung soll mit Hilfe des Eukalyptus gestoppt werden.

Von Claudia Ruby |
    Nebel hängt in der Luft, auf den Urwaldriesen wachsen Orchideen und Flechten. Die Montagne d`Ambre ist der beliebteste Nationalpark Madagaskars. Über 1.000 verschiedene Baumarten gibt es hier. Viele der Tiere und Pflanzen leben an keinem anderen Fleck der Erde. Über 30 Flüsse entspringen in dem Bergregenwald. Sie liefern das Trinkwasser für die gesamte Region. Doch immer mehr Quellen versiegen, denn die Bevölkerung gräbt sich selbst das Wasser ab. Der Wald geht in Flammen auf, jedes Jahr wird die Montagne d`Ambre um 1.000 Hektar kleiner, sagt Tom Erdmann vom World Wide Fund for Nature WWF.

    Tom Erdmann: Die Bauern sehen den Wald vor allem als Reservoir für fruchtbare Böden. Sie roden, pflanzen und ernten. Aber es geht nur zwei oder drei Jahre gut. Danach lässt die Erosion nur eine unfruchtbare Wüste zurück. Das ist die größte Bedrohung für den Wald.

    Appelle nutzen da wenig: Wer Hunger hat, denkt nicht an Naturschutz. Die Menschen brauchen Holzkohle vor allem zum Kochen. Allein die Provinzhauptstadt Antsiranana verbraucht 10.000 Tonnen pro Jahr. Ein Großteil stammt aus Naturwäldern. Doch in letzter Zeit muss die Bevölkerung immer weiter laufen, um Holz zu finden. Die Region verwandelt sich in eine Grassteppe. Nutzloses Brachland, das keinem gehört. Und genau das ist das Problem, sagt Richard Knodt von der deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit GTZ. Keiner fühlt sich verantwortlich. Früher gab es staatliche Aufforstungs-projekte. Doch sie scheiterten an den unklaren Besitzverhältnissen.

    Richard Knodt: Das ist sozusagen die größte Aktion, weil die Bauern ja ein sehr misstrauisches Volk sind, und sozusagen in der Vergangenheit zu der Erkenntnis gekommen, dass es keinen Sinn macht, aufzuforsten, weil man es ihnen immer wegnimmt das Produkt. Man hat sie dazu gezwungen, für den Staat aufzuforsten, und der Staat bringt später dann Konzessionäre in die Wälder. Der Bauer ist dann weder für seine Arbeit bezahlt worden, noch später am Produkt beteiligt.

    Das Forstprojekt GreenMad zeigt, dass es auch anders geht. In Eigenregie pflanzen 20 Dörfer mit Hilfe der gtz Eukalyptus - jedes Jahr 200 bis 300 Hektar. Über die Erträge können die Dörfler später frei verfügen. Ökologisch sind die Eukalyptus-Plantagen wertlos, das weiß auch die GTZ. Doch der schnell wachsende Exot bietet auch Vorteile, und deshalb hat sich die Bevölkerung für ihn entschieden.

    Richard Knodt: Die Bauern wissen, dass Eukalyptus pflegeleicht ist. Er wächst überall, er ist windunabhängig, vor allem fressen die Tiere ihn kaum ab, weniger als anderes. Selbst wenn mal ein Feuer wirklich drüber gehen sollte, ist er nicht gleich tot. Er schlägt wieder aus, wenn man ihn mal abgeschlagen hat. Er wächst schnell, wächst schneller sozusagen als das Gras, was ihn sonst überwuchern würde. Diese Vorteile sind bekannt.

    Bereits nach fünf Jahren können die Dorfbewohner das erste Holz ernten, und das nimmt Druck vom Naturwald. So nutzen die Eukalyptus-Plantagen dem Naturschutz und den Menschen, sagt der madagassische gtz-Mitarbeiter Christian Andriamanantseheno. In der Vergangenheit seien viele Projekte fehlgeschlagen, weil sich die ausländischen Experten nicht um die eigentlichen Anliegen der Bevölkerung gekümmert haben.

    Christian Andriamanantseheno: Um ein Problem zu lösen, muss man auch alle anderen mit berücksichtigen. Der sektorielle Ansatz war nicht erfolgreich. Wenn die Bevölkerung uns sagt, dass Landwirtschaft und Reisertrag am wichtigsten sind, und wir beharren immer nur auf dem Schutz des Waldes, dann sagen sie irgendwann: Gut, geht in euren Wald, wir kümmern uns um unsere Sachen.

    Bisher hat es in den aufgeforsteten Gebieten nicht gebrannt. Ein gutes Zeichen, doch die Zeit wird knapp: Den kompletten Holzbedarf von Antsiranana kann der Eukalyptuswald frühestens in 10 Jahren decken. So lange schrumpft die Montagne d´Ambre weiter.