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Euphorie verflogen

Schon 2008 eröffnete der Stromerzeuger Vattenfall in Brandenburg das erste deutsche CCS-Kraftwerk: ein Kohlekraftwerk, bei dem das ausgestoßene CO2 unterirdisch gelagert wird. Nutzen darf der Stromerzeuger die CCS-Technik aber noch nicht, denn das entsprechende Gesetz fehlt noch. Inzwischen regt sich Widerstand gegen die vermeintlich umweltfreundliche Technologie.

Von Claudia van Laak | 14.05.2010
    Den 9. September 2008 erklärte Vattenfall gemeinsam mit Brandenburgs Landesregierung zu einem historischen Datum. An diesem Tag ging das erste CCS-Pilotkraftwerk ans Netz. Es verbrennt Braunkohle, scheidet das dabei entstehende Kohlendioxid aus dem Rauchgas ab und verflüssigt es.

    "Heute erleben wir eine Weltpremiere. Das bringt ganz Deutschland weiter. Hier wird heute Geschichte geschrieben."

    Die Euphorie ist mittlerweile verflogen. Zwar arbeitet das Pilotkraftwerk, wie erwartet, doch klimafreundlich ist es nicht. Das bei der Verbrennung entstehende CO2 wird in die Atmosphäre gepustet. Der Grund: Das Land Sachsen-Anhalt erteilt keine Genehmigung für die geplante unterirdische Verpressung des CO2 in der Altmark - noch fehlt das entsprechende CCS-Gesetz auf Bundesebene. Doch das lässt auf sich warten. Vattenfall wird langsam ungeduldig. Der Generalbevollmächtigte Rainer Knauber:

    "Wir beobachten natürlich, was passiert in den anderen Ländern. Wir haben zur Kenntnis genommen, dass in Großbritannien ein Gesetz in diesen Tagen fertig wird. Wir sehen, dass in Frankreich ähnliche Projekte ablaufen. Noch haben wir für diesen Bereich die Technologieführerschaft. Wir versuchen, am Ball zu bleiben. Aber jetzt ist zunächst die Politik gefordert."

    Doch das Bundesumweltministerium hat es nicht eilig - nach der Debatte um die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken dürfte Umweltminister Röttgen wenig Interesse an einer öffentlichen Diskussion über die Sicherheit von unterirdischen CO2-Speichern haben - zumal sich in den betroffenen Regionen bereits Widerstand regt. Der erste Abgeordnete der Regierungskoalition hat bereits angekündigt, dem CCS-Gesetz seine Zustimmung zu verweigern. Hans-Georg von der Marwitz, CDU-Abgeordneter aus Brandenburg:

    "Für mich ist dieses Gesetz nicht zustimmungsfähig. Grundsätzlich nicht, weil keiner, kein Wissenschaftler, kein Konzern, auch nicht die Politik eine Garantie für die Sicherheit dieser Technologie geben kann."

    Von der Marwitz vertritt den Wahlkreis Märkisch-Oderland. Dort will Vattenfall das Klimagas CO2 verpressen. Mit Freude hat der CDU-Bundestagsabgeordnete die Äußerung seines Parteifreunds und EU-Energiekommissars Günther Oettinger vernommen. Die Chancen für CCS in Deutschland seien gering, sagte Oettinger vor Kurzem. "Je größer unser Widerstand umso geringer", ist von der Marwitz überzeugt.

    "Das regionale Image wird enorm leiden, wenn wir als Deponie-, als Abfallregion gesehen werden. Und es ist und bleibt letztlich ein Abfallprodukt."

    Um den betroffenen norddeutschen Regionen die unterirdischen CO2-Lager schmackhaft zu machen, könnte das noch zu verabschiedende CCS-Gesetz die Betreiber der Lager verpflichten, eine Abgabe zu zahlen. Im Gespräch ist ein Euro pro verpresster Tonne Kohlendioxid. Vattenfall hat sich bereiterklärt, eine entsprechende Abgabe zu zahlen, ohne sich auf eine bestimmte Summe festzulegen. Der Generalbevollmächtigte Rainer Knauber nennt die Bedingungen für den Energiekonzern.

    "Das eine ist eine gewisse Marktnähe. Das heißt, eine in irgendeiner Form gestaltete Beziehung, eine Mechanik, die zwischen der Abgabe besteht und dem Marktpreis für CO2-Zertifikaten. Und das Zweite ist, wie man es schafft, dass diese Abgabe auch den Regionen zugutekommt, wo der Speicher sein wird."

    Von der Ausgestaltung des CCS-Gesetzes wird es abhängen, ob Vattenfall sein geplantes CCS-Demonstrationskraftwerk in Jänschwalde baut - eine Milliardeninvestition, die von der EU mit 180 Millionen Euro bezuschusst wird. Wir sind zuversichtlich, sagt der Energiekonzern. Weniger zuversichtlich ist Norwegen. Die dortige Regierung hat die Pläne für das bislang weltgrößte CCS-Projekt gestoppt - die Technologie sei nicht ausgereift, die Kosten hätten sich vervielfacht, heißt es zur Begründung.