Sehr geehrte Frau Merkel, Atomausstieg hin oder her, Deutschland braucht eine Lösung zur Lagerung von sogenanntem Atommüll. Wird diese Lagerstätte in Deutschland sein?
Liebe Frau Merkel, was werden Sie besser machen, als die Sozialdemokraten, wenn Sie die Wahl gewinnen?
Sehr geehrte Angie! Wann wird der Solidaritätszuschlag wieder abgeschafft und wie hoch ist die Mehrwertsteuer nach der Bundestagswahl?
So lauten drei von bislang rund 360 Fragen, die Internetnutzer auf der Seite des "teAM Deutschlands" an die Bundeskanzlerin gerichtet haben. In Kürze - so verspricht es die Webseite - wird die Kanzlerin über ein Video die dringlichsten Fragen beantworten. "TeAM Deutschland" ist nur eine von unzähligen Plattformen, auf denen derzeit im Internet der Wahlkampf ausgetragen wird.
An Aktionen wie "Deine Frage an Angela Merkel" wird deutlich, worum es im Online-Wahlkampf 2009 vor allem geht: ums Mitmachen. Die Besucher der Internetauftritte der Parteien sollen nicht nur lesen, was ihnen vorgesetzt wird, sondern aktiv mitdiskutieren, Kommentare verfassen, Fotos und Videos verlinken und vor allem weiterempfehlen. Das Schlagwort lautet: Web 2.0.
Professor Gerhard Vowe, Kommunikations- und Medienwissenschaftler an der Universität Düsseldorf:
"Es ist gelungen, den Schritt auch ins Web 2.0 zu machen. Das heißt also: Alle Parteien sind eigentlich auf allen Plattformen des Web 2.0, also bei flickr, bei facebook, bei youtube, bei twitter - überall sind sie präsent. Das sieht noch ein bisschen so aus wie Schrotschuss. Also man möchte überall möglich stark präsent sein. So eine richtige Strategie ist noch nicht erkennbar. Aber ich habe den Eindruck, hier wird gesucht und hier wird auch in den nächsten Wochen und Monaten noch einiges passieren."
Die Parteien oder vielmehr die Agenturen, die dafür bezahlt werden, ihre Auftraggeber im Internet in das richtige Licht zu rücken, überschlagen sich mit den Angeboten im Netz. Kein Wunder, die Messlatte liegt schließlich hoch. Wird doch der Wahlerfolg des amerikanischen Präsidenten Barack Obama maßgeblich auf einen gelungenen Online-Wahlkampf zurückgeführt.
Dietrich Boelter, Geschäftsführer der Internet-Agentur A&B Face2Net, die den Online-Auftritt der SPD betreut, dämpft allerdings die Erwartungen:
"Das Neue ist eigentlich diese Erwartungshaltung in Deutschland, dass das gleiche passiert wie bei Obama im Wahlkampf, dass alle in den sozialen Netzwerken unterwegs sind, und dass eine Welle ausgelöst wird von politischer Diskussion. Und das stellen wir - und ich glaube, das geht allen Parteien so - im Moment noch nicht fest. Obama hat sich seine politische Bewegung ja neu aufgebaut. Das waren begeisterte junge Menschen, die Bush weghaben wollten. Und insofern sind da sehr, sehr unterschiedliche Voraussetzungen. Und das ist, glaube ich, so ein Hauptpunkt, der bei uns immer ein bisschen zu kurz kommt, wenn man sagt: 'Ja, warum macht ihr das denn nicht so wie Obama?'"
Das Mediensystem, die politische Kultur und damit auch der Online-Wahlkampf in Amerika und in Deutschland seien grundverschieden, meint Boelter. Während der Austausch über Politik via Internet in den USA längst zum Alltag gehöre, seien die deutschen Internetnutzer, vor allem die älteren, noch etwas verhalten.
"Da kann man auch einiges beobachten im Zusammenhang Web 2.0 und Web 1.0. Man kann feststellen, dass die älteren Zielgruppen die klassischen Internetwege - wenn man das so sagen kann - nutzen. Die gehen zum Beispiel zu spd.de, schauen sich ein paar Seiten an, laden sich vielleicht ein PDF runter und drucken dies im Zweifelsfall aus. Das ist so die Web-1.0-Schiene, die sehr stark frequentiert wird. Also da sind eigentlich die höchsten Zugriffszahlen."
Trotzdem wollen die deutschen Parteien sich im Netz keine Blöße geben, schließlich nutzen rund 70 Prozent der Deutschen über 14 Jahre das Internet. Alle potenziellen Wähler sollen angesprochen werden. Und das vor allem über die sozialen Netzwerke, also die Orte, an denen sich die "netzaffinen Jungen", die "zielstrebigen Trendsetter", wie Agentur-Chef Boelter sie bezeichnet, treffen. Beispielweise beim Studenten-Netzwerk StudiVZ. Und weil Freundschaften im Internet schon durch einen einzigen Klick geschlossen werden, duzt man den zukünftigen Wähler auch schon mal vorsorglich:
Willkommen bei StudiVZ bei meinem Profil! Ich bin Renate Künast. Hier erfahrt ihr alles von Atomausstieg über Energiepolitik bis 'Keine Studiengebühren' und mein Lieblingsthema Ökolandbau. Ich bin viel unterwegs, deswegen schaffe ich es nicht, alles persönlich zu beantworten, aber ihr kriegt eine Antwort.
Es ist ein personalisierter Wahlkampf, der auf Facebook, Youtube und all den anderen Portalen geführt wird. Der Internetnutzer soll aber nicht nur den Menschen hinter dem Parteilogo kennenlernen, er soll auch das Gefühl bekommen, mit diesem in direktem Kontakt zu stehen. Eine Strategie, an die allerdings nicht alle Nutzer glauben. Auf Angela Merkels Facebook-Seite schreibt der User Enno Krieger:
Vergesst es, hier wird gar niemand auf gar nix antworten ... außer irgendwelchen karrieregeilen Parteisoldaten vielleicht ... vor allem nicht die Kanzlerin ... DAS wäre ja Dialog statt üblichem Monolog! Mit dem Volk! Wer will das? Lieber betonen "alles wird gut"---da fallen immer noch genug drauf rein, um die Macht zu erneuern! Endlich "durchregieren"!
Abgesehen von der Piratenpartei, die ja selbst Kind des Internets ist, sind die deutschen Parteien tatsächlich noch etwas ungeübt im Umgang mit dem neuen Mitmach-Internet. Nach Meinung des Medienwissenschaftlers Gerhard Vowe führt an mehr Dialog aber kein Weg vorbei:
"Die Parteien müssen die Risiken der Interaktivität eingehen, wenn sie die Chancen wahrnehmen wollen. Wenn sie die Bürger, die Wählerschaft mit einbeziehen wollen in ihre Kommunikation, müssen sie auch die Risiken eingehen, dass sie dieses nicht alles kontrollieren können, was da passiert in dieser Kommunikation."
Und das gilt nicht nur für Wahlkampfzeiten. Auch insgesamt wirken sich die Onlinemedien auf die Politik aus, ist Gerhard Vowe überzeugt:
"Also wir haben Hinweise darauf, dass Politik flüchtiger wird. Also eine Welt, die stärker von Spiegel-Online geprägt ist als vom Spiegel selbst, also einem sich sekündlich ändernden Medium geprägt ist, als von einem wöchentlich erscheinenden Nachrichtenmagazin. Dass diese Politik eine etwas andere ist. Es gibt also Anzeichen dafür, dass Themen schneller wechseln und Entscheidungen schneller getroffen beziehungsweise revidiert werden müssen."
Vielleicht zählt demnächst dann auch nicht mehr die Telegenität eines Politikers, sondern die Größe seiner Gefolgschaft auf Twitter, Facebook und Co.
Liebe Frau Merkel, was werden Sie besser machen, als die Sozialdemokraten, wenn Sie die Wahl gewinnen?
Sehr geehrte Angie! Wann wird der Solidaritätszuschlag wieder abgeschafft und wie hoch ist die Mehrwertsteuer nach der Bundestagswahl?
So lauten drei von bislang rund 360 Fragen, die Internetnutzer auf der Seite des "teAM Deutschlands" an die Bundeskanzlerin gerichtet haben. In Kürze - so verspricht es die Webseite - wird die Kanzlerin über ein Video die dringlichsten Fragen beantworten. "TeAM Deutschland" ist nur eine von unzähligen Plattformen, auf denen derzeit im Internet der Wahlkampf ausgetragen wird.
An Aktionen wie "Deine Frage an Angela Merkel" wird deutlich, worum es im Online-Wahlkampf 2009 vor allem geht: ums Mitmachen. Die Besucher der Internetauftritte der Parteien sollen nicht nur lesen, was ihnen vorgesetzt wird, sondern aktiv mitdiskutieren, Kommentare verfassen, Fotos und Videos verlinken und vor allem weiterempfehlen. Das Schlagwort lautet: Web 2.0.
Professor Gerhard Vowe, Kommunikations- und Medienwissenschaftler an der Universität Düsseldorf:
"Es ist gelungen, den Schritt auch ins Web 2.0 zu machen. Das heißt also: Alle Parteien sind eigentlich auf allen Plattformen des Web 2.0, also bei flickr, bei facebook, bei youtube, bei twitter - überall sind sie präsent. Das sieht noch ein bisschen so aus wie Schrotschuss. Also man möchte überall möglich stark präsent sein. So eine richtige Strategie ist noch nicht erkennbar. Aber ich habe den Eindruck, hier wird gesucht und hier wird auch in den nächsten Wochen und Monaten noch einiges passieren."
Die Parteien oder vielmehr die Agenturen, die dafür bezahlt werden, ihre Auftraggeber im Internet in das richtige Licht zu rücken, überschlagen sich mit den Angeboten im Netz. Kein Wunder, die Messlatte liegt schließlich hoch. Wird doch der Wahlerfolg des amerikanischen Präsidenten Barack Obama maßgeblich auf einen gelungenen Online-Wahlkampf zurückgeführt.
Dietrich Boelter, Geschäftsführer der Internet-Agentur A&B Face2Net, die den Online-Auftritt der SPD betreut, dämpft allerdings die Erwartungen:
"Das Neue ist eigentlich diese Erwartungshaltung in Deutschland, dass das gleiche passiert wie bei Obama im Wahlkampf, dass alle in den sozialen Netzwerken unterwegs sind, und dass eine Welle ausgelöst wird von politischer Diskussion. Und das stellen wir - und ich glaube, das geht allen Parteien so - im Moment noch nicht fest. Obama hat sich seine politische Bewegung ja neu aufgebaut. Das waren begeisterte junge Menschen, die Bush weghaben wollten. Und insofern sind da sehr, sehr unterschiedliche Voraussetzungen. Und das ist, glaube ich, so ein Hauptpunkt, der bei uns immer ein bisschen zu kurz kommt, wenn man sagt: 'Ja, warum macht ihr das denn nicht so wie Obama?'"
Das Mediensystem, die politische Kultur und damit auch der Online-Wahlkampf in Amerika und in Deutschland seien grundverschieden, meint Boelter. Während der Austausch über Politik via Internet in den USA längst zum Alltag gehöre, seien die deutschen Internetnutzer, vor allem die älteren, noch etwas verhalten.
"Da kann man auch einiges beobachten im Zusammenhang Web 2.0 und Web 1.0. Man kann feststellen, dass die älteren Zielgruppen die klassischen Internetwege - wenn man das so sagen kann - nutzen. Die gehen zum Beispiel zu spd.de, schauen sich ein paar Seiten an, laden sich vielleicht ein PDF runter und drucken dies im Zweifelsfall aus. Das ist so die Web-1.0-Schiene, die sehr stark frequentiert wird. Also da sind eigentlich die höchsten Zugriffszahlen."
Trotzdem wollen die deutschen Parteien sich im Netz keine Blöße geben, schließlich nutzen rund 70 Prozent der Deutschen über 14 Jahre das Internet. Alle potenziellen Wähler sollen angesprochen werden. Und das vor allem über die sozialen Netzwerke, also die Orte, an denen sich die "netzaffinen Jungen", die "zielstrebigen Trendsetter", wie Agentur-Chef Boelter sie bezeichnet, treffen. Beispielweise beim Studenten-Netzwerk StudiVZ. Und weil Freundschaften im Internet schon durch einen einzigen Klick geschlossen werden, duzt man den zukünftigen Wähler auch schon mal vorsorglich:
Willkommen bei StudiVZ bei meinem Profil! Ich bin Renate Künast. Hier erfahrt ihr alles von Atomausstieg über Energiepolitik bis 'Keine Studiengebühren' und mein Lieblingsthema Ökolandbau. Ich bin viel unterwegs, deswegen schaffe ich es nicht, alles persönlich zu beantworten, aber ihr kriegt eine Antwort.
Es ist ein personalisierter Wahlkampf, der auf Facebook, Youtube und all den anderen Portalen geführt wird. Der Internetnutzer soll aber nicht nur den Menschen hinter dem Parteilogo kennenlernen, er soll auch das Gefühl bekommen, mit diesem in direktem Kontakt zu stehen. Eine Strategie, an die allerdings nicht alle Nutzer glauben. Auf Angela Merkels Facebook-Seite schreibt der User Enno Krieger:
Vergesst es, hier wird gar niemand auf gar nix antworten ... außer irgendwelchen karrieregeilen Parteisoldaten vielleicht ... vor allem nicht die Kanzlerin ... DAS wäre ja Dialog statt üblichem Monolog! Mit dem Volk! Wer will das? Lieber betonen "alles wird gut"---da fallen immer noch genug drauf rein, um die Macht zu erneuern! Endlich "durchregieren"!
Abgesehen von der Piratenpartei, die ja selbst Kind des Internets ist, sind die deutschen Parteien tatsächlich noch etwas ungeübt im Umgang mit dem neuen Mitmach-Internet. Nach Meinung des Medienwissenschaftlers Gerhard Vowe führt an mehr Dialog aber kein Weg vorbei:
"Die Parteien müssen die Risiken der Interaktivität eingehen, wenn sie die Chancen wahrnehmen wollen. Wenn sie die Bürger, die Wählerschaft mit einbeziehen wollen in ihre Kommunikation, müssen sie auch die Risiken eingehen, dass sie dieses nicht alles kontrollieren können, was da passiert in dieser Kommunikation."
Und das gilt nicht nur für Wahlkampfzeiten. Auch insgesamt wirken sich die Onlinemedien auf die Politik aus, ist Gerhard Vowe überzeugt:
"Also wir haben Hinweise darauf, dass Politik flüchtiger wird. Also eine Welt, die stärker von Spiegel-Online geprägt ist als vom Spiegel selbst, also einem sich sekündlich ändernden Medium geprägt ist, als von einem wöchentlich erscheinenden Nachrichtenmagazin. Dass diese Politik eine etwas andere ist. Es gibt also Anzeichen dafür, dass Themen schneller wechseln und Entscheidungen schneller getroffen beziehungsweise revidiert werden müssen."
Vielleicht zählt demnächst dann auch nicht mehr die Telegenität eines Politikers, sondern die Größe seiner Gefolgschaft auf Twitter, Facebook und Co.