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Euro-Clearing
Derivate-Handel soll nach dem Brexit in Frankfurt stattfinden

Für Bundeskanzlerin Angela Merkel ist Frankfurt der geeignete Ort für die Abwicklung von Euro-Clearing-Geschäften. Bisher wurde der Handel mit Derivaten an der Londoner Börse abgewickelt. Nach dem Brexit sei das auf längere Sicht nicht mehr angemessen, glaubt auch der Finanzminister Olaf Scholz.

von Mischa Ehrhardt | 05.09.2018
    Bulle und Bär - die Symbole für Optimismus und Pessimismus - vor der Börse in Frankfurt am Main
    Frankfurter Börse als Zentrum des Euro-Clearings (dpa / Wolfram Steinberg)
    Über das Euro-Clearing werden Wertpapierhandelsgeschäfte in Euro abgewickelt. In Folge der großen Finanzkrise sind Finanzakteure in Europa bei bestimmten Geschäften – zum Beispiel dem Handel mit abgeleiteten Wertpapieren, so genannten Derivaten – verpflichtet, sie über Clearingstellen abzuwickeln. Die schalten sich also zwischen Käufer und Verkäufer von Wertpapieren und dienen der Sicherheit: Beide Parteien müssen sich um die Solvenz ihres jeweiligen Geschäftspartners keine Sorgen machen, denn im Zweifel springt die Zentrale Gegenpartei, das Clearing-Unternehmen, ein. Die Summen, um die es bei diesem Handel geht, sind gigantisch:
    "Wenn dort bis zu einer Billionen am Tag in Euro gehandelt wird, stellt sich ja die spannende Frage, wenn ein Land außerhalb der Europäischen Union ist, ob es nicht klüger wäre, wenn dann innerhalb der Europäischen Union auch dieser Eurohandel stattfindet", sagte Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier gestern anlässlich des Besuches der Kanzlerin in der Mainmetropole.
    Bisher wickelt London fast alle Clearing-Geschäfte ab
    Das Problem: Der überwiegende Teil – weit über 90 Prozent des Clearing-Geschäftes, wird an der Börse in London abgewickelt. Die aber wird mit dem nahenden Brexit nicht mehr der EU angehören. Deswegen macht es Sinn, sich über die Zukunft des Clearings Gedanken zu machen. Von Beginn an wurde diese Frage übrigens bei den Brexit Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien kontrovers disktiert.
    "Politisch erklären kann ich jedem, dass das Euro-Clearing in der Eurozone stattfindet und dann ist Frankfurt natürlich überhaupt der herausragende Ort", sagte Angela Merkel sehr zur Freude der anwesenden Banker und Finanzakteure in Frankfurt. Was die Bundeskanzlerin einfach politisch erklären könne ist Folgendes: Wenn das Euro-Clearing in London bleibt, sind die dortigen Aufsichten und Regulierer zuständig. Das Risiko aber liegt bei Banken und Finanzinstitutionen, die ihren Sitz zum Großteil in der künftigen EU ohne Großbritannien haben; schlussendlich bei den Staaten der EU, denn die würden im Zweifel einspringen müssen, wenn solche systemrelevanten Clearinghäuser Probleme bekommen. Deswegen halten es viele Ökonomen und Experten für unerlässlich, dass zumindest auf längere Sicht das Euro-Clearing in der künftigen EU ohne Großbritannien stattfindet, weil man hier regulieren und beaufsichtigen kann. Bundesfinanzminister Olaf Scholz:
    "Wenn jetzt ein Staat, der nicht zur Europäischen Union gehört, eine Aufgabe für die ganze EU übernehmen soll, dann ist das jedenfalls kein einfach sich vorzustellender Vorgang. Und das müssen wir bedenken, deswegen glaube ich, wird, ein großer Teil des Euro Clearings sich in einem bestimmten Zeitablauf nach Europa bewegen und ich glaube auch nach Frankfurt".
    Banken rüsten sich für einen ungeregelten Brexit
    Ein Problem für London. Denn britische Finanzlobbyisten zeichnen das Szenario, dass bis zu 100.000 Arbeitsplätze an der Themse wegfallen könnten, sollte das Euro-Clearing von Großbritannien in die künftige EU wandern. Da es bislang noch keine Anzeichen für einen vertraglich geregelten Brexit gibt, rüsten sich Banken bereits für den ungeregelten Austritt, indem sie vor allem Neugeschäfte im Clearing-Bereich nach Kontinentaleuropa verlagern. So sagte Börsenchef Theodor Weimer vor wenigen Tagen:
    "Richtig ist, dass London Ende letzten Jahres faktisch 98% vom Euro Clearing hatte und inzwischen der Wert deutlich unter 95% sinkt, der Wert sinkt jeden Tag."
    Ganz zur Freude der Deutsche-Börse-Tochter Eurex. Denn sie ist die erste Institution hierzulande und eine der wenigen in Europa, die für das Euro-Clearing in großem Maßstab in Frage kommt.