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Europa gleich Datenschutz?

Wenn man eine Ahnung vom Wesen des Geldes bekommen will, von seiner Unwirklich- und Unfassbarkeit, dann sollte man sich mit SWIFT beschäftigen. Nein, nicht mit dem irischen Satiriker gleichen Namens, wenngleich sich das Satirische hier auch aufdrängt, sondern mit der Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication, abgekürzt SWIFT.

Von Burkhard Müller-Ullrich |
    Die Abkürzung ist Programm, denn SWIFT, das englische Wort bedeutet rasch oder flink, ist als Organisation dazu da, den weltweiten Zahlungsverkehr zu beschleunigen.

    Aber was heißt überhaupt Zahlungsverkehr? Wenn man Geld ins Ausland überweist, wird ja kein Geld ins Ausland transportiert. Es wird nur eine Information geschickt, ein Zeichen. Nun ist schon das Geld nichts anderes als ein Zeichen, eine Information. Und nur, wenn das Zeichen zuverlässig, wenn das Signal sicher ist, funktioniert Geld als Geld und wird geglaubt und akzeptiert.

    SWIFT hat für diese Geldinformationen sichere Übertragungswege geschaffen. Der Geldverkehr besteht in reiner Telekommunikation: millionenfach sausen Zahlungsanweisungen um den Globus, sekundenschnell, fast simultan. Ein Server steht in den USA, ein anderer in den Niederlanden – die Doppelung dient vor allem der Sicherheit. Wenn nämlich diese Postzentrale der Weltfinanzen ernsthaft kaputt ginge, dagegen wäre der Zusammenbruch von Lehman Brothers bloß Vorabendprogramm. Ach ja, selbst die berühmte letzte Überweisung der KfW an Lehmann Brothers lief natürlich über SWIFT.

    Sicherheit bedeutet aber nicht nur, dass niemand den Stecker herauszieht, sondern dass auch kein Unbefugter an das Datennetz herankommt, sei es um mitzulesen oder gar um falsche Zahlungsbefehle hineinzuschleusen. Der amerikanische Geheimdienst hat, wie inzwischen bekannt, seit Jahren mitgelesen. Dagegen empören sich europäische Länder zutiefst, allen voran Deutschland. Der deutsche Geheimdienst hat, wie ebenfalls bekannt, in einem ganz anderen Zusammenhang gestohlene Bankdaten angekauft, um sie mitzulesen. Die Amerikaner taten es, um die Finanzierung der Terror-Organisationen aufzudecken. Die Deutschen taten es, um unversteuerte Privatvermögen zu finden. Was ist wichtiger: Steuerhinterzieher fangen oder Bombenleger?

    Im übrigen ist sich Europa wieder mal uneins: Die Spanier mit ihrer eigenen Terrorismus-Erfahrung sind, wie man hört, eher bereit, den Amerikanern den Zugang zu den SWIFT-Daten zu gestatten. Wer eine ETA im Land hat, braucht für Sicherheit nicht zu werben. Die Sicherheit der Menschen ist allerdings nicht immer gleichbedeutend mit der Sicherheit der Daten. Außerdem pflegen die Spanier sowieso einen lockereren Umgang mit Daten, zum Beispiel Kreditkartendaten. Hat man ja gerade beim größten VISA- und Mastercard-Skandal der jüngeren Geschichte gesehen.

    Um die Datensicherheit bei SWIFT weiter zu erhöhen, entsteht jetzt in der Schweiz ein zusätzliches Rechenzentrum, und zwar auf einem Acker bei dem Dorf Diessenhofen. Das liegt direkt an der deutschen Grenze, zwischen Stein am Rhein und Schaffhausen. Aber die Daten, die dort liegen werden, sind ortlos wie das Geld. Gut wäre es, wenn gar keine Regierung darauf Zugriff hätte, denn auch das gehört zum universellen Wesen des Geldes: dass man als Besitzer damit machen kann, was man will, auch ohne es jemandem zu sagen.