Für eine Nachrichtenredaktion ist es bei Delfi ausgesprochen still. Die etwa 20 Journalisten sitzen vor ihren Computern, verfolgen die Agenturen, schreiben ihre Beiträge still vor sich hin. Kein Stress, keine Aufregung. Gespräche finden, wenn überhaupt, nur in gedämpftem Ton statt.
Martin Helme, 30 Jahre jung, mittelgroß, dichtes dunkelbraunes Haar, konzentrierter Blick, ist der Leiter der Auslandsredaktion. Eine verantwortungsvolle Aufgabe, denn Delfi ist der Spiegel-Online des Baltikums mit Redaktionen in Tallinn, Riga und Vilnius. Wer sich tagsüber über das Geschehen in der Welt informieren will, tut dies auf Delfis Homepage.
In ganz Estland bekannt ist Martin aber nicht wegen seines heutigen Jobs, sondern wegen seiner kritischen Haltung gegenüber der Europäischen Union. 2003 hat er die Nein-Kampagne vor dem Referendum zum EU-Beitritt organisiert.
"Nur, weil jemand nicht für die EU ist, bedeutet das nicht, daß er engstirnig ist oder dumm oder nichts von der Welt wissen will. So wird es ja immer wieder kolportiert. Ich bin gegen die EU, weil ich meine, dass sie die Möglichkeiten Estlands zu sehr einschränkt, vor allem wirtschaftlich, mit ihrem ganzen Protektionismus."
Auf den ersten Blick würde man Martin für manches halten, nicht aber für einen Agitator und zielstrebigen Organisator einer landesweiten Kampagne. In seiner Jeans, seinem schwarzen T-Shirt, vor allem aber aufgrund seiner inneren Ruhe und scheinbaren Gelassenheit, gleicht der verheiratete Vater dreier Töchter eher einem Studenten, der das diffuse Licht einer Bibliothek dem grellen der Öffentlichkeit vorzieht.
"Ich bin ein Kind der Revolution und von der Freiheit geprägt", sagt Martin lächelnd. Er war 15 als Estland seine Unabhängigkeit wieder erlangte. Sein Vater war der erste estnische Botschafter in Moskau. Martin selbst hat neben seinem Geschichts-Studium einige Jahre im estnischen Außenministerium gearbeitet, für das er diverse Analysen erstellte.
Mehr als alles andere geht Martins EU-Widerstand auf den Gipfel von Nizza und das dort beschlossen Projekt der europäischen Verfassung zurück. Würde diese am Ende doch noch Wirklichkeit werden, sei es vorbei mit der Vielfalt Europas, meint er. Gerade kleinere Staaten wie Estland würden dann vollends fremdbestimmt.
"Estland hat seine liberale Marktwirtschaftspolitik ja bereits aufgeben müssen. Wir mussten das soziale Modell Kontinentaleuropas übernehmen, das ja nicht mehr funktioniert. In Deutschland sollte man dies am besten wissen. Auch unsere außenpolitischen Interessen werden heute von Brüssel, Berlin, London und Paris vertreten und nicht von uns selbst. Es ist höchste Zeit, dass die estnischen Politiker kapieren, dass dort eben nicht in unserem Interesse agiert wird. Die Beziehungen zu Rußland sind hierfür das beste Beispiel. Wir sollten unser Schicksal endlich selbst in die Hand nehmen."
Es ist ein Mythos, sagt Martin, dass es in Europa keine Zusammenarbeit geben würde, sollte die EU nicht existieren. Und überhaupt sei dieser Dinosaurier mit seinem Protektionismus die falsche Antwort auf die Herausforderung der Globalisierung. Entweder Europa werde wettbewerbsfähig oder es gehe unter. Planwirtschaft à la Sowjetunion jedenfalls sei der völlig falsche Weg.
Doch warum wollten die Esten nicht auf Martin hören? Nur 33 Prozent stimmten bei der Volksabstimmung mit Nein. Und auch heute noch befürwortet die Mehrheit der Esten den Beitritt zur Europäischen Union." Wir hatten nur 400.000 Kronen, rund 25.000 Euro, finanziert von britischen Lords", berichtet Martin und zuckt dabei mit der Schulter.
Noch ein halbes Jahr vor dem Referendum hatte niemand auch nur die Frage gestellt, ob der Beitritt dem Land auch schaden könne. So gesehen waren die 33 Prozent ein großer Erfolg. Auch heute, fügt er hinzu, gibt es keinen organisierten EU-Widerstand im Land. Auch in Hinblick auf die für 2007 geplante Einführung des Euro hört jedermann auf die Regierung, die alles in rosaroten Farben darstellt:
"Ich glaube nicht, dass ich eine neue Kampagne starten werde, weil diese nicht notwenig sein wird. Estland wird den Euro nicht übernehmen, weil wir - Gott sei Dank - die Bedingungen nicht erfüllen können. Wegen der hohen Rohölpreise und auch aufgrund des EU-Beitritts, der alle Preise kräftig steigen ließ, wird unsere Inflation zu hoch ausfallen. Und auch die Euro-Zone befindet sich ja in einer tiefen Krise. Und ich bin mir nicht sicher, ob es den Euro in fünf Jahren überhaupt noch geben wird. Jedenfalls bin ich mir sicher: Die Euro-Staaten finden irgendeinen Vorwand, um keine neuen Länder aufnehmen zu müssen."
Martin Helme, 30 Jahre jung, mittelgroß, dichtes dunkelbraunes Haar, konzentrierter Blick, ist der Leiter der Auslandsredaktion. Eine verantwortungsvolle Aufgabe, denn Delfi ist der Spiegel-Online des Baltikums mit Redaktionen in Tallinn, Riga und Vilnius. Wer sich tagsüber über das Geschehen in der Welt informieren will, tut dies auf Delfis Homepage.
In ganz Estland bekannt ist Martin aber nicht wegen seines heutigen Jobs, sondern wegen seiner kritischen Haltung gegenüber der Europäischen Union. 2003 hat er die Nein-Kampagne vor dem Referendum zum EU-Beitritt organisiert.
"Nur, weil jemand nicht für die EU ist, bedeutet das nicht, daß er engstirnig ist oder dumm oder nichts von der Welt wissen will. So wird es ja immer wieder kolportiert. Ich bin gegen die EU, weil ich meine, dass sie die Möglichkeiten Estlands zu sehr einschränkt, vor allem wirtschaftlich, mit ihrem ganzen Protektionismus."
Auf den ersten Blick würde man Martin für manches halten, nicht aber für einen Agitator und zielstrebigen Organisator einer landesweiten Kampagne. In seiner Jeans, seinem schwarzen T-Shirt, vor allem aber aufgrund seiner inneren Ruhe und scheinbaren Gelassenheit, gleicht der verheiratete Vater dreier Töchter eher einem Studenten, der das diffuse Licht einer Bibliothek dem grellen der Öffentlichkeit vorzieht.
"Ich bin ein Kind der Revolution und von der Freiheit geprägt", sagt Martin lächelnd. Er war 15 als Estland seine Unabhängigkeit wieder erlangte. Sein Vater war der erste estnische Botschafter in Moskau. Martin selbst hat neben seinem Geschichts-Studium einige Jahre im estnischen Außenministerium gearbeitet, für das er diverse Analysen erstellte.
Mehr als alles andere geht Martins EU-Widerstand auf den Gipfel von Nizza und das dort beschlossen Projekt der europäischen Verfassung zurück. Würde diese am Ende doch noch Wirklichkeit werden, sei es vorbei mit der Vielfalt Europas, meint er. Gerade kleinere Staaten wie Estland würden dann vollends fremdbestimmt.
"Estland hat seine liberale Marktwirtschaftspolitik ja bereits aufgeben müssen. Wir mussten das soziale Modell Kontinentaleuropas übernehmen, das ja nicht mehr funktioniert. In Deutschland sollte man dies am besten wissen. Auch unsere außenpolitischen Interessen werden heute von Brüssel, Berlin, London und Paris vertreten und nicht von uns selbst. Es ist höchste Zeit, dass die estnischen Politiker kapieren, dass dort eben nicht in unserem Interesse agiert wird. Die Beziehungen zu Rußland sind hierfür das beste Beispiel. Wir sollten unser Schicksal endlich selbst in die Hand nehmen."
Es ist ein Mythos, sagt Martin, dass es in Europa keine Zusammenarbeit geben würde, sollte die EU nicht existieren. Und überhaupt sei dieser Dinosaurier mit seinem Protektionismus die falsche Antwort auf die Herausforderung der Globalisierung. Entweder Europa werde wettbewerbsfähig oder es gehe unter. Planwirtschaft à la Sowjetunion jedenfalls sei der völlig falsche Weg.
Doch warum wollten die Esten nicht auf Martin hören? Nur 33 Prozent stimmten bei der Volksabstimmung mit Nein. Und auch heute noch befürwortet die Mehrheit der Esten den Beitritt zur Europäischen Union." Wir hatten nur 400.000 Kronen, rund 25.000 Euro, finanziert von britischen Lords", berichtet Martin und zuckt dabei mit der Schulter.
Noch ein halbes Jahr vor dem Referendum hatte niemand auch nur die Frage gestellt, ob der Beitritt dem Land auch schaden könne. So gesehen waren die 33 Prozent ein großer Erfolg. Auch heute, fügt er hinzu, gibt es keinen organisierten EU-Widerstand im Land. Auch in Hinblick auf die für 2007 geplante Einführung des Euro hört jedermann auf die Regierung, die alles in rosaroten Farben darstellt:
"Ich glaube nicht, dass ich eine neue Kampagne starten werde, weil diese nicht notwenig sein wird. Estland wird den Euro nicht übernehmen, weil wir - Gott sei Dank - die Bedingungen nicht erfüllen können. Wegen der hohen Rohölpreise und auch aufgrund des EU-Beitritts, der alle Preise kräftig steigen ließ, wird unsere Inflation zu hoch ausfallen. Und auch die Euro-Zone befindet sich ja in einer tiefen Krise. Und ich bin mir nicht sicher, ob es den Euro in fünf Jahren überhaupt noch geben wird. Jedenfalls bin ich mir sicher: Die Euro-Staaten finden irgendeinen Vorwand, um keine neuen Länder aufnehmen zu müssen."