Montag, 06. Mai 2024

Energiepolitik
Europa-Parlament stimmt für Ausstieg aus umstrittener Energiecharta

Das Europa-Parlament hat mit großer Mehrheit für den Ausstieg der EU aus dem sogenannten Energiecharta-Vertrag gestimmt. In Straßburg votierten 560 Abgeordnete für einen gemeinsamen Rückzug aus dem umstrittenen Abkommen, lediglich 43 waren dagegen.

24.04.2024
    Europäische Flaggen im Wind vor dem Europäischen Parlament in Straßburg.
    Das Europaparlament in Straßburg hat den Austritt aus dem Energiecharta-Vertrag beschlossen. (Imago / imagebroker / Daniel Schoenen)
    Das 1998 in Kraft getretene Abkommen mit dem Titel Energy Charta Treaty (ECT) war ursprünglich geschaffen worden, um Investitionen in Gas-, Öl-, und Kohleprojekte zu schützen. Es steht allerdings bei Umweltorganisationen schon länger in der Kritik, weil es Investoren erlaubt, vor Schiedsgerichten gegen Staaten wegen "investitionsgefährdender" Maßnahmen - auch im Bereich Klimaschutz - zu klagen.

    Investitionssicherheit auf Steuerzahlerkosten

    Dahinter steckt die Absicht, Unternehmen beim Investieren Sicherheit zuzusichern. Das führte schon mehrfach zu Klagen von Konzernen gegen Regierungen, in denen es um hohe Summen ging. So forderten die deutschen Kohleunternehmen RWE und Uniper im Jahr 2021 von der niederländischen Regierung 2,4 Milliarden Euro Schadenersatz wegen des Kohleausstiegs bis 2030. Im Jahr 2022 erhielt das britische Ölunternehmen Rockhopper gemäß dem Vertrag über die Energiecharta 190 Millionen Euro zuzüglich Zinsen zugesprochen, nachdem Italien Offshore-Bohrungen verboten hatte und die italienischen Küstengemeinden zehn Jahre lang gegen die Ölförderung an ihren Küsten gekämpft hatten.
    Und im November vergangenen Jahres verklagte die Ölgesellschaft Klesch Group Holdings Limited die EU, Deutschland und Dänemark auf mindestens 95 Millionen Euro wegen unerwarteter Steuern im Rahmen des ECT-Abkommens. Die Klage des Ölkonzerns richtete sich gegen die Bemühungen Europas, die wirtschaftlichen Auswirkungen der hohen Energiepreise abzufedern.

    Deutschland ist schon ausgestiegen

    Die Bundesregierung hatte den Austritt Deutschlands aus dem Vertrag bereits Ende 2022 beschlossen. Zehn weitere europäische Länder hatten in den vergangenen zwei Jahren ebenfalls ihren Rückzug angekündigt: Spanien, Frankreich, die Niederlande, Slowenien, Polen, Luxemburg, Dänemark, Irland, Portugal und Großbritannien. Italien war schon 2016 ausgetreten. Die Ausstiegsfrist beträgt 20 Jahre. Das heißt, Italien könnte noch bis 2036 verklagt werden. Gemindert werden könnte diese Frist durch den gemeinsamen Ausstieg der EU-Staaten, wenn sie vereinbaren, dass die Regelungen dieses Vertrages untereinander nicht mehr gelten.
    Grundlage der jetzt getroffenen Entscheidung war ein Vorschlag der Europäischen Kommission. Die Brüsseler Behörde hatte einen Austritt schon im vergangenen Jahr empfohlen. Die EU-Länder hatten sich Anfang März nach einigen Diskussionen auf den gemeinsamen Austritt verständigt. Die nun erfolgte Zustimmung der Parlamentarier ist für den Ausstieg erforderlich. Die EU-Länder müssen ihn noch final bestätigen. 

    Umweltschützer begrüßen den Austritts-Beschluss

    Die deutsche Grünen-Abgeordnete Anna Cavazzini nannte die Abstimmung einen großen Schritt in die richtige Richtung. Die EU steige aus dem klimafeindlichen Energiecharta-Vertrag aus. "Endlich steht der fossile Dinosaurier-Vertrag einem konsequenten Klimaschutz nicht mehr im Weg, denn wir müssen keine Konzernklagen auf Milliardenentschädigung vor privaten Schiedsgerichten mehr fürchten."
    Auch von Umweltgruppen kam Zustimmung zu der jetzigen Entscheidung. Audrey Changoe, Koordinatorin für Handel und Investitionen bei Climate Action Network Europe, nannte die Abstimmung "bahnbrechend". Sie betonte, der ECT-Vertrag habe "den größten Umweltverschmutzern, die riesige Gewinnspannen erzielen, die Möglichkeit gegeben, noch mehr Steuergelder zu beanspruchen und ehrgeizige Klimaschutzmaßnahmen zu verhindern".
    Diese Nachricht wurde am 24.04.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.