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Europa
Steuerpolitik ohne Einstimmigkeit

EU-Mitgliedstaaten sollen künftig in steuerpolitischen Fragen nicht mehr einstimmig entscheiden müssen, so die Pläne der EU-Kommission. Denn an dieser Regel scheiterten wichtige Entscheidungen wie beispielsweise im Kampf gegen Steuerflucht, zur Digitalsteuer oder Finanztransaktionssteuer.

Von Paul Vorreiter | 15.01.2019
    Die Logos der US-Internetkonzerne Google (l-r), Amazon und Facebook sind auf dem Display eines iPhone zu sehen.
    Um die Digitalsteuer für große Internetkonzerne wie Google und Apple gibt es Streit zwischen den EU-Staaten (Stefan Jaitner / dpa )
    Schnellen Entscheidungen in der Steuerpolitik steht das Einstimmigkeitsprinzip entgegen: Die EU-Kommission hat einen Vorschlag vorgelegt, wie das Dilemma gelöst werden soll. Entscheidungen sollen auch mit qualifizierter Mehrheit möglich sein. Das heißt: Zustimmen müssten mindestens 55 Prozent der Mitgliedsstaaten, die gleichzeitig 65 Prozent der EU-Bevölkerung ausmachen.
    Entscheidungen effektiver treffen
    Die Reform soll schrittweise bis Ende 2025 umgesetzt sein, genutzt werden soll der Abstimmungsmodus unter anderem bei der Bekämpfung von Steuerflucht, bei steuerlichen Maßnahmen für Ziele wie den Klimaschutz, und auch bei Fragen der Mehrwertsteuer, jedoch nicht bei der Höhe der Sätze – denn das soll weiterhin nationale Aufgabe sein. In Straßburg begründete Finanzkommissar Pierre Moscovisci den Vorstoß wie folgt:
    "Wir nehmen zur Kenntnis, dass die Steuerpolitik zu einem zentralen Bestandteil der öffentlichen Debatte in der EU geworden ist und deswegen wollen wir die Mitgliedsstaaten dazu einladen, ein Debatte zu führen, wie Entscheidungen in diesem heiklen und strategisch wichtigen Bereich effektiver getroffen werden können."
    Nur ein Plan B?
    Wenn sich der Vorschlag durchsetzt, dann könnten einzelne EU-Staaten bei manchen Fragen den Gesetzgebungsprozess nicht mehr blockieren. Die gemeinsame Bemessungsgrundlage für die Körperschaftssteuer, die Umsatzsteuerreform, Sanktionen gegen Steueroasen - vieles liegt auf Eis, weil manche Mitgliedsstaaten nicht mitspielen. So ist das auch bei der Digitalsteuer. Dänemark, Schweden oder Irland als Sitz vieler Internetfirmen sind grundsätzlich dagegen. Bundesfinanzminister Olaf Scholz, SPD, unterstützt die EU-weite Steuer nur als Plan B, falls eine Lösung auf Ebene der OECD nicht gefunden wird.
    Im Europaparlament wird der Vorschlag der Kommission grundsätzlich begrüßt: Markus Ferber, wirtschaftspolitischer Sprecher der EVP-Fraktion hält Mehrheitsentscheidungen für sinnvoll, um einen faireren Steuerwettbewerb zu bekommen. Aus Sicht des CSU-Politikers müssten Steuersätze allerdings auch weiterhin national geregelt werden.
    Einstimmiger Beschluss unwahrscheinlich
    Sich vom Einstimmigkeitsprinzip zu verabschieden, dem kann auch Grünen-Finanzexperte Sven Giegold etwas abgewinnen, aber:
    "Es ist ein Scheinriese, denn man braucht Einstimmigkeit, um die Einstimmigkeit abzuschaffen und genau diese Einstimmigkeit existiert ja nicht, deshalb bedauere ich es, dass die Kommission die Möglichkeiten des EU-Vertrags nicht ausgeschöpft hat, Herr Moscovisci hat da keine Mehrheit in der Kommission gefunden."
    Über die sogenannte Brückenklausel nach Artikel 48 des EU-Vertrages soll das Mehrheitsprinzip ermöglicht werden. Das allerdings müssen alle Länder einstimmig beschließen. Dass die das auch machen, ist unwahrscheinlich.