Donnerstag, 28. März 2024

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Europäische Exzellenzstrategie
"Ein Verbund, der sich besinnt auf das europäische Wissen"

Um Wissenschaftler für ein Exzellenz-Netzwerk europäischer Universitäten zu begeistern, seien Anreize vor allem im Bereich Forschung nötig, sagte der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Horst Hippler, im Dlf. "Das ist ein Prozess, der von unten nach oben laufen muss."

Horst Hippler im Gespräch mit Kate Maleike | 31.01.2018
    Kate Maleike: Der französische Staatspräsident Macron hat die Idee formuliert, und die europäischen Regierungschefs wollen ihr folgen: 20 europäische Universitäten sollen geschaffen werden, um Europa wissenschaftlich zu stärken, und das in einer Zeit, in der die Gemeinschaftsidee in der Krise steckt. Die Unis sollen Orte didaktischer Innovationen, der Forschung und der Exzellenz werden, heißt es. Seit der Grundsatzrede von Macron im vergangenen September sind jetzt einige Monate ins Land gegangen, und man fragt sich natürlich, wo steckt denn das Vorhaben? Läuft da schon was oder war das mal erst eine reine Ankündigung? Professor Horst Hippler ist der Präsident der Deutschen Hochschulrektorenkonferenz und als solcher viel unterwegs und eingebunden in viele wichtige Gespräche und Verhandlungen, auch natürlich im internationalen Kontext. Guten Tag, Herr Hippler!
    Horst Hippler: Schönen guten Tag!
    "20 Netzwerke sind bezogen auf bestimmte Themen"
    Maleike: Was wissen Sie denn über den Stand der Dinge zu Macrons Vorschlag?
    Hippler: Was ich weiß, ist natürlich, dass dieser Satz ausgesprochen worden ist in einem Vortrag an der Sorbonne-Universität und dass seitdem dieser Satz viele Leute beschäftigt, wie man das denn machen kann, wie man das denn anstellen kann, und natürlich haben wir in der Hochschulrektorenkonferenz in Deutschland uns Gedanken gemacht, wie man das eigentlich machen kann, und für uns ist ganz wichtig, dass das Prinzip, erstens, der Exzellenz ganz oben steht, und, zweitens, dass wir dann als Konsequenz nicht davon ausgehen, dass es einzelne Universitäten sind, die in einem Netzwerk sind, denn Universitäten sind nicht im jedem Fach und jeder Disziplin exzellent, sondern dass man das dann aufteilen muss auf Bereiche in Forschung, Lehre und Innovation, um das zusammenzubringen.
    Maleike: Wie stellen Sie sich denn diese 20 Unis vor, wie, muss man sich vorstellen, läuft dann Forschung und Lehre dort?
    Hippler: Also ich stelle mir das vor, dass es keine 20 Universitäten sind, sondern dass es 20 Netzwerke sind bezogen auf bestimmte Themen und thematische Ausrichtungen und dass in diesen thematischen Ausrichtungen geforscht wird, gelehrt wird und auch Innovation angestrebt wird. Das ist die Idee, das international tatsächlich dann auch zusammenzubinden, und dabei kann es durchaus sein, dass einige Universitäten in mehreren Netzwerken gleichzeitig sind.
    "Sehr viel Mobilität wäre wünschenswert"
    Maleike: Und damit soll natürlich auch die Mobilität der Wissenschaftler und der Studierenden ja auch in gewisser Weise noch mal angestupst werden. Das sehen Sie dann auch als ganz wichtiges Beinchen mit?
    Hippler: Das sehe ich als wichtiges Beinchen da drin, aber ich sehe das natürlich auch als sehr, sehr problematisch, weil natürlich dafür andere Voraussetzungen geschaffen werden müssen, dass man sozusagen seine Förderinstrumente mitnehmen darf innerhalb Europas, dass man seine Gehälter mitnehmen darf innerhalb Europas. Das ist alles etwas, was politisch gelöst werden muss, aber im Moment sehr, sehr schwierig ist. Davon reden wir schon seit vielen, vielen Jahren, aber über Netzwerke kann man natürlich reden, und man kann auch dann darüber reden, wie man so etwas dann ausgleicht. Sehr viel Mobilität wäre wünschenswert, aber da muss man schauen, ob man dafür auch hinreichend Anreize hat.
    Maleike: Das heißt, im Grunde reden wir sowas wie von einer europäischen Exzellenzstrategie?
    Hippler: Ich denke schon, das gehört auch dazu, denn die Exzellenz ist, wenn wir über Universitäten reden, wenn das Exzellenzprinzip sozusagen diese Netzwerke tragen soll, dann müssen wir natürlich auch an der Stelle die Exzellenz identifizieren, und das passiert auf der einen Seite durch den European Research Council, der an exzellente Wissenschaftler in ganz Europa –
    Maleike: Das ist der Europäische Forschungsrat.
    Hippler: – genau –, in Europa an exzellente Wissenschaftler Fördergelder verteilt, und da weiß man ja schon, wo Exzellenz sitzt und wo sie nicht ist.
    "Das Interesse der Wissenschaftler an ihren Fragen ausrichten"
    Maleike: Was könnten Themen sein für diese Unis oder Netzwerke?
    Hippler: Also bei den Themen, da wäre ich dann doch ein bisschen vorsichtig, weil diese Themen müssen dann aus der Wissenschaft heraus auch definiert werden, und da muss man schauen, wie sich so etwas dann auch tatsächlich bilden kann. Natürlich wird eines der Themen sein im Bereich von Daten, Datenmanagement, das wird sicherlich eines der großen Themen sein, der großen Herausforderungen sein, aber ich glaube auch, man sollte das nicht nur durch die großen politischen Fragen beantworten lassen, sondern auch das Interesse der Wissenschaftler an ihren wissenschaftlichen Fragen ausrichten. Das ist ein Prozess, der von unten nach oben laufen muss.
    Maleike: Sie führen ja die Gespräche, waren in Brüssel und Paris jetzt. Das heißt, man kann schon sagen, diese Idee ist im Wachsen?
    Hippler: Die Idee ist im Wachsen, und die Frage ist, wie kann man es so gestalten, dass tatsächlich auch die Wissenschaftler begeistert sind. Das ist nicht ganz so einfach, wie sozusagen die Politik zu begeistern, weil die Wissenschaftler werden begeistert durch Möglichkeiten im Bereich der Forschung hauptsächlich. Das ist ihr Antrieb, das ist ihre Neugier. Natürlich gehört zur exzellenten Forschung auch eine exzellente Lehre, und das ist dann immer sozusagen …, die Lehre hat der Forschung zu folgen, und das muss alles zusammen passen, deshalb ist es ganz wichtig, dass die Wissenschaftler mit Überzeugung in dieses Netzwerk eingebunden werden, sonst wird es nicht funktionieren.
    Kein Top-Down-Prozess, sondern eine breite Basis schaffen
    Maleike: Wie wird denn jetzt der weitere Zeitplan aussehen? Ich weiß, das ist schwierig, da konkret in die Kugel zu schauen, aber man hört ja auch wenig, zum Beispiel, bei den Koalitionsgesprächen über diese Idee, obwohl Deutschland und Frankreich sich ja gerade über die Elysee-Verträge noch mal sehr stark für die europäische Achse gezeigt haben.
    Hippler: Also ich denke mal, man muss ein bisschen aufpassen, dass man nicht mit einer zu großen Geschwindigkeit dort anfängt und dann etwas schafft nur um des Schaffens willen, ohne dass es tatsächlich eine Basis hat. Man sollte da sehr gut drüber nachdenken, dass man die Universitäten, die Hochschulen in den Ländern in diesen Prozess mit einbindet und nicht versucht, top-down, also von oben herab, irgendetwas zu erzeugen, was nachher keiner wirklich tragen will und unterstützen möchte.
    Europa: "In der Vergangenheit ein Verbund zum Erfolg der Wirtschaft"
    Maleike: Wenn die Politik sagt, wir brauchen das, die Wissenschaft sagt ja, wir brauchen das auch, was werden wir als EU-Bürger von diesen Netzwerken haben?
    Hippler: Was wir davon haben werden, ist, glaube ich, in der Zukunft etwas, dass wir eine junge Generation haben, die Europa mit einem ganz anderen Blick sieht, als sie es in der Vergangenheit gesehen hat. Europa war in der Vergangenheit ein Verbund zum Erfolg der Wirtschaft, jetzt sollte es eher sein ein Verbund, der sich besinnt auf die europäische Kultur, auf das europäische Wissen und auf die europäische Nachhaltigkeit, und ich denke, da hat die ganze Welt was von, da hat Europa was von, und ich denke mal, das ist für die Zukunft ein Riesenprojekt, Bildung ganz nach oben zu stellen und das Bewusstsein der europäischen Kultur bei den jungen Menschen ins Gehirn zu bringen.
    Maleike: Wer wird denn nämlich entscheiden, wer dieses Netzwerk wird oder wer diese Uni wird?
    Hippler: Das kann nur aus der Wissenschaft heraus entschieden werden, so wie wir das in Deutschland mit der Exzellenzstrategie gemacht haben.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.