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Europäische Finanzplanung wackelt

Das Europa-Parlament will den EU-Haushalt nicht durchwinken. Der erzielte Kompromiss der 27 EU-Staats- und Regierungschefs sieht vor, dass die EU in den nächsten sechs Jahren maximal 960 Milliarden Euro für Projekte zusagen darf. Dem Parlament ist dieser Etat zu hoch.

Von Johanna Herzing | 13.03.2013
    Zweimal mussten die Staats- und Regierungschefs zusammenkommen, um einen Abschluss für die mittelfristige Finanzplanung von 2014 bis 2020 zu erreichen. Aber selbst beim zweiten Gipfeltreffen Anfang Februar benötigten die 27 die ganze Nacht für den hart umkämpften Kompromiss zwischen Geber- und Nehmerländern. Schon damals hatte das EU-Parlament jedoch massiven Widerstand angekündigt, heute werden die Parlamentarier damit ernst machen.
    Guy Verhofstadt, Fraktionschef der Liberalen im Europäischen Parlament:

    "Die Resolution sagt sehr klar, dass der erzielte Kompromiss der Staats- und Regierungschefs für das Parlament nicht akzeptabel ist. Und das da mehr substantielle Nachbesserungen notwendig sind, und nicht nur kosmetische Korrekturen."

    Doch zunächst ist es nur ein Warnschuss, den das Parlament mit der Verabschiedung dieser Resolution fraktionsübergreifend abgeben will. Und eine Bekräftigung der eigenen Position, bevor es in die eigentlichen Verhandlungen mit dem Rat geht. An der oberen Deckelung des Finanzrahmens – 960 Milliarden Euro für die nächsten sieben Jahre – wollen die Abgeordneten zwar nicht mehr Hand anlegen.
    Aber sie wollen auf eine bessere Finanzausstattung pochen, erklärt Alexander Graf Lambsdorff von den Liberalen:

    "Mit dem Defizit im EU-Haushalt das kann man sich ungefähr so vorstellen: Ein Vater schickt seinen Sohn zum Kiosk und sagt ihm "Kauf´dir für zehn Euro Süßigkeiten" und sagt dem Kiosk-Besitzer "Ich komm’ in einer Stunde vorbei und bring’ Dir sieben Euro." Da wird der Kiosk-Besitzer auch sagen, dass da was nicht stimmt. Genauso ist es jetzt mit diesem Vorschlag der Regierungen. Hier werden 960 Milliarden an Zahlungsermächtigungen erteilt. Aber man will nur 908 Milliarden tatsächlich bereitstellen. Das heißt, wir haben eine Lücke von 52 Milliarden, mit der Europa seine Aufgaben dann nicht erfüllen kann."

    Zugleich wollen die Abgeordneten auch die Balance in der mittelfristigen Finanzplanung neu justieren. Ziel sei es, so heißt es in der Resolution, ein modernes, weitblickendes, flexibles und transparentes EU-Budget zu schaffen. Notfalls sollen etwa Mittel zwischen den einzelnen Etats umgeschichtet werden können, betont der Finanzexperte der EVP-Fraktion, der CSU-Abgeordnete Markus Ferber:

    "Deswegen ist unser Ansatz auch, dass wir Mittel, die in einem Jahr nicht verbraucht werden, ins nächste Jahr übertragen werden können – und nicht mehr an die Mitgliedstaaten zurückfließen. Damit wir auch ein zusätzliches Instrument haben, um entsprechende neue Herausforderungen aussteuern zu können."

    An dieser Stelle hat Bundeskanzlerin Angela Merkel allerdings schon Kompromissbereitschaft angedeutet. Weitaus strittiger dürfte da eine andere Forderung sein: die Finanzplanung zunächst auf zwei oder drei Jahre zu verkürzen, um sie dann nach der Europawahl 2014 einer Revision zu unterziehen. Doch ein solcher Ansatz sei äußerst sinnvoll, bekräftigt Ferber:

    "Wir machen jetzt in einer wirtschaftlich sehr schwierigen Situation eine finanzielle Vorausschau in Preisen von 2011. Im Jahr 2015, 2016 kann die Welt ganz anders ausschauen, auch was die Herausforderungen Europas in der Welt betrifft. Da sind wir unterfinanziert."

    Doch jenseits der inhaltlichen Forderungen werden die anstehenden Verhandlungen zwischen Rat und Parlament auch von politischen Konflikten überschattet. Deutschland etwa wollte auch aus Rücksicht auf die europamüden Briten eine erhebliche Kürzung bei der mittelfristigen Finanzplanung - das schränkt letztlich den Verhandlungsspielraum ein. Und der Ministerrat wird es mit einem äußerst selbstbewussten Parlament zu tun bekommen.

    Daran, so der Fraktionschef der Grünen, Daniel Cohn-Bendit, müssten sich die Staats- und Regierungschefs aber erst einmal gewöhnen:

    "Und jetzt sind’s nämlich nicht 27 Staaten, die auch ein Vetorecht haben, sondern 28 – nämlich das Parlament! Und das haben sie bis jetzt nicht verstanden."

    Doch ohne Zustimmung des Parlaments wird es nicht gehen – eine Folge des Lissabon-Vertrages. Scheitern die Verhandlungen, müsste sich die Europäische Union mit jährlichen Etats durchschlagen. Das aber käme am Ende teurer als ein Kompromiss über die Finanzplanung für die nächsten sieben Jahre.