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Europäisches Stimmungsbarometer

Zweimal im Jahr veröffentlicht die EU-Kommision das so genannte Eurobarometer. Mithilfe der Statistik sollen, neben einer allgemeinen Durchschnittsmeinung gegenüber der Europäischen Union, auch die Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern abgebildet werden. Danach zählen die Deutschen stets zu den größten Pessimisten innerhalb der EU. Ruth Reichstein ging in Brüssel der Frage nach, wie repräsentativ diese Befragung ist, wie sie zustande kommt, und wer eigentlich dahinter steckt.

    Finden Sie, dass es eine gute Sache ist, dass ihr Land Mitglied in der EU ist? Finden Sie, dass ihr Land von der Mitgliedschaft profitiert? Kennen Sie die Europäische Kommission überhaupt? Das alles sind Fragen aus dem Standard-Eurobarometer, das die Europäische Kommission zweimal im Jahr veröffentlicht - und das schon seit 1973, sagt Michael Buckup von der Europäischen Kommission in Brüssel.

    "Der Hintergrund war, dass man damals bei den sechs Mitgliedsstaaten eine Befragung machen wollte, zur gleichen Zeit, mit den gleichen Fragen, und der gleichen Stichprobe. Das heißt, man musste also ein neues Instrument erfinden, um nicht nur die Meinung in einem Land abzufragen, sondern eine europäische Meinung. Deshalb ist eine neue Methodik entwickelt worden, damit man das gewährleisten kann."

    In der Europäischen Kommission arbeitet nur eine kleine, etwa 10-köpfige Gruppe an der weltweit größten Umfrage. Allerdings hat die Behörde eine externe Firma, Profis, damit beauftragt, die Befragung durchzuführen.

    In allen EU-Mitgliedsstaaten und in den Kandidaten-Ländern, also Bulgarien, Rumänien, Kroatien und in der Türkei, werden über einen Zeitraum von einem Monat rund 30.000 Menschen nach ihren Hoffnungen, Befürchtungen und Meinungen zu Europa und der Europäischen Union befragt. Das ist nicht immer einfach, sagt Jean Michel Lebrun vom Meinungsforschungsinstitut TNS, das für die Umfragen verantwortlich ist:

    "Wir haben einen Fragebogen, der in allen Ländern gleichermaßen verstanden werden muss. Wir machen das in 33 Ländern, in 44 verschiedenen Sprachen. Das ist also ziemlich kompliziert, und wir dürfen auf keinen Fall einen Übersetzungsfehler machen. Deshalb werden die Fragebögen immer zweimal unabhängig voneinander übersetzt. Und die Endfassung wird von uns noch einmal nachkontrolliert."

    In jedem Land werden die Leute nach einem reinen Zufallsprinzip ausgewählt. Der Befrager versucht dann immer wieder, die ausgewählte Person zu Hause zu erreichen. Und auch das funktioniert nicht immer reibungslos, erzählt Jean Michel Lebrun:

    "Es gibt eine Ausnahme: In Schweden und in den Niederlanden werden die Leute vorher angeschrieben oder angerufen, weil die Leute dort Fremden nie die Tür aufmachen würden. Wir hatten in diesen Ländern also immer sehr niedrige Teilnehmerzahlen. Deshalb haben wir das geändert."

    Rund eine Stunde dauert die Befragung für das große Eurobarometer, das alle sechs Monate veröffentlicht wird. Aber jeden Monat lässt die Kommission zusätzliche Befragungen zu ganz bestimmten Themen durchführen. Und die Ergebnisse beeinflussen durchaus die Politik der Kommissare. Michael Buckup:

    "Bevor beispielsweise die Richtlinie für Fluggäste gemacht wurde, hat man schon mal gefragt: Wo liegen da eigentlich die Probleme? Oder wir machen mit der Generaldirektion Verbraucherschutz oft Befragungen zu Telefon- und Postdiensten. Da wollen die wissen: Gibt es noch Postämter auf dem Land? Und das ist für die Konzeption von Politik schon wichtig."

    Und das lässt sich die EU-Kommission auch einiges kosten. 15.000 Euro kostet eine Frage im Durchschnitt. In seinem klassischen Eurobarometer gibt es davon rund 150.

    Ausgewertet werden dabei nicht nur die europäische Durchschnittsmeinung, sondern auch die Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern. Michael Buckup:

    "Die Deutschen waren bis jetzt - jetzt warten wir mal ab, was nach der Fußball-WM ist - eigentlich Europameister, was Pessimismus angeht. Mit den schlechtesten Einschätzungen, was die Zukunft des eigenen Landes, der Wirtschaft angeht. Das Wissen über die EU ist relativ unterbelichtet - also mit am schlechtesten in Europa. Leider. Und auch was die Vorurteile angeht: Viele meinen, das meiste Geld wird für die Verwaltung ausgegeben. Und dabei ist die nicht teurer als die der Stadt Köln."

    Meistens ist Michael Buckup nicht überrascht von den Ergebnissen. Sie passen zu den übrigen Medienberichten und dem Wahlverhalten der EU-Bürger. Aber als die EU-Kommission vor drei Jahren wissen wollte, welche Staaten den Frieden in der Welt bedrohten, waren die Antworten auch für den routinierten Meinungsforscher überraschend:

    "Irak, auch Israel war sehr weit oben. Russland ist als Feindbild ziemlich ausgeschieden. Auf der anderen Seite war es sehr witzig für uns, dass in Großbritannien 18 Prozent der Meinung waren, die EU sei eine Bedrohung für den Frieden."