Das Wichtigste jeder Verfassung steht am Anfang: "Die Würde des Menschen ist unantastbar", oder: "Spanien konstituiert sich als demokratischer und sozialer Rechtsstaat". In solchen Sätzen spiegeln sich die Erfahrungen wider, die die Länder geprägt haben. Deutschland hatte zum Zeitpunkt der Verfassungsgebung 12 Jahre hinter sich, in denen die Würde des Menschen mit Füßen getreten worden war. Spanien war von fast 40 Jahren Diktatur geprägt, deshalb die Betonung auf demokratisch, auf Rechtsstaat und auf sozial. Und die Iren legten ganz vorn fest, dass sie ihre Regierungsform selber bestimmen. Im Klartext: dass sie sich nie mehr etwas aus London vorschreiben lassen.
Aus den ersten Artikeln einer Verfassung kann man also Rückschlüsse ziehen auf den Gemütszustand des jeweiligen Landes. Deshalb ist es so beunruhigend, dass die ersten fünf Artikel der inzwischen stark abgemagerten Europäischen Verfassung vor allem den Geist des Mißtrauens atmen. Gleich zweimal steht dort, dass die Europäische Union keine neuen Aufgaben übernehmen darf, es sei denn, die Regierungen der Mitgliedsstaaten übertragen ihr die neue Kompetenz in einem einstimmigen Beschluss.
Das war zwar bisher auch schon so. Aber die Regierungschefs trauen der Union offensichtlich so wenig, dass sie die EU lieber dreimal einzäunen. Von einem Europa der Bürger ist ohnehin nicht mehr die Rede. Der Vertrag über die Europäische Union verfestigt den Trend der letzten Jahre zu einem Europa der Regierungen.
Offiziell darf der Text nun nicht mehr Verfassung heißen, sondern nur noch Vertrag. Nach den gescheiterten Referenden in Frankreich und den Niederlanden wollen die Regierungen in diesen zwei Ländern ihren Bürgern nichts mehr vorlegen, was an eine Verfassung erinnern könnte. Die Regierungen in Großbritannien und Polen sind ohnehin allergisch gegen alles, was die EU stärken könnte.
Da drängt sich die Frage auf: Warum haben die 27 Regierungen überhaupt eine Verfassung schreiben lassen? Warum arbeiten sie jetzt an einem neuen Europa-Vertrag, der die Kernbestandteile der gestrandeten Verfassung retten soll?
Die Antwort ist einfach. Zum einen sind nicht alle Länder und auch nicht alle Regierungen gegen ein stärkeres Europa. 18 der 27 Staaten haben die Verfassung bereits ratifiziert, sie wollen also durchaus ein enger verzahntes Europa und sie kämpfen weiter dafür. Zum anderen ist selbst den besonders skeptischen Regierungen in London, Den Haag und Warschau klar, dass sie Europa nicht nur brauchen, sondern immer öfter brauchen. Viele Probleme lassen sich national nicht mehr lösen.
Sie wollen es nur nicht zugeben, am allerwenigsten vor ihrer eigenen Bevölkerung. Deshalb arbeiten vor allem britische Diplomaten in Brüssel derzeit hart daran, den Europavertrag auf unverständliche Paragraphen zu reduzieren. Fahne, Hymne, Grundwerte, alles was die Europäische Union für viele Bürger attraktiver machen könnte, soll herausgestrichen werden. Aus britischer Sicht soll Europa funktionieren, aber nach nichts aussehen. Ähnliche Wünsche hegt man auch in Den Haag, Warschau und Prag.
Skeptische Regierungen gab es immer in der Europäischen Union. Trotzdem hat sich die EU von einer besseren Agrargenossenschaft zu einer wirtschaftlichen und politischen Macht entwickelt. Doch der Preis war hoch. Die Europäische Union ist ein Gestrüpp aus 100 000 Kompromissen. Genau das sollte die Verfassung ändern. Sie sollte zusammenfassen, raffen, klare Linien einziehen, damit Europa von seinen Bürgern auch verstanden werden kann.
Diese Chance scheint nun endgültig dahin. Europa wird weiter vor sich hin wursteln. Wollte man den Zustand der Europäischen Union aufrichtig beschreiben, müsste in Artikel eins stehen:
Das Wesen der Europäischen Union ist undurchsichtig.
Aus den ersten Artikeln einer Verfassung kann man also Rückschlüsse ziehen auf den Gemütszustand des jeweiligen Landes. Deshalb ist es so beunruhigend, dass die ersten fünf Artikel der inzwischen stark abgemagerten Europäischen Verfassung vor allem den Geist des Mißtrauens atmen. Gleich zweimal steht dort, dass die Europäische Union keine neuen Aufgaben übernehmen darf, es sei denn, die Regierungen der Mitgliedsstaaten übertragen ihr die neue Kompetenz in einem einstimmigen Beschluss.
Das war zwar bisher auch schon so. Aber die Regierungschefs trauen der Union offensichtlich so wenig, dass sie die EU lieber dreimal einzäunen. Von einem Europa der Bürger ist ohnehin nicht mehr die Rede. Der Vertrag über die Europäische Union verfestigt den Trend der letzten Jahre zu einem Europa der Regierungen.
Offiziell darf der Text nun nicht mehr Verfassung heißen, sondern nur noch Vertrag. Nach den gescheiterten Referenden in Frankreich und den Niederlanden wollen die Regierungen in diesen zwei Ländern ihren Bürgern nichts mehr vorlegen, was an eine Verfassung erinnern könnte. Die Regierungen in Großbritannien und Polen sind ohnehin allergisch gegen alles, was die EU stärken könnte.
Da drängt sich die Frage auf: Warum haben die 27 Regierungen überhaupt eine Verfassung schreiben lassen? Warum arbeiten sie jetzt an einem neuen Europa-Vertrag, der die Kernbestandteile der gestrandeten Verfassung retten soll?
Die Antwort ist einfach. Zum einen sind nicht alle Länder und auch nicht alle Regierungen gegen ein stärkeres Europa. 18 der 27 Staaten haben die Verfassung bereits ratifiziert, sie wollen also durchaus ein enger verzahntes Europa und sie kämpfen weiter dafür. Zum anderen ist selbst den besonders skeptischen Regierungen in London, Den Haag und Warschau klar, dass sie Europa nicht nur brauchen, sondern immer öfter brauchen. Viele Probleme lassen sich national nicht mehr lösen.
Sie wollen es nur nicht zugeben, am allerwenigsten vor ihrer eigenen Bevölkerung. Deshalb arbeiten vor allem britische Diplomaten in Brüssel derzeit hart daran, den Europavertrag auf unverständliche Paragraphen zu reduzieren. Fahne, Hymne, Grundwerte, alles was die Europäische Union für viele Bürger attraktiver machen könnte, soll herausgestrichen werden. Aus britischer Sicht soll Europa funktionieren, aber nach nichts aussehen. Ähnliche Wünsche hegt man auch in Den Haag, Warschau und Prag.
Skeptische Regierungen gab es immer in der Europäischen Union. Trotzdem hat sich die EU von einer besseren Agrargenossenschaft zu einer wirtschaftlichen und politischen Macht entwickelt. Doch der Preis war hoch. Die Europäische Union ist ein Gestrüpp aus 100 000 Kompromissen. Genau das sollte die Verfassung ändern. Sie sollte zusammenfassen, raffen, klare Linien einziehen, damit Europa von seinen Bürgern auch verstanden werden kann.
Diese Chance scheint nun endgültig dahin. Europa wird weiter vor sich hin wursteln. Wollte man den Zustand der Europäischen Union aufrichtig beschreiben, müsste in Artikel eins stehen:
Das Wesen der Europäischen Union ist undurchsichtig.