Friedbert Meurer: Im Studio in Brüssel begrüße ich jetzt Graham Watson. Er ist britischer Abgeordneter und Vorsitzender der Allianz der Liberalen und Demokraten im Europaparlament. Guten Morgen, Herr Watson!
Graham Watson: Guten Morgen.
Meurer: Vielleicht zunächst die Frage: was würde es bedeuten, wenn der russische Staatspräsident Medwedew die Resolution unterschreibt und Süd-Ossetien und Abchasien für unabhängig erklärt?
Watson: Ich finde, das würde nichts helfen. Natürlich kann man nicht eine Balkanisierung Europas vorsehen. Wir müssen ein Abkommen finden und ich glaube, dass dieser Sechs-Punkte-Plan zur Beilegung der Feindseligkeiten uns eine Basis dafür gibt. Wenn wir versuchen, neue Staaten zu schaffen, wird es niemand helfen und auch nicht Russland, und ich glaube, die wissen das. Nur was jetzt geschehen ist, dass hier in der Tat ein neuer Kalter Krieg zwischen Russland und Amerika anfängt, auch wegen der Wahlcampagne in Amerika. Und ich finde, dass die Amerikaner in der Tat sehr unhilfreich gewesen sind, um Georgien den Mut zu geben, eine solche Strategie anzunehmen.
Meurer: Warum kritisieren Sie die USA?
Watson: Ich finde, McCain ist alt genug. Er sollte sich daran erinnern, dass wir nur durch ein Engagement mit Russland Fortschritte machen können. Das haben wir Europäer in den 70er und 80er Jahren gesehen, als wir zum Beispiel durch den Helsinki-Prozess und dann, als nachher Reagan und Gorbatschow sich vereinbart haben, gesehen haben, dass man nur so mit Russland weiterkommen kann.
Meurer: Das Lager von McCain sagt aber, die Europäer reagieren zu weich. Man muss auch den Russen einfach ein Stoppschild aufstellen.
Watson: Ich weiß nicht, was McCain da will. Will er, dass wir einen neuen Krieg in Georgien haben? Wir haben schon Krieg in Afghanistan, wir haben schon Krieg in Irak. Man kann nicht Krieg auf drei Fronten machen. Nein! Was hier geschehen ist, war durchaus vorhersehbar und auch die Reaktion Russlands. Aber ich gebe einen Kredit an Sarkozy, dass er so schnell reagiert hat, dass er diesen Sechs-Punkte-Plan zur Beilegung der Feindseligkeiten gemacht hat, und ich hoffe, wir werden nächste Woche im Europaparlament eine Debatte voraussichtlich mit Sarkozy führen, was Europa jetzt tun kann.
Es sind meiner Meinung nach zwei Sachen sehr wichtig. Die erste ist, dass wir Hilfe für das vom Krieg erschütterte Land Georgien organisieren. Da sind immer noch 150.000 Leute, die im Moment keine Hoffnung haben. Und zweitens müssen wir auch bei den Amerikanern Wert darauf legen, dass Europa die einzige Partei in diesem Konflikt ist, die etwas machen kann. Und ich glaube, dass Europa auch dort in einer gewissen Weise eine gute Möglichkeit hat. Wir wissen, dass es verschiedene Meinungen innerhalb der Europäischen Union gibt über die Verantwortlichkeit für den Konflikt, aber - -
Meurer: Und was ist Ihre Meinung? Welche Rolle hat Georgien und Saakaschwili beispielsweise gespielt?
Watson: Ich glaube, das was Saakaschwili gemacht hat war eine sehr unweise Aktion. Er hätte auch vorhersehen müssen, was es für eine Reaktion aus Russland geben würde. Aber natürlich können wir es auch nicht annehmen, auch nicht akzeptieren, dass Russland einen Krieg in dieser Region jetzt führt. Ich glaube, wir müssen durch ein Engagement mit Russland klare Linien finden, um eine zukünftige Politik in dieser Region aufzubauen.
Meurer: Es gibt ja verschiedene Einschätzungen über das russische Vorgehen. War es wirklich so unangemessen gegenüber Georgien?
Watson: Ja, es war unangemessen. Man hätte das aber auch sagen können. Es ist immer so mit Russland. Man hat es in der Vergangenheit mit Afghanistan gesehen. Man hat es vor 40 Jahren mit der Tschechoslowakei und dem Prager Frühling gesehen. Russland ist eine solche Kreatur. Aber ich glaube, dass es auch deshalb eine wichtige Rolle für die Europäische Union gibt, um mit Russland durch ein Engagement eine langfristige Lösung für diese Region zu finden.
Meurer: Wenn Sie an Prag 1968 erinnern, halten Sie dann sehr wohl für möglich, dass wir wieder einen Kalten Krieg und ein autoritär-militaristisch auftretendes Russland haben werden?
Watson: Es könnte sein. Ich hoffe nicht. Ich hoffe, dass wir auch unsere neuen Mitgliedsländer der Europäischen Union - und ich verstehe sehr gut ihre Probleme -, ich hoffe, dass wir die baltischen Länder und andere auch in unseren Meinungsumgang bringen können, um zu sehen, dass man sich besser mit Russland engagiert, als einen neuen Kalten Krieg zu führen.
Meurer: Die Balten wollen Sicherheit und ich sage mal keine warmen Worte. Was kann man ihnen anbieten?
Watson: Ich glaube, wir können ihnen viel anbieten. Ich glaube nicht, dass es eine Gefahr gibt, dass Russland etwas gegen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union macht. Ich glaube und ich weiß, dass Moskau es versucht, ab und zu mal durch wirtschaftlichen Druck Eindruck auf die EU zu machen. Aber wir müssen jetzt auch ernst nehmen, wie wichtig es ist, eine Außenpolitik für die Europäische Union auszubauen. Und Sarkozy sieht das jetzt. Ich hoffe, Gordon Brown wird das jetzt auch als wichtiger annehmen.
Meurer: Wie ehrlich ist Europa in dieser Situation? Welche Rolle spielen zum Beispiel die eigenen Energieinteressen in dieser Krise?
Watson: Energieinteressen und wirtschaftliche Interessen spielen immer eine Rolle. Ich glaube aber, dass wir jetzt keinen Anlass mehr haben zu sagen, Europa, europäische Mitgliedsstaaten haben alle ihre individuellen Interessen. Wir haben sie nicht mehr; wir haben ein Interesse und das ist, dass wir Frieden mit Russland haben, dass wir gute wirtschaftliche Beziehungen haben und dass es für die Völker der kaukasischen Länder eine Möglichkeit gibt, eine bessere Zukunft zu sehen. Deshalb insistiere ich darauf, dass wir Engagement mit Russland weiterführen müssen.
Meurer: Die britische Regierung favorisiert einen NATO-Beitritt Georgiens. Sind Sie dafür, dass Georgien jetzt in den so genannten "Membership Action Plan", also in das Vorbereitungsprogramm aufgenommen wird?
Watson: Ich glaube, dass wir allmählich auf dieser Straße weitergehen müssen. Das heißt wir wissen, dass die Russen immer dagegen gewesen sind. Wenn wir versuchen, Georgien rasch in das westliche Lager zu bringen, dann könnten wir größere Spannungen zwischen Europa und Russland schaffen. Ich glaube und ich bin auch der Meinung, dass auf Dauer Georgien eine Zukunft innerhalb der NATO hat. Aber wir müssen auch mit Russland eine große Debatte darüber führen, was die Sicherheitszukunftsmaßnahmen sind. Wir wissen, dass dieser Militär-Raketenschild, den die Amerikaner aufbauen, für Russland ein großes Problem gewesen ist. Wenn wir zum Beispiel die Hilfe Russlands in den Vereinbarungen mit Iran und mit anderen Ländern brauchen, dann müssen wir auch besser mit Russland darüber sprechen.
Meurer: Graham Watson, britischer Europaabgeordneter, Vorsitzender der Allianz der Liberalen und Demokraten im Europaparlament. Ich bedanke mich, Herr Watson. Schöne Grüße nach Brüssel und auf Wiederhören.
Watson: Danke sehr. Auf Wiederhören.
Graham Watson: Guten Morgen.
Meurer: Vielleicht zunächst die Frage: was würde es bedeuten, wenn der russische Staatspräsident Medwedew die Resolution unterschreibt und Süd-Ossetien und Abchasien für unabhängig erklärt?
Watson: Ich finde, das würde nichts helfen. Natürlich kann man nicht eine Balkanisierung Europas vorsehen. Wir müssen ein Abkommen finden und ich glaube, dass dieser Sechs-Punkte-Plan zur Beilegung der Feindseligkeiten uns eine Basis dafür gibt. Wenn wir versuchen, neue Staaten zu schaffen, wird es niemand helfen und auch nicht Russland, und ich glaube, die wissen das. Nur was jetzt geschehen ist, dass hier in der Tat ein neuer Kalter Krieg zwischen Russland und Amerika anfängt, auch wegen der Wahlcampagne in Amerika. Und ich finde, dass die Amerikaner in der Tat sehr unhilfreich gewesen sind, um Georgien den Mut zu geben, eine solche Strategie anzunehmen.
Meurer: Warum kritisieren Sie die USA?
Watson: Ich finde, McCain ist alt genug. Er sollte sich daran erinnern, dass wir nur durch ein Engagement mit Russland Fortschritte machen können. Das haben wir Europäer in den 70er und 80er Jahren gesehen, als wir zum Beispiel durch den Helsinki-Prozess und dann, als nachher Reagan und Gorbatschow sich vereinbart haben, gesehen haben, dass man nur so mit Russland weiterkommen kann.
Meurer: Das Lager von McCain sagt aber, die Europäer reagieren zu weich. Man muss auch den Russen einfach ein Stoppschild aufstellen.
Watson: Ich weiß nicht, was McCain da will. Will er, dass wir einen neuen Krieg in Georgien haben? Wir haben schon Krieg in Afghanistan, wir haben schon Krieg in Irak. Man kann nicht Krieg auf drei Fronten machen. Nein! Was hier geschehen ist, war durchaus vorhersehbar und auch die Reaktion Russlands. Aber ich gebe einen Kredit an Sarkozy, dass er so schnell reagiert hat, dass er diesen Sechs-Punkte-Plan zur Beilegung der Feindseligkeiten gemacht hat, und ich hoffe, wir werden nächste Woche im Europaparlament eine Debatte voraussichtlich mit Sarkozy führen, was Europa jetzt tun kann.
Es sind meiner Meinung nach zwei Sachen sehr wichtig. Die erste ist, dass wir Hilfe für das vom Krieg erschütterte Land Georgien organisieren. Da sind immer noch 150.000 Leute, die im Moment keine Hoffnung haben. Und zweitens müssen wir auch bei den Amerikanern Wert darauf legen, dass Europa die einzige Partei in diesem Konflikt ist, die etwas machen kann. Und ich glaube, dass Europa auch dort in einer gewissen Weise eine gute Möglichkeit hat. Wir wissen, dass es verschiedene Meinungen innerhalb der Europäischen Union gibt über die Verantwortlichkeit für den Konflikt, aber - -
Meurer: Und was ist Ihre Meinung? Welche Rolle hat Georgien und Saakaschwili beispielsweise gespielt?
Watson: Ich glaube, das was Saakaschwili gemacht hat war eine sehr unweise Aktion. Er hätte auch vorhersehen müssen, was es für eine Reaktion aus Russland geben würde. Aber natürlich können wir es auch nicht annehmen, auch nicht akzeptieren, dass Russland einen Krieg in dieser Region jetzt führt. Ich glaube, wir müssen durch ein Engagement mit Russland klare Linien finden, um eine zukünftige Politik in dieser Region aufzubauen.
Meurer: Es gibt ja verschiedene Einschätzungen über das russische Vorgehen. War es wirklich so unangemessen gegenüber Georgien?
Watson: Ja, es war unangemessen. Man hätte das aber auch sagen können. Es ist immer so mit Russland. Man hat es in der Vergangenheit mit Afghanistan gesehen. Man hat es vor 40 Jahren mit der Tschechoslowakei und dem Prager Frühling gesehen. Russland ist eine solche Kreatur. Aber ich glaube, dass es auch deshalb eine wichtige Rolle für die Europäische Union gibt, um mit Russland durch ein Engagement eine langfristige Lösung für diese Region zu finden.
Meurer: Wenn Sie an Prag 1968 erinnern, halten Sie dann sehr wohl für möglich, dass wir wieder einen Kalten Krieg und ein autoritär-militaristisch auftretendes Russland haben werden?
Watson: Es könnte sein. Ich hoffe nicht. Ich hoffe, dass wir auch unsere neuen Mitgliedsländer der Europäischen Union - und ich verstehe sehr gut ihre Probleme -, ich hoffe, dass wir die baltischen Länder und andere auch in unseren Meinungsumgang bringen können, um zu sehen, dass man sich besser mit Russland engagiert, als einen neuen Kalten Krieg zu führen.
Meurer: Die Balten wollen Sicherheit und ich sage mal keine warmen Worte. Was kann man ihnen anbieten?
Watson: Ich glaube, wir können ihnen viel anbieten. Ich glaube nicht, dass es eine Gefahr gibt, dass Russland etwas gegen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union macht. Ich glaube und ich weiß, dass Moskau es versucht, ab und zu mal durch wirtschaftlichen Druck Eindruck auf die EU zu machen. Aber wir müssen jetzt auch ernst nehmen, wie wichtig es ist, eine Außenpolitik für die Europäische Union auszubauen. Und Sarkozy sieht das jetzt. Ich hoffe, Gordon Brown wird das jetzt auch als wichtiger annehmen.
Meurer: Wie ehrlich ist Europa in dieser Situation? Welche Rolle spielen zum Beispiel die eigenen Energieinteressen in dieser Krise?
Watson: Energieinteressen und wirtschaftliche Interessen spielen immer eine Rolle. Ich glaube aber, dass wir jetzt keinen Anlass mehr haben zu sagen, Europa, europäische Mitgliedsstaaten haben alle ihre individuellen Interessen. Wir haben sie nicht mehr; wir haben ein Interesse und das ist, dass wir Frieden mit Russland haben, dass wir gute wirtschaftliche Beziehungen haben und dass es für die Völker der kaukasischen Länder eine Möglichkeit gibt, eine bessere Zukunft zu sehen. Deshalb insistiere ich darauf, dass wir Engagement mit Russland weiterführen müssen.
Meurer: Die britische Regierung favorisiert einen NATO-Beitritt Georgiens. Sind Sie dafür, dass Georgien jetzt in den so genannten "Membership Action Plan", also in das Vorbereitungsprogramm aufgenommen wird?
Watson: Ich glaube, dass wir allmählich auf dieser Straße weitergehen müssen. Das heißt wir wissen, dass die Russen immer dagegen gewesen sind. Wenn wir versuchen, Georgien rasch in das westliche Lager zu bringen, dann könnten wir größere Spannungen zwischen Europa und Russland schaffen. Ich glaube und ich bin auch der Meinung, dass auf Dauer Georgien eine Zukunft innerhalb der NATO hat. Aber wir müssen auch mit Russland eine große Debatte darüber führen, was die Sicherheitszukunftsmaßnahmen sind. Wir wissen, dass dieser Militär-Raketenschild, den die Amerikaner aufbauen, für Russland ein großes Problem gewesen ist. Wenn wir zum Beispiel die Hilfe Russlands in den Vereinbarungen mit Iran und mit anderen Ländern brauchen, dann müssen wir auch besser mit Russland darüber sprechen.
Meurer: Graham Watson, britischer Europaabgeordneter, Vorsitzender der Allianz der Liberalen und Demokraten im Europaparlament. Ich bedanke mich, Herr Watson. Schöne Grüße nach Brüssel und auf Wiederhören.
Watson: Danke sehr. Auf Wiederhören.