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Europas jüngstes Kind

Ob in der Entwicklungshilfe, beim Umweltschutz oder in Klimafragen: Die Europäer sprechen bei außenpolitischen Themen selten mit einer Stimme. Das soll sich durch den neuen Europäischen Diplomatischen Dienst ändern.

Von Doris Simon | 26.03.2010
    Es ist ein Ungleichgewicht, das größer kaum sein könnte: Wirtschaftlich ist die europäische Union eine Weltmacht, an der niemand vorbei kommt. Auf der außenpolitischen Bühne spielen die Europäer dagegen nur die zweite, oft auch nur die dritte Geige. Ob in der Entwicklungshilfe, beim Umweltschutz oder in Klimafragen: Die Europäer zahlen, aber was sie sagen, wird kaum ernst genommen. Das wurde zuletzt beim Klimagipfel in Kopenhagen deutlich: Europa hatte die besten Absichten, aber kein Gewicht, sie durchzusetzen. Es bleibt noch viel zu tun, warnt der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok:

    "Wenn man sich heute internationale Konferenzen ansieht, in welcher Weise die von den Chinesen dominiert werden, und die Europäer wie Gartenzwerge da durcheinander laufen und jeder für sich Pressekonferenzen macht aber keinen Einfluss hat, dann ist das ein Zeichen, dass es kurz vor 12 ist, wenn man in einer sich verändernden Welt als Europäer nicht den Anschluss verpassen will."

    Die Ursachen liegen auf der Hand. In Sonntagsreden heißt es regelmäßig aus allen 27 Hauptstädten, die EU brauche endlich eine einheitliche Außenpolitik. Am Montag sieht es dann wieder anders aus. In der Tagespolitik dominieren die nationalen Interessen. Niemand will Macht abgeben und deshalb arbeiten die Regierungen seit Jahrzehnten an einer Stärkung der europäischen Außenpolitik, die sie danach dann gleich wieder schwächen. Vor gut zehn Jahren haben die Regierungen den Spanier Javier Solana als Hohen Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik der EU eingesetzt. Im Grunde war der Mann nichts anderes als der europäische Außenminister, aber er durfte nicht so heißen, weil das den Briten zu weit ging.

    Noch schlimmer für sein Image und seine Durchsetzungskraft aber war, dass der außenpolitische Posten nicht in der EU-Kommission eingerichtet wurde, wo Solana die nötigen Mittel und auch die Strukturen vorgefunden hätte. Der Hohe Repräsentant wurde beim europäischen Ministerrat angesiedelt, wo sich die Außenminister der Mitgliedsstaaten regelmäßig treffen und ihn deshalb besser an der Leine halten konnten. Noch einmal der Europaabgeordnete Elmar Brok:
    "Wir hatten bisher eine Außenkommissarin, die hatte Geld und Apparat, und wir hatten einen Hohen Beauftragten, der hatte das Recht zu verhandeln, aber kein Geld und keinen Apparat. Und den Vorsitz im Außenministerates, der in wichtigen Fragen Entscheidung trifft, der wechselte alle halbe Jahr."

    Jetzt, zehn Jahre später soll die Europäische Außenpolitik endlich zusammengeführt werden, mit einer Europäischen Außenministerin, die sich auf einen starken diplomatischen Apparat stützen kann. Bundesaußenminister Guido Westerwelle:

    "Das ist das Kernanliegen, die Zersplitterung der Außenpolitik; wie wir es aus der Vergangenheit kannten und kennen, das soll überwunden werden, deshalb brauchen wir einen Europäischen Auswärtigen Dienst, der auch wirklich einsatzfähig ist. Das heißt, dass er auch klare Zuständigkeitsstrukturen braucht und dementsprechend auch klare Verantwortlichkeiten. Wir wollen einen Auswärtigen Dienst, der kein zahnloser Tiger ist, sondern wirklich Europa in der Welt vertritt."

    Auch die EU-Außenministerin selber hat sich und ihrem Dienst hohe Ziele gesteckt. Catherine Ashton:
    "Ich beschreibe es einfach so: Wir wollen ein sicheres, stabiles Europa, und deshalb haben wir eine Rolle, zu einer sicheren, stabilen und prosperierenden Welt beizutragen. Es geht darum, diese Gedanken in die Wirklichkeit des Dienstes umzusetzen, der im Laufe der nächsten Jahre aufgebaut wird. Ich hoffe, dass wir alle in der EU darauf stolz sein werden.""

    Doch vor dem Stolz auf das neue Kind kommen die Geburtswehen.
    Dass die EU-Außenministerin offiziell weiterhin nur "Hohe Vertreterin" heißt, sagt viel darüber, wie schwer sich einige Mitgliedsländer tun, in der Außenpolitik Zuständigkeiten klar nach Brüssel zu delegieren, wie groß die Angst mancher Außenminister ist, überflüssig zu werden. Auch die Zuordnung ist alles andere als klar. Zwar haben die Regierungen beschlossen, dass Lady Ashton auch Vizepräsidentin der Europäischen Kommission sein und damit Zugang zu den nötigen Mitteln haben wird. Außerdem ist sie dadurch in die Entscheidungen über europäische Entwicklungshilfe, über Energie-, Handels- und Nachbarschaftspolitik eingebunden, was für ihr Amt wichtig ist. Doch gleichzeitig bleibt die Außenministerin an den Ministerrat angebunden, also unter direkter Kontrolle der nationalen Außenminister. Mit anderen Worten: Catherine Ashton soll einen diplomatischen Apparat aufbauen, bei dem noch nicht ganz klar ist, was er leisten soll, wessen Kompetenzen er übernehmen soll und wem er verantwortlich ist. Seit Monaten ist deshalb ein Tauziehen im Gange – mit der EU-Außenministerin als Tau, wie es der FDP-Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff formuliert.

    "Das große Problem besteht darin, dass die Institutionen aus denen dieser auswärtige Dienst aufgebaut werden soll, natürlich weiterhin eigene Interessen haben und die auch vertreten, das gilt für die Europäische Kommission, und das gilt auch für den Rat und das Ratssekretariat. Man will halt ungern einer neuen Institution Macht abgeben, und das zeigt sich dann darin, dass alle sich schwierig verhalten, und Lady Aston steht in der Mitte und versucht irgendwas daraus zu konstruieren."

    Catherine Margaret Ashton, seit 11 Jahren als Baroness Ashton of Upholland im britischen Adelsstand, war bis zu ihrer Ernennung durch die Staats- und Regierungschefs international nur als EU-Handelskommissarin in Erscheinung getreten, und auch das gerade mal ein Jahr lang. Das merkte man Ashtons ersten Auftritten auch deutlich an. Andererseits verfügt die Britin über Erfahrungen im Verhandeln, und Durchsetzungsvermögen hat sie eindrucksvoll bewiesen, als sie das widerstrebende britische Oberhaus überzeugte, dem Lissabonner Vertrag zuzustimmen. Selbst Brüsseler Kritiker räumen ein, dass Catherine Ashton sehr schnell lernt.

    Es bleibt ihr auch wenig anderes übrig: Parallel zum internationalen Tagesgeschäft muss Ashton einen Europäischen Auswärtigen Dienst aufbauen. Sie muss mit dem EAD einer neuen europäischen Institution Struktur und Raum geben, einem völlig neuen Apparat. Der finnische Außenminister Alexander Stubb:

    "Das institutionelle Gleichgewicht in der EU hat sich verändert. Und es gibt viele Beamte in den 27 Hauptstädten, in den Institutionen in Brüssel und genauso viele Politiker, uns Außenminister eingeschlossen, die das noch nicht begriffen und den Tatsachen ins Auge geschaut haben. Genau das sollten wir aber tun."

    Nicht nur die Mitgliedsstaaten, auch die Europäische Kommission arbeitet fieberhaft daran, sich Macht und Einfluss zu sichern. Kommissionspräsident Barroso hat deshalb vorsorglich Zuständigkeiten so umgeschichtet, dass sie vollständig in seinem Haus bleiben. Die milliardenschwere Nachbarschaftspolitik für die Staaten im Osten und Süden der EU betreut nun der Kommissar für Erweiterung. Die Energieaußenpolitik hat der neue Energiekommissar Günter Öttinger zugeschlagen bekommen. EU-Außenministerin Ashton hat dies klaglos akzeptiert, zur Enttäuschung mancher Beobachter.

    "Ich denke, es ist gut, dass ein Kommissar dafür die Verantwortung übernehmen soll, der versuchen wird, sehr viel mehr vor Ort zu sein, als ich das könnte. Ich versuche so ehrgeizig zu sein, wie ich nur kann, aber ich muss auch sehen, was ich mir realistisch zumuten kann."

    Die EU-Außenministerin wird ohnehin viel Rücksprache halten müssen mit ihren Kommissarskollegen: Schließlich werden Themen wie Klimawandel, Energiesicherheit, Umwelt international immer wichtiger. Die EU-Außenministerin ist zwar für die Strategie in der Außenpolitik verantwortlich. Doch zuständig für die Umsetzung bleiben in weiten Bereichen innerhalb der EU die Fachkommissare, sie und nicht der Auswärtige Dienst verfügen zudem über Geld.

    Heftig hat die EU-Außenministerin, unterstützt von den Mitgliedsländern, mit der EU-Kommission darum gerungen, wie die Entwicklungshilfe zusammengebracht wird mit der traditionellen diplomatischen Außenpolitik. Anders als in der Nachbarschaftspolitik will Ashton die Vergabe der Entwicklungshilfe-Milliarden nicht der Europäischen Kommission allein überlassen: Sie fordert für den EAD die finanzielle Planungshoheit für fast alle großen Entwicklungsfonds.

    "Ich bin dafür, Entwicklungspolitik da zu halten, wo sie hingehört – im Herzen des Europäischen Auswärtigen Dienstes. Ich schlage vor, dass wir Länderreferate einrichten, die die ganze Welt abdecken. es gibt keinen Grund, warum Beziehungen zu einigen Ländern anders geführt werden sollten als mit anderen. Die Länderreferate werden der EU-Kommission ganz sicher keine Kompetenzen wegnehmen, die werden weiterhin in dem zuständigen Dienste verbleiben. Mit den Länderreferaten können wir uns aber den strategischen Überblick verschaffen."

    Ein weiterer Konflikt hat sich an den Auslandsvertretungen der EU in aller Welt entzündet. Die EU-Kommission unterhält bislang in 130 Ländern sogenannte Delegationen. Im Rahmen des Europäischen Auswärtigen Dienstes sollen aus diesen Büros politisch ausgerichtete EU-Botschaften werden. Die Mitgliedsstaaten und EU-Kommission streiten nun darüber, wer die Botschafter ernennen darf und wer wem weisungsbefugt ist. Denn die EU-Kommission möchte, dass sie einzelnen Delegationsmitarbeitern auch künftig Anweisungen geben kann. Bundesaußenminister Guido Westerwelle hält das für Unsinn:

    "Wenn man das Ganze mal herunterbricht auf die auswärtigen Dienste der Mitgliedsstaaten, so stellt man fest, dass es nirgendwo einen Auswärtigen Dienst bei den Mitgliedstaaten gibt, wo gewissermaßen die Vertretungen des Landes im Ausland mit verschiedenen Weisungssträngen ausgestattet sind. Es muss einer sagen, wo es langgeht, und das ist hier die Hohe Vertreterin und sie wollen wir auch institutionell stärken."

    Doch das mit dem Stärken ist relativ: auch unter den Außenministern gibt es erhebliche Verlustängste. Bisher dominierten die 27 die europäische Außenpolitik. Wenn es der ersten Amtschefin Ashton gelingt, die Kapazitäten der unterschiedlichen EU-Institutionen erfolgreich zusammenzuführen, wird der Europäische Auswärtige Dienst zu einer Konzentration außenpolitischer Fähigkeiten in Brüssel führen. Die bisher nebeneinander und teilweise gegeneinander operierenden Beamten werden das Rückgrat des neuen diplomatischen Dienstes bilden. 8000 Mitarbeiter könnte der EAD eines Tages haben. Fortbildungen, ein einheitliches Beamtenstatut und gleiche Beförderungschancen sollen bei den Mitarbeitern unterschiedlicher Herkunft und Sozialisierung Corpsgeist entstehen lassen und damit die neue Institution stärken. Nicht alle Minister sehen das so gelassen wie Finnlands Außenminister Stubb.

    "Ich würde nicht sagen, dass der neue Dienst mir oder den Mitgliedsstaaten Macht wegnimmt. Wir versuchen, Souveränität auf höherer EU-Ebene zusammenzuführen. Tatsächlich ist die Stimme der Eu in der Welt heute ziemlich schwach, wir sehen, wie andere Staaten mächtig sind und werden. Und mit allem Respekt: Deutschland ist ein großes Land, aber nicht zu vergleichen mit China und Indien. Frankreich ist ebenfalls ein großer Staat, aber nicht mit den Vereinigten Staaten zu vergleichen. Deshalb wollen wir eine gemeinsame Stimme, da geht es nicht um den Verlust von Macht, sondern darum, Macht anders widerzuspiegeln."

    Selbst die anfangs widerspenstige britische Regierung geht inzwischen offensichtlich davon aus, dass sich der Europäische Auswärtige Dienst Respekt und Einfluss in der Welt verschaffen wird. Jedenfalls hat Großbritannien so viele britische Beamte an Schlüsselstellen rund um EU-Außenministerin Ashton platziert, dass andere Außenminister bereits protestierten. Auch Frankreich versucht mit Hilfe französischer Beamter Einfluss zu nehmen. Paris möchte den neuen Auswärtigen Dienst der EU an den eigenen Vorstellungen einer Außen- und Sicherheitspolitik ausrichten. Ein erster Erfolg war dabei die Schwächung der zivilen Planungskapazitäten, die mit den militärischen zusammengelegt wurden. Französische Beamtinnen rutschten auf Spitzenpositionen, ein ausgewiesener finnischer Experte für zivile Fähigkeiten wurde abgeschoben. Martin Schulz, Fraktionschef der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament:

    "Frau Ashton hat keinen eigenen Apparat. Sie ist zunächst einmal auf den Apparat der Kommission des Rates angewiesen, das bringt sie in eine gewisse Abhängigkeit von Leuten, die knochenhart, die Mitgliedsstaaten teilweise brutal, ihre Personal- und politischen Interessen durchdrücken wollen."

    Das Europäische Parlament ist im Streit um den Aufbau des Diplomatischen Dienstes ein Machtfaktor, was viele Mitgliedstaaten mit großem Missfallen in diesen Wochen feststellen. Vor allem dann, wenn Europaabgeordnete wie der Liberale Fraktionsvorsitzende Guy Verhofstadt und der CDU-Parlamentarier Elmar Brok mit breiter Unterstützung aus anderen Parteien selber ein Organigramm für den EAD vorlegen. In diesem gibt es keinen mächtigen beamteten Generalsekretär, bei dem alle Stränge zusammenlaufen, sondern eine breite politische Vertretung, zu der auch drei Kommissare gehören. Die Beamten und Abteilungen aus den unterschiedlichen EU-Institutionen wären komplett im Dienst integriert. Vor allem unterlägen sie alle denselben Berichts-, Weisungs- und Kontrollsträngen, betont der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok:

    "Wir dürfen nicht Gemeinschaftspolitik wieder in die Hände der Regierungen geben, indirekt über einen solchen Dienst. Und wir müssen als Parlament dafür sorgen, dass dieser ganze Dienst demokratisch legitimiert und kontrolliert ist. Budgetrecht, politisches Kontrollrecht, wenn Missionen und Vertragsverhandlungen entschieden werden, wollen wir konsultiert werden, vorher. Denn wir müssen anschließend entscheiden, ob es Geld gibt oder ob Verträge ratifiziert werden."

    Starker Tobak für viele Mitgliedsregierungen, die finden, das Europäische Parlament solle sich in Fragen der Außenpolitik gefälligst raushalten. Doch das Europaparlament ist quer durch alle Fraktionen entschlossen, seinen Einfluss geltend zu machen. Notfalls werde man später bei der Abstimmung über den Haushalt oder das Personalstatut den Aufbau des Auswärtigen Dienstes blockieren.

    Aber die 27 EU-Staaten sind sich auch untereinander nicht alle grün. Rund um Österreich hat sich eine Koalition der kleinen und mittleren Länder zusammengefunden, die energisch auf eine gerechte Verteilung der neuen Posten drängt. Diese Mitgliedsstaaten fürchten, Großbritannien, Frankreich und Deutschland würden sonst den Europäischen Auswärtigen Dienst beherrschen. Denn gerade für die kleineren Länder, die anders als die großen Drei nicht überall auf der Welt eigene Botschaften haben, ist es entscheidend, dass sie im EAD vertreten sind, damit sie sich auch von ihm vertreten fühlen. Dabei sehen die meisten grundsätzlich den Auswärtigen Dienst als große Chancen: Was Litauen und Malta wollen, spielt international keine Rolle, aber als Teil einer Europäischen Union mit 500 Millionen Einwohnern und einem starken Auswärtigen Dienst können sie Einfluss nehmen. Darauf setzt auch der finnische Außenminister Alexander Stubb:

    "Wir haben 98 verschiedene Vertretungen, aber es ist für uns unmöglich, überall vor Ort zu sein. Ich erwarte mir vom EAD sehr viel mehr Berichte aus der gesamten Welt, denn die EU wird über 13o Botschaften verfügen. Wenn ich meine Möglichkeiten geschickt nutze, dann kann ich hoffentlich unsere gemeinsame europäische Position beeinflussen. Da kann Finnland als ein kleines Land sehr von profitieren."

    Viele kleine und mittlere EU-Länder würden gerne auch von den EU-Botschaften in aller Welt profitieren. Diese könnten Konsulardienste für alle EU-Bürger anbieten und damit die Mitgliedsländer, die darauf zurückgreifen wollen, finanziell entlasten. Sinnvoll findet das die grüne Europaabgeordnete Franziska Brantner:

    "Wo das ganz praktisch der Fall sein könnte, ist bei den Konsularaufgaben. Deutschland muss nicht in jedem Land der Welt ein Konsulat haben, sondern es kann auch mal übergehen auf ein europäisches Konsulat, wir haben gemeinsame Asylanträge, Visa-Regelungen, warum kann das nicht ein gemeinsames Konsulat dann machen. Da sag ich mal ganz pragmatische Möglichkeiten auch Einsparungen zu erzielen."

    Doch London lehnt den Konsulardienst kategorisch ab. In Großbritannien wird im Mai gewählt, und schon jetzt macht die Opposition Schlagzeilen damit, Europa wolle die britischen Botschaften abschaffen, Briten müssten dann im Ausland bei Spaniern oder Italienern um Hilfe bitten. Das ist zwar frei erfunden, zeigt bei den Umfragen aber Wirkung. Die britischen Wahlen sind auch der Hauptgrund für die Eile bei der Einigung auf eine Struktur des Auswärtigen Dienstes. Denn ob die britischen Konservativen nach einem Wahlsieg einem Europäischen Auswärtigen Dienst zustimmen, ist mehr als fraglich. Deshalb sollen vorher noch schnell die Grundlinien des Auswärtigen Dienstes fest gezurrt werden.

    Auch Deutschland hat dabei besondere Interessen. Bundesaußenminister Guido Westerwelle hat in der letzten Woche einen Brief an Ashton geschrieben, in dem er die sehr geehrte Frau Kollegin wissen lässt, dass Bundestag und Bundesrat besonderen Wert auf die Stellung der deutschen Sprache in der Europäischen Union legten, insbesondere im Auswärtigen Dienst.

    "Deutsch ist die am meisten gesprochene Muttersprache in Europa, und es gibt gar keinen Grund, dass man die deutsche Sprache vergisst, vernachlässigt, oder zulässt, dass sie im Täglichen verlorengeht. Die deutsche Sprache muss eine offizielle Sprache in Europa bleiben."

    Die Stimme Europas in der Welt wird voraussichtlich trotzdem öfter französisch und englisch sprechen. In Brüssel geht man davon aus, dass Westerwelles Einsatz für die deutsche Sprache vor allem dazu dient, Forderungen nach interessanten Posten für deutsche Beamte mehr Nachdruck zu verleihen.

    Angesichts der nationalen Wünsche und Besorgnisse und des institutionellen Streits um den Aufbau des Auswärtigen Dienstes fällt es nicht leicht, sich vorzustellen, dass Europa künftig wirklich geeinter auf der internationalen Bühne auftritt. Der FDP-Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff:

    "Es ist wichtig, dass wir den Schritt gehen hin zu einem Europäischen Auswärtigen Dienst, der versucht, dass die Europäer sich gemeinsam aufstellen in der sich entwickelnden Ordnung des 21. Jahrhunderts ist ganz sicher richtig. Der EAD ist auf diesem Weg nur ein kleiner Schritt. Nach wie vor haben wir das Einstimmigkeitserfordernis im Rat, das heißt, jeder Mitgliedstaat kann alles blockieren, wir sind also noch lange nicht so weit, wie wir sein müssten. Ich habe immer gesagt, dass diese institutionellen Vorkehrungen, die wir jetzt mit dem EAD und der Hohen Vertreterin schaffen, alleine nicht ausreichend sind, um schon einen gemeinsamen politischen Willen zu erzeugen. Nur: Hätten wir diesen Dienst nicht, würde alles weitergehen wie bisher. Wenn wir Fortschritte in Nuancen erzielen, dann sind es immer noch Fortschritte."

    Ähnlich sieht es auch der finnische Außenminister Alexander Stubb. Wer die Europäische Union begreifen wolle, meint er, der müsse in langen Zeiträumen denken.

    ""Erinnern sie sich einmal an 1957. Wer hätte damals gedacht, dass die Gründerstaaten unserer Gemeinschaft in der Lage sein würden, eine gemeinsame Handelspolitik zu begründen? Jeder dachte: die Handelsinteressen Deutschlands sind doch völlig anders als die von Frankreich? Wie sollte das gehen? Es ist dieselbe Philosophie: Nichts ist möglich ohne den Menschen, nichts hat Bestand ohne Institutionen, so hat es Jean Monnet gesagt. Und in der Tat ist der Auswärtige Dienst der EU eine neue Institution. Geben wir also Catherine Ashton Zeit, lassen wir sie ihr Team zusammenzustellen, geben wir ihr die notwendigen Ressourcen und fangen wir an, mit einer Stimme zu sprechen. Machen wir weiter mit Kakophonie, wird uns niemand zuhören.”"