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Europas leidenschaftlichster Europäer

Europa schwankt zwischen Skepsis und Bewunderung gegenüber dem deutsch-französischen Führungskurs in der Eurokrise. Besonders Deutschland polarisiert, und dort neben Kanzlerin Merkel der Finanzminister, der unermüdlich für ein starkes Europa wirbt.

Von Marc-Christoph Wagner |
    Der Festsaal der Kopenhagener Universität war bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Erwartungen an den deutschen Finanzminister hoch:

    "Ich bewundere, wie Deutschland in der Eurokrise reagiert hat und wie die Bürger all diese Rettungsmaßnahmen mittragen. Den eigenen Wählern zu vermitteln, dass man so viel Geld für andere Länder bereitstellt, ist eine schwierige Sache. Die deutsche Politik hat sehr verantwortlich gehandelt."

    "Ich hoffe, dass er die deutsche Europapolitik näher erklärt und ob die Bürger diesen Kurs auf Dauer mittragen."

    "Ich möchte gerne hören, wie er das Wachstum ankurbeln möchte. Aus Berlin hören wir immer nur 'sparen, sparen, sparen'. Der Fiskalpakt ist ein bürgerliches Projekt."

    Und auch der Moderator der Veranstaltung, der außenpolitische Redakteur der linksliberalen Tageszeitung "Politiken", Michael Jarlner, freute sich auf die Diskussion. Er hatte sich vorgenommen, vor allem beim Thema Transaktionssteuer nachzuhaken:

    "Das Lustige ist, dass die Fronten bei diesem Thema auf dem Kopf stehen. Die dänische Mitte-links-Regierung, die eine Besteuerung von Kapital eigentlich begrüßen müsste, ist dagegen. Und die bürgerliche Regierung in Deutschland dafür. Das sollen sie mir erklären und auch aufzeigen, wie eine Alternative zur Transaktionssteuer eigentlich aussehen kann."

    Zunächst aber standen die Gemeinsamkeiten im Zentrum der Diskussion. Schäuble und seine dänische Kollegin Margrethe Vestager attestierten dem Patienten Europa, er befinde sich auf dem Wege der Besserung. Der Bundesfinanzminister – angesprochen auf die aktuellen Unruhen in Spanien – erklärte, warum Deutschland in den vergangenen Monaten einen so rigiden Sparkurs vertreten habe:

    "Mitgliedstaaten, die Probleme haben, müssen diese Probleme bei sich daheim lösen. Natürlich müssen wir sie unterstützen, wie wir es mit Griechenland, Irland und Portugal getan haben, aber diese Hilfe ist an Bedingungen geknüpft: Nicht um diese Staaten zu foltern, zu bestrafen oder um den Lehrmeister zu spielen. Sondern, weil wir die Probleme nicht erfolgreich bekämpfen können, wenn wir sie nicht an der Wurzel packen."

    Vestager, derzeit EU-Ratsvorsitzende, stimmte Schäuble zu, warnte jedoch vor einem Auseinanderbrechen der EU und einem Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten:

    "Gerade jetzt müssen wir dafür sorgen, dass wir als Union der 27 zusammenbleiben, ja, dass die Tür offenbleibt für weitere Länder, die die Aufnahmekriterien erfüllen. Eben das macht uns doch stark: Dass wir trotz unterschiedlicher Sprachen und Kulturen als Gemeinschaft zusammenwachsen auf der Basis gemeinsamer Regeln."

    Einen Gedanken, den Wolfgang Schäuble aufnahm. Auch unter jungen Dänen ist die Euro- und EU-Skepsis groß. Gerade sie versuchte der Bundesfinanzminister von den Vorzügen, ja der Notwendigkeit Europas zu überzeugen:

    "Ich denke, in Europa wächst etwas ganz Neues heran. Natürlich sind die Nationalstaaten nach wie vor wichtig, aber sie haben ihr Monopol verloren, sämtliche Politikbereiche zu regulieren. Souveränität liegt heute auf unterschiedlichen Ebenen – auf der Ebene des Nationalstaates, auf der Ebene Europas, ja einige Fragen müssen sogar auf globaler Ebene reguliert werden."

    Wie zum Beispiel die Transaktionssteuer, jedenfalls, wenn es nach Meinung etwa der dänischen Regierung geht. In dieser Frage jedenfalls gab es gestern Abend keine Annäherung zwischen Schäuble und seiner dänischen Kollegin. Heute wird das Thema einmal mehr im Kreise der EU-Finanzminister diskutiert – kontrovers, wie der Bundesfinanzminister am Ende des gestrigen Abends konstatierte, was seiner guten Laune jedoch scheinbar keinen Abbruch tat:

    "Wir kommen zusammen, um miteinander zu diskutieren. Manchmal haben wir unterschiedliche Meinungen, das kann man dann auch als Streit bezeichnen. Aber wir finden immer gemeinsame Lösungen."