Die Glocken der russisch-orthodoxen Kathedrale von Minsk im historischen Zentrum läuten zum Gebet. Seit der Perestrojka vor 20 Jahren gibt es in Weißrussland immer mehr Gläubige. Bis vor kurzem besuchte auch die
32-jährige Swetlana Sawadskaja jeden Tag den Gottesdienst. Sie betete für die Rückkehr ihres Mannes, des Fernsehjournalisten Dmitrij Sawadskij.
Dmitrij Sawadskij war einst der persönliche Kameramann von Präsident Lukaschenko, bis er 1997 zum russischen Fernsehsender ORT wechselte. Damals war dieser TV- Kanal demokratisch organisiert, und kritisierte Lukaschenko. Bevor Dmitrij seinen Job beim Präsidenten kündigte, hat er Nächte lang kaum geschlafen und viel geraucht, erinnert sich seine Frau:
"Das Einzige, was er mit vor dieser Entscheidung sagte, war: 'Ich werde es nicht verkraften, wenn man mir später ins Gesicht spuckt.' Er verstand, wie schrecklich dieses Regime war, und es war ihm klar: Arbeitet er für diese Leute weiter, misst man ihn später mit demselben Maß wie Lukaschenkos andere Komplizen. Deshalb blieb ihm nur ein Ausweg, zu gehen, egal, wie viel Angst er vor Lukaschenkos Rache hatte."
Dmitrijs Befürchtungen waren begründet. Zunächst bekam er für seine Arbeit in Weißrussland keine Akkreditierung. So war er stets auf Dienstreisen, darunter auch in Tschetschenien, wo er fast ein Jahr verbrachte. Dmitrijs Verschwinden wurde vom Lukaschenko-Regime mit seinem Tschetschenien-Einsatz in Zusammenhang gebracht. Nichts als eine billige Ausrede sei das gewesen, meint Swetlana:
"Er war so oft bei verschiedenen Kriegshandlungen dabei und erzählte mir, wie er und seine Kollegen um ein Haar dem Tod entflohen waren. In Tschetschenien kam er ungeschoren davon. Dmitri verschwand in unserem friedlichen Weißrussland! Ich frage mich: 'Wo eigentlich ist der Krieg?' In unserem Land läuft ein unerklärter Krieg gegen die eigenen Bürger, gegen die Bürger, die eine andere Meinung haben als das Regime."
Nach der mutmaßlichen Entführung Dmitri Sawadskijs wurden auch die Fälle der verschwundenen weißrussischen Oppositionspolitiker zum internationalen Skandal. Ausgelöst haben ihn Dmitrijs Journalistenkollegen. Die Schuld für all diese Verbrecher, behaupten sie, liegt bei den weißrussischen Machthabern – dem Präsident Lukaschenko und seiner Administration.
Inzwischen wurde Dmitrijs angeblicher Entführer gefunden und zu lebenslanger Haft verurteilt. Doch Swetlana Sawadskaja glaubt: Diejenigen, die den Mord an Dmitrij in Auftrag gaben, seien heute noch in Amt und Würden. Die Hoffnung, dass ihr Mann noch am Leben ist, hat die 32-jährige Witwe aufgegeben. Aus Politikerkreisen habe sie so einiges erfahren, auch über die letzten Stunden ihres Mannes:
"Die Regierung befürchtete, Dmitrij würde in seinem neuen Film, 'Tschetschenisches Tagebuch', über den Waffenhandel der weißrussischen Machthaber mit den tschetschenischen Kämpfern berichten. Deshalb ließ die Regierung meinen Mann foltern. Er hat ihnen jedoch nichts gesagt. Es fällt mir schwer, darüber zu sprechen, aber wie ich erfuhr, wurden Dmitrij erst die Augen ausgestochen, und dann die Wirbelsäule gebrochen. Danach blieb seinen Henkern nichts anderes übrig, als ihn zu töten und gleich danach zu begraben."
Seit einiger Zeit geht die junge Witwe nicht mehr zur Kirche, sie betet nur noch bei sich zu Hause. Den Geistlichen kann sie nicht mehr vertrauen:
"Unsere Kirche hat sich stark politisieren lassen, und heute vertritt unser Patriarch Filaret die offizielle Linie des Staates. Ich hätte an unsere Kirche so einige Fragen: Zum Beispiel, ob unser Präsident etwa zum Priester geweiht ist? Wieso stellt er sich sonst so oft mit dem Rücken zum Altar? Warum macht er aus der Kirche eine Tribüne, wenn er zu Weihnachten oder zu Ostern in der Kirche Ansprachen hält? Warum erlauben das ihm unsere Gottesdiener?"
Seit dem Verschwinden ihres Mannes hat sich in Swetlanas Leben einiges verändert. Vor kurzem hat sie eine internationale Stiftung für die Unterstützung freier Journalisten ins Leben gerufen:
"Ich möchte unseren unabhängigen Journalisten moralisch und finanziell helfen, denn sie arbeiten heute unter den Bedingungen eines unerklärten Krieges. Oft verlieren die Journalisten ihre Arbeit, weil Oppositionszeitungen verboten werden. Und man wird danach einfach gezwungen, in die staatlichen Medien zu wechseln. Auch wenn die Journalisten das nicht wollen, tun sie es, weil sie für ihre Familien aufkommen müssen. Meine Stiftung wird diesen Menschen helfen, weiterhin unabhängig zu arbeiten."
Wie wichtig Swetlana Sawadskajas Stiftung für den Erhalt des kritischen Journalismus in Weißrussland ist, verdeutlichten die jüngsten Vorkommnisse von vor einigen Monaten: Wieder kamen zwei Journalisten unter mysteriösen Umständen ums Leben: Veronika Tscherkessowa wurde in ihrer Wohnung bestialisch erstochen, Wassilij Grodnikow, starb angeblich an einem Herzinfarkt.
32-jährige Swetlana Sawadskaja jeden Tag den Gottesdienst. Sie betete für die Rückkehr ihres Mannes, des Fernsehjournalisten Dmitrij Sawadskij.
Dmitrij Sawadskij war einst der persönliche Kameramann von Präsident Lukaschenko, bis er 1997 zum russischen Fernsehsender ORT wechselte. Damals war dieser TV- Kanal demokratisch organisiert, und kritisierte Lukaschenko. Bevor Dmitrij seinen Job beim Präsidenten kündigte, hat er Nächte lang kaum geschlafen und viel geraucht, erinnert sich seine Frau:
"Das Einzige, was er mit vor dieser Entscheidung sagte, war: 'Ich werde es nicht verkraften, wenn man mir später ins Gesicht spuckt.' Er verstand, wie schrecklich dieses Regime war, und es war ihm klar: Arbeitet er für diese Leute weiter, misst man ihn später mit demselben Maß wie Lukaschenkos andere Komplizen. Deshalb blieb ihm nur ein Ausweg, zu gehen, egal, wie viel Angst er vor Lukaschenkos Rache hatte."
Dmitrijs Befürchtungen waren begründet. Zunächst bekam er für seine Arbeit in Weißrussland keine Akkreditierung. So war er stets auf Dienstreisen, darunter auch in Tschetschenien, wo er fast ein Jahr verbrachte. Dmitrijs Verschwinden wurde vom Lukaschenko-Regime mit seinem Tschetschenien-Einsatz in Zusammenhang gebracht. Nichts als eine billige Ausrede sei das gewesen, meint Swetlana:
"Er war so oft bei verschiedenen Kriegshandlungen dabei und erzählte mir, wie er und seine Kollegen um ein Haar dem Tod entflohen waren. In Tschetschenien kam er ungeschoren davon. Dmitri verschwand in unserem friedlichen Weißrussland! Ich frage mich: 'Wo eigentlich ist der Krieg?' In unserem Land läuft ein unerklärter Krieg gegen die eigenen Bürger, gegen die Bürger, die eine andere Meinung haben als das Regime."
Nach der mutmaßlichen Entführung Dmitri Sawadskijs wurden auch die Fälle der verschwundenen weißrussischen Oppositionspolitiker zum internationalen Skandal. Ausgelöst haben ihn Dmitrijs Journalistenkollegen. Die Schuld für all diese Verbrecher, behaupten sie, liegt bei den weißrussischen Machthabern – dem Präsident Lukaschenko und seiner Administration.
Inzwischen wurde Dmitrijs angeblicher Entführer gefunden und zu lebenslanger Haft verurteilt. Doch Swetlana Sawadskaja glaubt: Diejenigen, die den Mord an Dmitrij in Auftrag gaben, seien heute noch in Amt und Würden. Die Hoffnung, dass ihr Mann noch am Leben ist, hat die 32-jährige Witwe aufgegeben. Aus Politikerkreisen habe sie so einiges erfahren, auch über die letzten Stunden ihres Mannes:
"Die Regierung befürchtete, Dmitrij würde in seinem neuen Film, 'Tschetschenisches Tagebuch', über den Waffenhandel der weißrussischen Machthaber mit den tschetschenischen Kämpfern berichten. Deshalb ließ die Regierung meinen Mann foltern. Er hat ihnen jedoch nichts gesagt. Es fällt mir schwer, darüber zu sprechen, aber wie ich erfuhr, wurden Dmitrij erst die Augen ausgestochen, und dann die Wirbelsäule gebrochen. Danach blieb seinen Henkern nichts anderes übrig, als ihn zu töten und gleich danach zu begraben."
Seit einiger Zeit geht die junge Witwe nicht mehr zur Kirche, sie betet nur noch bei sich zu Hause. Den Geistlichen kann sie nicht mehr vertrauen:
"Unsere Kirche hat sich stark politisieren lassen, und heute vertritt unser Patriarch Filaret die offizielle Linie des Staates. Ich hätte an unsere Kirche so einige Fragen: Zum Beispiel, ob unser Präsident etwa zum Priester geweiht ist? Wieso stellt er sich sonst so oft mit dem Rücken zum Altar? Warum macht er aus der Kirche eine Tribüne, wenn er zu Weihnachten oder zu Ostern in der Kirche Ansprachen hält? Warum erlauben das ihm unsere Gottesdiener?"
Seit dem Verschwinden ihres Mannes hat sich in Swetlanas Leben einiges verändert. Vor kurzem hat sie eine internationale Stiftung für die Unterstützung freier Journalisten ins Leben gerufen:
"Ich möchte unseren unabhängigen Journalisten moralisch und finanziell helfen, denn sie arbeiten heute unter den Bedingungen eines unerklärten Krieges. Oft verlieren die Journalisten ihre Arbeit, weil Oppositionszeitungen verboten werden. Und man wird danach einfach gezwungen, in die staatlichen Medien zu wechseln. Auch wenn die Journalisten das nicht wollen, tun sie es, weil sie für ihre Familien aufkommen müssen. Meine Stiftung wird diesen Menschen helfen, weiterhin unabhängig zu arbeiten."
Wie wichtig Swetlana Sawadskajas Stiftung für den Erhalt des kritischen Journalismus in Weißrussland ist, verdeutlichten die jüngsten Vorkommnisse von vor einigen Monaten: Wieder kamen zwei Journalisten unter mysteriösen Umständen ums Leben: Veronika Tscherkessowa wurde in ihrer Wohnung bestialisch erstochen, Wassilij Grodnikow, starb angeblich an einem Herzinfarkt.