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Europaspiele in Baku
"Boykott bringt doch nichts"

Die Europaspiele in Baku sind umstritten. Viele deutsche Athleten nehmen trotzdem teil - denn für einige geht es um die Olympiaqualifikation. Turner Fabian Hambüchen glaubt außerdem: "Wenn wir eine Chance haben, etwas zu bewirken, dann nur, indem wir in das Land reisen."

Von Josef Opfermann | 13.06.2015
    Das deutsche Team bei den Europaspielen in Baku - mit Fabian Hambüchen als Fahnenträger.
    Turner Fabian Hambüchen hat bei der Eröffnung der Europaspiele in Baku die deutsche Fahne getragen. (picture alliance / dpa / Bernd Thissen)
    Frankfurt am Main Flughafen, Mittwochvormittag, Stimmengemurmel. Die Deutschen Athleten stehen am Gate, kurz vor dem Abflug zu den ersten Europaspielen nach Baku, die politisch umstritten sind. Mit dabei ist auch Tischtennisspieler Timo Boll.
    "Wir Sportler können wenig ausrichten. Wir bestreiten dort unsere Wettkämpfe. Es wird auf das Land geschaut und dadurch müssen allgemein auch die Werte immer mehr eingehalten werden, die für uns normal sind. Und von daher ist das auch immer eine Chance für das Land, sich weiter zu öffnen - und auch eine Chance für die Menschen dort."
    Athleten in der Kritik
    Doch die Sportler müssen sich im Vorfeld den Vorwurf gefallen lassen: Sie verstecken sich hinter dem Sport und blenden die Politik aus. Dazu ist auch der sportliche Wert der ersten Europaspiele in Baku umstritten: Sie machen den Sportjahreskalender noch voller als ohnehin schon. Für viele Sportler kommen die Wettkämpfe in Baku noch zusätzlich zu Welt- und Europameisterschaften in diesem Jahr dazu. Für manche, wie Tischtennisspieler Timo Boll, geht es in Aserbaidschan allerdings bereits um ein Ticket für die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro.
    "Das ist einfach ein Prestige und gerade bei uns wird ja auch ein Startplatz für Olympia schon ausgegeben und das ist die größte Motivation."
    Dem großen Ziel Olympische Spiele wird vieles untergeordnet - auch ein umstrittener Austragungsort. Turner Fabian Hambüchen hat für die Spiele in Baku sogar auf seine Teilnahme bei der Turn-EM verzichtet. Er verspricht sich aber vom Auftritt der deutschen Mannschaft einen Ausstrahlungseffekt auf das Land.
    "Wir sind da wegen des Sports primär und andererseits zeigen wir ja genau mit dem Sport, wie es zu gehen hat: Dass es halt auch anders funktioniert, dass wir uns alle gegenseitig akzeptieren und tolerieren - egal aus welcher Nation man kommt. Vielleicht kann man dadurch ja ne Brücke schlagen zur Politik. Also es ist ja nicht ganz abwegig, dass das eine von dem anderen profitieren kann."
    Egal ist Fabian Hambüchen der Austragungsort allerdings nicht: "Du bist zwar in dem Land, aber du kriegst von dem Land nicht wirklich so viel mit. Du bist in deiner eigenen Welt. Aber das heißt ja nicht, dass uns das Land nicht interessiert."
    Im Land ein "Zeichen setzen"
    Trotz der Missstände stand für ihn nicht zur Debatte, nicht zu den Spielen zu reisen: "Boykott bringt doch nichts. Was sollen wir machen? Das bestärkt ja dann nur die Politiker, die haben dann wieder durchbekommen, was sie wollten. Die machen ihren Dreck sowieso weiter wie vorher auch. Was sollen wir da sagen: 'Wir machen den Sport nicht'? Wenn wir ne Chance haben, was zu bewirken, dann nur, indem wir in das Land reisen und zeigen, dass es anders geht."
    Resignation bei den Sportlern, dass sie wenig ausrichten können? Vor Ort bleibt noch die Möglichkeit, durch Solidarisierung mit den politischen Gefangenen ein Zeichen zu setzen, meint Fabian Hambüchen.
    "Ich denke, dass wir uns da unter den Sportlern auch mal zusammensetzen werden und überlegen, ob man in der Hinsicht irgendetwas machen kann."