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Europaspiele in Minsk
Gastgeber ließ sich die Spiele viel Geld kosten

Längst nicht in allen Sportarten waren die Stars nach Minsk zu den 2. Europaspielen gekommen. Viele Ränge in den Stadien blieben leer, vor allem in den Sportarten, die in Belarus nicht populär sind. Ausländische Fans sind nur wenige da. Und doch hat sich das Land die Wettbewerbe einiges kosten lassen.

Von Thielko Grieß | 30.06.2019
Eine durchsichtige Kugel mit dem offiziellen Logo der Europaspiele Minsk 2019. Im Hintergrund ist das Dinamo-Stadion zu sehen.
Vom 21. bis 30. Juni 2019 werden in Minsk in Weißrussland die Europaspiele veranstaltet. (Dirk Waem/BELGA/dpa)
An der Tischtennisplatte spielt einer der wenigen Stars dieser Europäischen Spiele – Timo Boll, der gerade das Halbfinale gegen den Kroaten Tomislav Pucar in fünf Sätzen gewinnt. Diese Spiele in Minsk sind für den Deutschen vor allem das Sprungbrett zu einem weit wichtigeren Turnier. "Ich bin zufrieden, jetzt im Finale zu stehen, die Olympiaqualifikation schon mal in der Tasche zu haben. Das Hauptziel war natürlich dieses Olympiaticket."
Boll lobt die guten Wettkampfbedingungen in Belarus – am Abend gewinnt er auch das Finale. Doch hätte es nicht die sportliche Notwendigkeit gegeben, von Minsk aus nach Tokio zu gelangen, wäre er wohl nicht gekommen. "Und dadurch hat es natürlich eine enorme Wichtigkeit bekommen. Sonst, kann ich mir vorstellen, wie in anderen Sportarten auch, nicht die erste Garde gespielt hätte, um einfach auch mal Ruhe zu bekommen."
Um die Bedeutung der Spiele aufzuwerten, griffen manche Verbände zu einem Kniff: Die Wettkämpfe, zum Beispiel die der Judoka oder der Kanuten, gelten gleichzeitig als Europameisterschaften. Dann kommt auch die erste Garde.
Vor vielen leeren Rängen
Der Zuspruch des Publikums zu den 15 Sportarten hat sich ungleich verteilt. Leichtathletik im 22.000 Zuschauer fassenden Dynamo-Stadion fand in den ersten Tagen vor vielen leeren Rängen statt, die sich erst in der zweiten Hälfte Wettkämpfe füllten. Die belorussischen Fans interessierten sich vorrangig für die Sportarten, die in ihrem Land populär sind, zum Beispiel die Kampfsportarten Ringen, Judo und Karate. Sambo war auf Wunsch der Gastgeber in das Programm aufgenommen worden; Belarus errang allein in diesem Sport 15 Medaillen, davon drei goldene.
Vom Organisationskomitee hieß es Mitte der Woche, von den insgesamt rund 230.000 zum Verkauf stehenden Tickets seien mehr als ein Fünftel noch erhältlich gewesen. Der Anteil der Ausländer unter den Zuschauern dürfte bei zehn Prozent liegen – oder niedriger.
Teure Spiele, neue Anlagen
Dabei hat sich der Gastgeber die Spiele viel Geld kosten lassen. Alexej Bogdanowitsch, Sprecher des Organisationskomitees der Spiele, nennt Zahlen: "Die Summe, die das Finanzministerium vor kurzem hat verlautbaren lassen, beträgt umgerechnet etwa 230 Millionen Euro."
Das allermeiste davon aus Steuermitteln und Krediten. Rechnerisch stehen jedem verkaufen Ticket also Ausgaben von 1.000 Euro gegenüber. Und es gibt Stimmen in Minsk, die diese offiziell genannte Summe für noch zu gering halten. Für das Geld sind das Stadion und etliche andere Sportstätten generalüberholt worden, manches ist neu gebaut worden, etwa die Anlage für Beach-Fußball.
Nach den European Games ist vor der Leichtathletik
In Belarus jedoch finden keine langwierigen Diskussionen statt. Die politische Führung mit Alexander Lukaschenko, der in diesem Sommer auf 25 Jahre Herrschaft zurückblickt, entscheidet allein über die Verwendung von Steuergeld, ohne auf Kritiker Rücksicht nehmen zu müssen. Alexej Bogdanowitsch: "Klar ist, dass einem Land auch die Organisation von Fußballspielen anvertraut werden kann, wenn es so ein globales Projekt erfolgreich realisiert hat. Nach den Europäischen Spielen findet nun bei uns die Leichtathletik-Begegnung USA-Europa statt."
In der Tat präsentiert sich Minsk als sehr gut vorbereitet, das Shuttle-Bus-System funktioniert einwandfrei, rund 8.000 Freiwillige, unbezahlt, weisen den Gästen an allen Wettkampforten freundlich den Weg, tagsüber und abends lockt ein Fan-Fest mit Musik.
Was nicht zu sehen ist
Nicht zu sehen ist: Eine Öffnung zu mehr Demokratie ist unter Präsident Lukaschenko nicht zu erwarten. Oppositionelle werden regelmäßig drangsaliert, auch festgenommen. Freie Wahlen gibt es nicht. Und Belarus ist das einzige Land Europas, das die Todesstrafe weiter vollstreckt. Kurz vor Beginn der Spiele ist Alexander Schilnikow, ein verurteilter Mörder, durch Genickschuss hingerichtet worden.