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Europaweit erster Friedhof für Aleviten in Hamburg
Der Tod mit Ali im Herzen

In Hamburg leben rund 50.000 Aleviten. Nun bekommt die Hansestadt im Stadtteil Bergedorf den europaweit ersten alevitischen Friedhof. Bislang hatte es immer wieder Meinungsverschiedenheiten mit sunnitisch-muslimischen Bestattern gegeben. Denn bei alevitischen Begräbnissen gelten nicht dieselben Regeln wie bei anderen islamischen Bestattungen.

Von Axel Schröder |
    Hunderte Menschen versammeln sich um einer Trauerfeier für Ogur Kurt beizuwohnen. Kurt wurde von einer Polizeikugel getroffen, während er am Vortag eine Bestattung an einem Cemevi-Haus in einem alevitischen Viertel Istanbul besuchte.
    Aleviten bei einer Trauerfeier in Istanbul. (imago/ZUMA Press)
    Ein Plattenweg führt über das von alten, hohen Nadelbäumen eingerahmte Friedhofs-Gelände in Hamburg-Bergedorf. Ein Gärtner wirft Rasensamen auf die Fläche vor einem langgestreckten einstöckigen Bau, den neuerdings die alevitische Gemeinde der Hansestadt nutzen darf.
    Ismail Ceylan ist Vorsitzender der Hamburger Stiftung "Alevitische Gemeinde". Er hat die Verhandlungen mit Stadt und Bezirk geführt, um für die Verstorbenen der Gemeinde und ihre Angehörigen endlich einen Platz zu haben, an dem Beerdigungen nach ihren Vorstellungen möglich sind. Die alevitische Glaubensrichtung ist im 13. Jahrhundert aus dem Islam hervorgegangen. Abgesehen vom Glaubensbekenntnis gibt es bei Aleviten keine strenge Bindung an die sogenannten "fünf Säulen des Islam", etwa an rituelle Waschungen, das Fasten oder eine Pilgerreise nach Mekka. In Hamburg leben rund 50.000 Aleviten. Ismail Ceylan schließt die Tür zum Gedenkraum auf. Sechzig Stühle stehen in dem schlichten Raum, vorn auf einem kleinen Podest sollen während der Trauerfeiern die Särge aufgestellt werden:
    "Wir gehen jetzt in das Gebäude, das wir bekommen haben, übernommen haben für die alevitische Gemeinde und die Stiftung. Es sind hier viele Sachen gemacht worden, weil das Gebäude über fünf, sechs Jahre nicht benutzt worden ist, weil keiner es gepflegt hat und das Bezirksamt auch nicht die Mittel aufwenden konnte, das immer auf Standard zu halten. Das Besondere ist, dass wir keine Himmelausrichtung oder eine Ausrichtung gen Mekka berücksichtigen müssen. Für uns ist jede Richtung gleichwertig. Wir haben da keine starren Regeln, wie wir eine Trauerfeier abzuhalten haben. Sondern es ist sehr viel, ich sag, in Anführungsstrichen, demokratischer, lockerer."
    Keine strengen Riten
    Während der Trauerfeier müssen Frauen und Männer nicht getrennt voneinander sitzen, es darf Musik gespielt werden. - Das kleine Waldstück, in dem Platz für 250 Gräber ist, liegt nicht weit vom Andachtsraum entfernt. Auch hier muss die Rasensaat auf dem flachwelligen Waldboden noch aufgehen. Bislang, erzählt Ismail Ceylan, mussten die Trauernden der alevitischen Gemeinde sich vergleichsweise starren Regeln beugen, erzählt Ismail Ceylan. Entweder fanden Beerdigungen dann in christlichen Kirchen statt. Oder aber in muslimischen Bestattungshäusern.
    "Dort sind wir nicht sehr gern gesehen worden. Wir haben mit Vorurteilen zu kämpfen gehabt. Zum Beispiel müssen unsere Frauen sich nicht verschleiern. Auch bei den Trauerfeiern müssen sie sich ihre Haare nicht verschleiern. Und wenn sie jahrzehntelang in den Herkunftsländern unterdrückt werden und das hier noch weitergeht. Deswegen freut uns das jetzt, dass wir das hier machen können. Dass wir uns nicht verstellen müssen nach anderen Regeln. Sondern nach unseren Regeln, nach unseren Riten. Dann trauert man auch anders. Freier."
    Frau und Mann beim traditionellen Cem
    Beim traditionell alevitischen Cem Ritual treffen sich Frauen und Männer (imago/ZUMA Press)
    Vor sechs Jahren entstand die Idee, nach einem eigenen Friedhof zu suchen, der den Hamburger Aleviten auch durch den Staatsvertrag mit dem Senat zugesagt worden war.
    "Wir sind offiziell seit einem Jahr mit dem Bergedorfer Bezirksamt in Verhandlungen gewesen. Und dann haben wir am 21. Februar dieses Jahres die Vereinbarung unterschrieben. Wir haben hier insgesamt circa 5.000 Quadratmeter. Das haben wir jetzt nicht gekauft und wir haben es nicht geschenkt bekommen, sondern das nutzen wir ganz normal wie alle anderen auf dem Friedhof nach der normalen Friedhof-Gebührenverordung."
    "Win-Win Situation"
    Und die Renovierungsarbeiten an den Räumlichkeiten und die laufenden Betriebskosten übernimmt die Stiftung "Alevitische Gemeinde". Bislang verfielen die Gebäude, für ihre Instandsetzung fehlten die Gelder. Der neue alevitische Friedhof, der erste in Deutschland, sei also eine klassische Win-Win-Situation, freut sich Ismail Ceylan.
    "Wenn sie erfolgreich sind und solche Vereinbarungen treffen können, dann sind sie noch motivierter, sich für die Gesellschaft zu engagieren. Dann profitiert davon glaube ich jeder!"