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Evangelische Kirche mit Nachwuchssorgen

Genau wie Lehrer hatten es auch bislang Pfarrer schwer, das Bundesland bzw. die Landeskirche zu wechseln. Die bisherige Praxis: Wer in einer bestimmten Landeskirche in den Pfarrdienst einsteigen wollte, der müsste dort sein kirchliches Examen ablegen und anschließend das Vikariat ableisten. Der angehende Pfarrer Thorsten Krannich kolportiert die Idealvorstellungen der Thüringischen Landeskirche.

    Jemand stammt aus einem Thüringer Dorf, geht fünf, sechs Jahre nach Jena zum Studium und geht dann auf irgendein Thüringer Dorf zum Vikariat und bleibt dort bis er 65 wird. Dann wird er möglichst im Nachbardorf beerdigt.

    Doch diese Rechnung der thüringischen Landeskirche geht heute nicht mehr auf. Nicht nur die katholische, auch die evangelische Kirche hat zunehmend Nachwuchssorgen. Oberkirchenrat Christhardt Wagner.

    Es gibt eine ganze Reihe von Vakanzen, so dass wir ziemlich gut hoch rechnen können, wie viele Theologie-Studenten wir brauchen. Da ist es zur Zeit noch zu knapp.

    Von Ausnahmen abgesehen geht es allen evangelischen Landeskirchen ähnlich. Die Folge: die bislang strengen Kirchengrenzen werden langsam durchlässig. Wer zum Beispiel im thüringischen Jena studiert und das kirchliche Examen bestanden hat, ist auch in anderen Landeskirchen als Vikar oder Pfarrerin willkommen. Oberkirchenrat Wagner geht davon aus,

    ... dass die Theologenschwemme vorbei ist und dass jetzt wieder der Wettbewerb um die besten Köpfe eingesetzt hat. Und das innerhalb der gesamten EKD.

    Die neue Freizügigkeit freut die Absolventinnen und Absolventen, macht aber den Kirchen in Ostdeutschland Sorgen. Verdient ein Pfarrer in den neuen Länder doch 20 bis 30 Prozent weniger als sein westdeutscher Kollege. In den Landeskirchen geht das Gespenst der Abwanderung um.

    Wir hoffen das nicht. Wir hoffen, dass die thüringer Verbundenheit so stark ist, dass sie bei uns in unseren Kirchen Dienst tun, aber davon abhalten können wir sie nicht.

    Torsten Krannich hat der thüringischen Landeskirche bereits den Rücken gekehrt, er wechselt nach Württemberg ins Vikariat. Ihn lockt allerdings nicht das Geld, er ärgert sich über die Kirchenleitung in Eisenach, die seiner Ansicht nach nicht über den Tellerrand hinausblickt.

    Wenn dann Leute von sich aus Initiative ergreifen, das mal aufzubrechen, dann kriegt man von Eisenach immer einen freundlichen Klatsch auf den Hinterkopf. Das ist ziemlich frustrierend.

    Vielen zukünftigen Pfarrerinnen und Pfarrern geht es ähnlich. Die Kirchenleitung in Thüringen agiere absolut nicht zeitgemäß, so die Kritik. In Zeiten der Globalisierung und eines geeinten Europa schotte die Landeskirche sich ab, anstatt sich zu öffnen.

    Es gab jetzt auch gerade in meinem Semester einige Leute, die nicht in Thüringen ihr Praktikum gemacht haben. Die Landeskirche hat dann gesagt: Das akzeptieren wir nicht und so stur geblieben ist, dass die Leute eben in eine andere Landeskirche gegangen sind.

    Die thüringische Landeskirche könne sich so ein Verhalten überhaupt nicht leisten, meint der angehende Pfarrer Thomas Schlegel - schließlich sei die Lage der Kirchen in Ostdeutschland alles andere als stabil. Nur noch jeder fünfte ist Mitglied einer Kirche - Tendenz sinkend.