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Evolutionäre Anpassung
Nachtfalter mit akustischer Tarnkappe

Schmetterlinge tarnen sich oft als Blätter oder verwirren ihre Fressfeinde mit den großen Augen auf ihren Flügeln. Manche nachtaktive Arten haben ihre Tarnung auch für die Dunkelheit perfektioniert: Die Flügel verstecken sie nicht nur vor den Augen, sondern auch vor den Ohren ihrer Jäger.

Von Anneke Meyer | 28.02.2019
Kohlbaumkaisermotte (Bunaea alcinoe) aus der Familie der Pfauenspinner Sammamish, Washington an African Silk Moth Bunaea alcinoe with oragne hind wing eye spots PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY Copyright: xDarrellxGulinx/xDanitaxDelimont US48 DGU0279 Sammamish Washington to African Silk Moth Bunaea Alcino With oragne Hind Wing Eye Spots PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY Copyright xDarrellxGulinx xDanitaxDelimont US48 DGU0279
Die Flügel der Kohlbaumkaisermotte (Bunaea alcinoe) absorbieren den Ortungsschall von Fledermäusen (Foto: imago stock&people / Darrell Gulin/Danita Delimont)
"Also wir sind jetzt hier im Life Sciences-Gebäude und ich glaube, wir gehen jetzt runter in den Keller, in mein Labor. Und weil ich Akustik mache, mache ich das da, wo es am leisesten ist", sagt Marc Holderied.
Seit mehr als zehn Jahren erforscht der gebürtige Franke an der Universität Bristol Bioakustik - die Töne des Tierreichs. Dabei interessieren ihn besonders solche Tiere, die für unsere Ohren lautlos sind. In seinem Labor zeigt Holderied auf ein Plakat:
"Das ist so eine mikroskopische Aufnahme von einem Hinterflügel eines Nachtfalters und man sieht so ein farbiges Auge darauf, das wirklich ausschaut wie so ein Eulenauge. Normalerweise ist der Vorderflügel darüber und wenn ein Vogel den attackiert, wird der Vorderflügel wegbewegt und der Hinterflügel sogar aufgerichtet und ein bisschen gewackelt, als ob die Eule so ein bisschen ihren Kopf bewegt."
Schutz vor hungrigen Fledermäusen
Im Laufe der Evolution haben sich viele Schmetterlinge Verkleidungen zugelegt, die sie vor hungrigen Vögeln schützen sollen. Wenn die Nacht kommt und mit ihr die Fledermäuse, nützt allerdings auch die überzeugendste Eulenmaske nichts: Viele Falter können selbst gut hören und fliehen, sobald sie ein Ortungsecho bemerken. Die Eulen imitierenden Falter aus der Familie der Pfauenspinner sind allerdings taub. Ganz ohne nächtlichen Schutz sind sie trotzdem nicht, wie Marc Holderied und sein Team zeigen konnten.
"Ja, jetzt sind wir hier in unserer Akustikkammer und schauen uns unseren Tomographen an."
An einem Metallgestänge ziehen sich Kabel entlang bis zu einer runden Scheibe. Aus ihrer Mitte heraus zeigt eine Art Metallfinger auf den einzelnen Flügel eines Nachtfalters.
"Wir wollen wissen, wie dessen Echos aussehen. Und dazu messen wir mit diesem künstlichen Fledermauskopf hier. Das ist ein bisschen eine Übertreibung, das ist letztlich ein Lautsprecher und der ist kreisförmig und produziert all die Frequenzen, die auch Fledermäuse produzieren bei der Schallortung. Und im Zentrum des Lautsprechers ist ein Loch. Da steckt ein Mikrophon, was misst, was an Echos so kommt", erläutert Holderied.
Flügel-Beläge absorbieren Ortungsschall
Der künstliche Fledermauskopf belauscht den Mottenflügel aus viertausend Richtungen und berechnet daraus ein Schallbild. So können die Wissenschaftler nachvollziehen, was eine Fledermaus hört, wenn ihr Ortungsschall die Flügel eines bestimmten Falters trifft. Im Fall des Pfauenspinners mit der Eulenmaske ist das erstaunlich wenig: Die feinen Schutzbeläge auf den Flügeln absorbieren Schall genau in den Frequenzbereichen, die Fledermäuse zur Echolotung benutzen.
Holderied: "Eine akustische Tarnkappe, wenn man so möchte. Die ist jetzt nicht perfekt, die verschwinden nicht vollständig vom Fledermaus-Sonar, aber sie werden schon deutlich schwächer."
Bis zu 50 Prozent des Schalls werden von dem Schutzbelag der Flügel geschluckt. Wird er mit einem Pinsel entfernt, verschwindet die akustische Tarnung.
Schalldämmung nach Nachtfalter-Art?
Für die Zukunft wollen die Wissenschaftler versuchen, die Schallschutzfunktion der Schmetterlingsflügel in den Frequenzbereich zu übersetzen, den auch Menschen hören können. Schalldämmplatten könnten dann statt mehrerer Zentimeter nur noch wenige Millimeter dünn sein. Holderied:
"Also ich hoffe, dass ich damit berühmt und reich werde. Ja nein, wir werden sehen – auf jeden Fall ist das gerade ein spannendes Thema."