Stefan Heinlein: Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn und schuf sie als Mann und Frau. So steht es im Alten Testament. Die biblische Schöpfungslehre war jahrhundertelang das Fundament für die Erklärung der Entstehung der Menschheit. Charles Darwin und seine Theorie von der Entstehung der Arten war eine wissenschaftliche Revolution und wurde zur Grundlage der modernen Naturwissenschaft. Heute vor 200 Jahren also wurde Charles Darwin geboren, ein besonderes Jubiläum, das weltweit mit vielen Veranstaltungen gefeiert wird.
Aus Berlin zugeschaltet ist der Evolutionsbiologe Professor Axel Meyer von der Universität Konstanz. Guten Morgen!
Axel Meyer: Guten Morgen, Herr Heinlein.
Heinlein: Der 200. Geburtstag von Charles Darwin, der heutige Tag für Sie als Wissenschaftler ein Grund zum Feiern?
Meyer: Ja, sicher. Wir hatten gestern eine Party hier am Wissenschaftskolleg, wo wir dann Mitternacht angestoßen haben mit einer speziellen Torte und Sekt.
Heinlein: Wie wichtig ist denn Charles Darwin und seine Theorie von der Entstehung der Arten heute noch für Sie als modernen Naturwissenschaftler?
Meyer: Sie ist das Fundament der modernen Evolutionsbiologie. Natürlich hat Darwin mit den Sachen, die er vor 150 Jahren geschrieben hat, nicht alles voraussehen können, was in den nächsten 150 Jahren passiert, aber dennoch ist die natürliche Auslese, wie er sie beschrieben hat, immer noch der Hauptmechanismus, durch den die Evolution funktioniert.
Heinlein: Gehört Darwin zu den größten Naturwissenschaftlern der Neuzeit? Kann man das sagen?
Meyer: Ganz sicher. Ich glaube schon, dass der Kultstatus oder der Starstatus, den er besitzt, mit vielleicht Freud oder Einstein gerechtfertigt ist.
Heinlein: Vor 200 Jahren, Herr Professor Meyer, war die biblische Schöpfungsgeschichte die allein seligmachende Erklärung zur Entstehung der Menschheit. Wie viel Mut brauchte Darwin seinerzeit vor 150 Jahren, seine Theorie von der Entstehung der Arten öffentlich zu machen?
Meyer: Sicherlich war er sich bewusst, was seine Einsichten aus der Biologie auch für die Religion oder das Verständnis des Ursprungs oder der Bedeutung des Menschen bedeutet, und das ist vielleicht auch ein Teil der Erklärung, warum er so lange gebraucht hat, bis er sein Buch veröffentlicht hat. Er hatte auch familiäre Konstellationen, so dass seine Frau sehr religiös war. Sicherlich sind das Teilaspekte, die ihn haben zögern lassen, sein Buch zu veröffentlichen.
Heinlein: Also Darwin hat bewusst keine Erklärung für die Entstehung des Lebens, woher kam die erste Zelle, das erste Lebewesen. Darauf hat er bewusst verzichtet.
Meyer: Dazu hat er nicht so sehr viel gesagt und das ist auch in gewisser Weise immer noch eine sehr debattierte Frage, wo das Leben selber herkommt. Sobald das Leben erst einmal entstanden ist, sind sich alle Wissenschaftler einig, dass dann die Mechanismen, die von Darwin beschrieben wurden, in Bezug auf Variation und Selektion bewirkt haben, dass das Leben sich in dieser Komplexität und Diversität entwickelt hat.
Heinlein: Wusste er, dass die Naturwissenschaften, seine Evolutionstheorie hier an ihre Grenzen stößt? Sie darf nicht mit der Theologie, mit dem Glauben vermischt werden.
Meyer: Das ist eine schwierige Frage. Er selber hat, nachdem seine Lieblingstochter gestorben ist, an den barmherzigen Gott aufgehört zu glauben, und das war vielleicht auch ein letztes Hindernis, das ihn daran gehindert hatte, sein Buch zu veröffentlichen. Er selber hat sich dann später, glaube ich, als Agnostiker bezeichnet. Er hat also nicht an der Existenz Gottes geglaubt. Ich bin mir aber nicht sicher, ob er ganz grundsätzlich einen unüberbrücklichen Gegensatz gesehen hat zwischen einem Glauben an Gott oder Religiosität allgemeiner und einer naturwissenschaftlichen Sicht der Welt.
Heinlein: Darf denn ein bekennender Christ an die Evolutionstheorie glauben? Lässt sich Darwin mit dem christlichen Glauben vereinbaren, aus Ihrer Sicht als Naturwissenschaftler?
Meyer: Für mich persönlich eher nicht. Für mich widersprechen sich diese beiden Sichtweisen schon. Ich glaube, es ist eher unüblich unter Evolutionsbiologen, religiös zu sein.
Heinlein: Gibt es denn eine ernsthafte wissenschaftliche Alternative zur Evolutionstheorie a la Darwin?
Meyer: Nein, gibt es nicht. Die Ideen des intelligent Design oder des Kreationismus sind keine wissenschaftlich haltbaren Theorien. Sie sind auch nicht unter ernst zu nehmenden Wissenschaftlern diskutiert. Sie werden nur in dem Zusammenhang diskutiert, was sie soziologisch oder gesellschaftspolitisch für die Lehre der Evolutionsbiologie oder allgemein mit der Bildung über wissenschaftliche Einsichten an Schulen und Universitäten bewirken könnten, aber sie bereiten keine testbaren Theorien und sind auch keine wissenschaftliche Alternative zu darwinistischen Ideen zur Evolution.
Heinlein: Also es bleibt dabei, der Mensch ist biologisch betrachtet zumindest ein Affe?
Meyer: Er stammt vom Affen ab - in dem Sinne, dass wir gemeinsame Vorfahren haben mit Primaten. Die meisten Evolutionsbiologen würden den Menschen nicht als Krone der Schöpfung bezeichnen und würden sie einfach trotz all der Besonderheiten, die der Mensch offensichtlich hervorgerufen hat, dennoch als nur eine weitere Art gesehen.
Heinlein: Steht denn die Evolutionstheorie heute noch auf einem soliden wissenschaftlichen Fundament, oder muss vieles, was Darwin vor 150 Jahren entwickelt hat, heute im Lichte der neuen Forschung anders gewertet werden?
Meyer: Darwin hat einige Sachen nicht verstanden oder falsch verstanden - denken Sie zum Beispiel daran, dass die Kontinentaldrift durch Alfred Wegener erst nach Darwin etabliert wurde, und er hat deshalb in Bezug auf die Verbreitungsmuster, die geographischen Verbreitungsmuster von Arten auf verschiedenen Kontinenten bestimmte Sachen falsch verstanden, und er lebte natürlich in einer Zeit, bevor das Gen und die Genetik entdeckt wurde, und durch die Wiederentdeckung der Mendelschen Gesetze und der Revolution, die durch die Molekularbiologie und jetzt die Genomik entstanden ist, das sind natürlich Dinge, die er nicht vorhersehen konnte. Aber diese neuen Disziplinen haben eher zu einem tieferen Verständnis der Evolutionsbiologie geführt, als irgendwelche Widersprüche zu darwinistischen Ideen hervorzubringen.
Heinlein: Neue Arten entstehen und verändern sich, indem sie sich an veränderte Umweltbedingungen anpassen. Das ist ja der Kern der Evolutionstheorie. Heute, Herr Professor Meyer, wird geredet über die Folgen der Erderwärmung, der Klimaveränderung. Können wir vor dem Hintergrund der Erkenntnisse von Charles Darwin diese Entwicklung gelassen betrachten?
Meyer: Das kommt darauf an. Sie ist in gewisser Weise nur ein weiterer Selektionsdruck oder eine weitere Kraft, die dazu führen wird, bestimmte Individuen zu selektieren und andere eben nicht. Die Klimaerwärmung ist ja auch nur ein Teil des ganzen Aspekts, dass der Mensch das Klima, aber eben auch die ganze Umwelt auf der Erde verändert hat - denken Sie an die Abholzung von den riesigen Regenwäldern in Asien oder in Südamerika. Die Zerstörung des Lebensraumes hat ein Massenaussterben hervorgerufen, das es in der gesamten Geschichte der Erde erst vielleicht vier- oder fünfmal gegeben hat. Wir sind im Moment in einer Phase des Massenaussterbens.
Heinlein: Also die Evolution ist und bleibt ein immerwährender Prozess, der nie ausklingt, auch unter diesen neuen veränderten Umweltbedingungen?
Meyer: Natürlich. Er wird vielleicht sogar noch beschleunigt. Dadurch, dass wir eben innerhalb von geologisch gesehen relativ kurzen Zeiträumen einen großen Klimawandel hervorbringen, werden die Veränderungen schneller sein. Aber das ist im geologischen Zeitraum gesehen nichts besonderes in dem Sinne, dass natürlich sich die Erde mehrfach abgekühlt oder erwärmt hat, nur eben nicht durch menschlichen Einfluss.
Heinlein: Im Deutschlandfunk heute Morgen der Evolutionsbiologe Professor Axel Meyer von der Universität Konstanz. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören.
Meyer: Danke sehr. Auf Wiederhören!
Aus Berlin zugeschaltet ist der Evolutionsbiologe Professor Axel Meyer von der Universität Konstanz. Guten Morgen!
Axel Meyer: Guten Morgen, Herr Heinlein.
Heinlein: Der 200. Geburtstag von Charles Darwin, der heutige Tag für Sie als Wissenschaftler ein Grund zum Feiern?
Meyer: Ja, sicher. Wir hatten gestern eine Party hier am Wissenschaftskolleg, wo wir dann Mitternacht angestoßen haben mit einer speziellen Torte und Sekt.
Heinlein: Wie wichtig ist denn Charles Darwin und seine Theorie von der Entstehung der Arten heute noch für Sie als modernen Naturwissenschaftler?
Meyer: Sie ist das Fundament der modernen Evolutionsbiologie. Natürlich hat Darwin mit den Sachen, die er vor 150 Jahren geschrieben hat, nicht alles voraussehen können, was in den nächsten 150 Jahren passiert, aber dennoch ist die natürliche Auslese, wie er sie beschrieben hat, immer noch der Hauptmechanismus, durch den die Evolution funktioniert.
Heinlein: Gehört Darwin zu den größten Naturwissenschaftlern der Neuzeit? Kann man das sagen?
Meyer: Ganz sicher. Ich glaube schon, dass der Kultstatus oder der Starstatus, den er besitzt, mit vielleicht Freud oder Einstein gerechtfertigt ist.
Heinlein: Vor 200 Jahren, Herr Professor Meyer, war die biblische Schöpfungsgeschichte die allein seligmachende Erklärung zur Entstehung der Menschheit. Wie viel Mut brauchte Darwin seinerzeit vor 150 Jahren, seine Theorie von der Entstehung der Arten öffentlich zu machen?
Meyer: Sicherlich war er sich bewusst, was seine Einsichten aus der Biologie auch für die Religion oder das Verständnis des Ursprungs oder der Bedeutung des Menschen bedeutet, und das ist vielleicht auch ein Teil der Erklärung, warum er so lange gebraucht hat, bis er sein Buch veröffentlicht hat. Er hatte auch familiäre Konstellationen, so dass seine Frau sehr religiös war. Sicherlich sind das Teilaspekte, die ihn haben zögern lassen, sein Buch zu veröffentlichen.
Heinlein: Also Darwin hat bewusst keine Erklärung für die Entstehung des Lebens, woher kam die erste Zelle, das erste Lebewesen. Darauf hat er bewusst verzichtet.
Meyer: Dazu hat er nicht so sehr viel gesagt und das ist auch in gewisser Weise immer noch eine sehr debattierte Frage, wo das Leben selber herkommt. Sobald das Leben erst einmal entstanden ist, sind sich alle Wissenschaftler einig, dass dann die Mechanismen, die von Darwin beschrieben wurden, in Bezug auf Variation und Selektion bewirkt haben, dass das Leben sich in dieser Komplexität und Diversität entwickelt hat.
Heinlein: Wusste er, dass die Naturwissenschaften, seine Evolutionstheorie hier an ihre Grenzen stößt? Sie darf nicht mit der Theologie, mit dem Glauben vermischt werden.
Meyer: Das ist eine schwierige Frage. Er selber hat, nachdem seine Lieblingstochter gestorben ist, an den barmherzigen Gott aufgehört zu glauben, und das war vielleicht auch ein letztes Hindernis, das ihn daran gehindert hatte, sein Buch zu veröffentlichen. Er selber hat sich dann später, glaube ich, als Agnostiker bezeichnet. Er hat also nicht an der Existenz Gottes geglaubt. Ich bin mir aber nicht sicher, ob er ganz grundsätzlich einen unüberbrücklichen Gegensatz gesehen hat zwischen einem Glauben an Gott oder Religiosität allgemeiner und einer naturwissenschaftlichen Sicht der Welt.
Heinlein: Darf denn ein bekennender Christ an die Evolutionstheorie glauben? Lässt sich Darwin mit dem christlichen Glauben vereinbaren, aus Ihrer Sicht als Naturwissenschaftler?
Meyer: Für mich persönlich eher nicht. Für mich widersprechen sich diese beiden Sichtweisen schon. Ich glaube, es ist eher unüblich unter Evolutionsbiologen, religiös zu sein.
Heinlein: Gibt es denn eine ernsthafte wissenschaftliche Alternative zur Evolutionstheorie a la Darwin?
Meyer: Nein, gibt es nicht. Die Ideen des intelligent Design oder des Kreationismus sind keine wissenschaftlich haltbaren Theorien. Sie sind auch nicht unter ernst zu nehmenden Wissenschaftlern diskutiert. Sie werden nur in dem Zusammenhang diskutiert, was sie soziologisch oder gesellschaftspolitisch für die Lehre der Evolutionsbiologie oder allgemein mit der Bildung über wissenschaftliche Einsichten an Schulen und Universitäten bewirken könnten, aber sie bereiten keine testbaren Theorien und sind auch keine wissenschaftliche Alternative zu darwinistischen Ideen zur Evolution.
Heinlein: Also es bleibt dabei, der Mensch ist biologisch betrachtet zumindest ein Affe?
Meyer: Er stammt vom Affen ab - in dem Sinne, dass wir gemeinsame Vorfahren haben mit Primaten. Die meisten Evolutionsbiologen würden den Menschen nicht als Krone der Schöpfung bezeichnen und würden sie einfach trotz all der Besonderheiten, die der Mensch offensichtlich hervorgerufen hat, dennoch als nur eine weitere Art gesehen.
Heinlein: Steht denn die Evolutionstheorie heute noch auf einem soliden wissenschaftlichen Fundament, oder muss vieles, was Darwin vor 150 Jahren entwickelt hat, heute im Lichte der neuen Forschung anders gewertet werden?
Meyer: Darwin hat einige Sachen nicht verstanden oder falsch verstanden - denken Sie zum Beispiel daran, dass die Kontinentaldrift durch Alfred Wegener erst nach Darwin etabliert wurde, und er hat deshalb in Bezug auf die Verbreitungsmuster, die geographischen Verbreitungsmuster von Arten auf verschiedenen Kontinenten bestimmte Sachen falsch verstanden, und er lebte natürlich in einer Zeit, bevor das Gen und die Genetik entdeckt wurde, und durch die Wiederentdeckung der Mendelschen Gesetze und der Revolution, die durch die Molekularbiologie und jetzt die Genomik entstanden ist, das sind natürlich Dinge, die er nicht vorhersehen konnte. Aber diese neuen Disziplinen haben eher zu einem tieferen Verständnis der Evolutionsbiologie geführt, als irgendwelche Widersprüche zu darwinistischen Ideen hervorzubringen.
Heinlein: Neue Arten entstehen und verändern sich, indem sie sich an veränderte Umweltbedingungen anpassen. Das ist ja der Kern der Evolutionstheorie. Heute, Herr Professor Meyer, wird geredet über die Folgen der Erderwärmung, der Klimaveränderung. Können wir vor dem Hintergrund der Erkenntnisse von Charles Darwin diese Entwicklung gelassen betrachten?
Meyer: Das kommt darauf an. Sie ist in gewisser Weise nur ein weiterer Selektionsdruck oder eine weitere Kraft, die dazu führen wird, bestimmte Individuen zu selektieren und andere eben nicht. Die Klimaerwärmung ist ja auch nur ein Teil des ganzen Aspekts, dass der Mensch das Klima, aber eben auch die ganze Umwelt auf der Erde verändert hat - denken Sie an die Abholzung von den riesigen Regenwäldern in Asien oder in Südamerika. Die Zerstörung des Lebensraumes hat ein Massenaussterben hervorgerufen, das es in der gesamten Geschichte der Erde erst vielleicht vier- oder fünfmal gegeben hat. Wir sind im Moment in einer Phase des Massenaussterbens.
Heinlein: Also die Evolution ist und bleibt ein immerwährender Prozess, der nie ausklingt, auch unter diesen neuen veränderten Umweltbedingungen?
Meyer: Natürlich. Er wird vielleicht sogar noch beschleunigt. Dadurch, dass wir eben innerhalb von geologisch gesehen relativ kurzen Zeiträumen einen großen Klimawandel hervorbringen, werden die Veränderungen schneller sein. Aber das ist im geologischen Zeitraum gesehen nichts besonderes in dem Sinne, dass natürlich sich die Erde mehrfach abgekühlt oder erwärmt hat, nur eben nicht durch menschlichen Einfluss.
Heinlein: Im Deutschlandfunk heute Morgen der Evolutionsbiologe Professor Axel Meyer von der Universität Konstanz. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören.
Meyer: Danke sehr. Auf Wiederhören!