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Evolutionssieger dank Oma

Medizin. - Hitzewallungen, Stimmungsschwankungen und Schlafstörungen – die Wechseljahre sind für Frauen keine angenehme Zeit. Warum sie überhaupt durchlaufen wird, gibt Evolutionsbiologen immer noch Rätsel auf. Menschenaffen sollen dabei helfen.

Von Kristin Raabe |
    Ohne die Oma geht in menschlichen Familien gar nichts. Jedenfalls, wenn es sich um ursprüngliche Jäger-Sammler-Kulturen handelt. Dort kümmert sich Oma um die Kinder, wenn die Eltern auf Nahrungssuche gehen. Wenn die Großmutter für ihre Enkel sorgt, fördert sie schließlich auch die Verbreitung ihrer eigenen Gene. Auf diese Weise haben Evolutionsbiologen bislang immer zu erklären versucht, warum menschliche Frauen schon mit Anfang 40 aufhören, Kinder zu bekommen, aber trotzdem noch Jahrzehnte weiterleben. Michael Cant von der britischen University of Exeter hat diese These genauer untersucht.

    "Das Problem dabei ist nur, dass diese Rechnung nicht ganz aufgeht. Großmütter tragen in vielen menschlichen Gesellschaften zum Überleben ihrer Enkel bei. Allerdings profitieren sie davon nicht so sehr, dass es sich für sie tatsächlich lohnt, die eigene Fortpflanzungsfähigkeit komplett aufzugeben. Wir haben jetzt nach den Faktoren gesucht, die in dieser Gleichung noch fehlen."

    Der britische Evolutionsbiologe hat bei verschiedenen Affenarten und beim Menschen untersucht, wie stark sich die Fortpflanzungsphasen zweier Generationen überschneiden. Das Ergebnis: Egal ob Schimpansen, Pavian oder Makaken, immer hatten die Großmütter selbst noch Nachwuchs, wenn bei ihren Töchter schon das erste Kind unterwegs war. Einzige Ausnahme: Der Mensch.

    "Tatsächlich finden wir bei einfachen Jäger-Sammler-Kulturen zwischen den Generationen keine Überschneidung der Fortpflanzungsphasen. Frauen bekommen im Schnitt mit 19 ihr erstes Kind und ihr letztes mit 38. Sie hören also genau dann auf sich fortzupflanzen, wenn die nächste Generation damit beginnt."

    Zwei Generationen, die gleichzeitig Kinder kriegen, das ist das Schlimmste, was einer Jäger-Sammler-Kultur passieren kann. Dann konkurrieren die Kinder um die begrenzten Ressourcen, die die Gemeinschaft für ihre Aufzucht zur Verfügung hat – also um Nahrung und Aufmerksamkeit. Also pflanzt sich immer nur eine Generation fort - bei vielen Affenarten ist das allerdings das ältere Weibchen. Zum Beispiel, indem sie durch bestimmte Pheromone den Zyklus der jüngeren Weibchen unterdrückt. Allerdings sind in solchen Familienverbänden die Weibchen alle untereinander verwandt, da es immer die Männchen sind, die von einer Gruppe in die nächste wechseln. Bei menschlichen Jäger-Sammler-Kulturen dagegen war es üblich, dass die Frau zu der Familie des Mannes gezogen ist. Das könnte im Laufe der Evolution zur Entstehung der Menopause beigetragen haben.

    "Bei dem Wettbewerb um den Fortpflanzungserfolg haben die jungen Frauen einen leichten Vorteil, denn sie sind mit den älteren Frauen nicht verwandt. Dadurch haben sie nichts zu verlieren. Für sie lohnt es sich in jedem Fall immer, Nachwuchs zu haben. Die Großmütter dagegen sind mit dem Nachwuchs der Schwiegertochter verwandt. Wenn sie ihr bei der Erziehung hilft, dann unterstützt sie letztlich auch ihre eigenen Gene. Das ist letztlich auch genau das, was wir beobachten."

    Wenn alte und junge Frauen ihren Konkurrenzkampf um den Fortpflanzungserfolg offen austragen und gleichzeitig Nachwuchs haben, dann leiden zunächst vor allem die Kinder. Ihre Überlebenschancen sinken, weil die Erwachsenen nicht ausreichend Zeit für ihre Pflege haben. Auch die Großmutter gehört zu den Verlierern, wenn ihre Enkel sterben, schließlich teilt sie mit ihnen etliche Gene. Es macht also beim Menschen Sinn, wenn ältere Frauen die Fortpflanzung einstellen. Warum Killerwale sich genauso verhalten, untersucht Michael Cant zurzeit in einer weiteren Studie. Die riesigen Meeressäuger gehören zu den ganz wenigen Tierarten, die auch eine Menopause durchlaufen.