Leicht war der Umgang mit Viktor Orban nie. Weder für seine Kollegen und Kolleginnen-Regierungschefs, noch für seine Freunde in der Europäischen Volkspartei, die er zuletzt als "nützliche Idioten" titulierte. Mit der jüngsten Kampagne seiner national-konservativen Fidesz gegen die EU-Institutionen und deren Repräsentanten allerdings scheint der Ungar den Bogen überspannt zu haben.
"Die Geduld ist am Ende in der EVP. Vor allem mit der Plakataktion, war das wirklich der letzte Tropfen, der das Fass jetzt zum überlaufen gebracht hat."
Die Warnung des sonst so verbindlichen EVP-Fraktionsführers und Spitzenkandidaten Manfred Weber ist kaum misszuverstehen: Für den CSU-Mann aus Niederbayern ist das Maß inzwischen voll. Orban und seine Fidesz müssten mit harten Konsequenzen rechnen, wenn sie ihren Kurs nicht korrigierten. Die Forderungen lägen klar auf dem Tisch.
"Erstens eine Entschuldigung. Zweitens das Beenden der Anti-Brüssel-Kampagne, dieses Artes von Wahlkampfs der dort praktiziert wurde. Und das Dritte, für mich das Wichtigste, die Sicherheit für die Central European University."
Wahlplakat erzürnt die Gemüter
Lange Zeit hatte Weber, mit Rücksicht auf den Parteifrieden, beide Augen zugedrückt und Orban gegen Kritik in Schutz genommen. Zuletzt hatte er seine Haltung jedoch geändert und als einziger CSU-Vertreter sogar für ein Artikel-7-Verfahren wegen möglicher Verstöße gegen das Rechtsstaatsprinzip gestimmt.
Statt einzulenken, hatte die Fidesz im Februar ein Wahlplakat geklebt, auf dem ein feixender Kommissionschef Juncker abgebildet ist - nebst Orbans Lieblingsfeind: dem US-Investor George Soros. Die Collage suggeriert, Juncker und Soros würden illegale Migration fördern und wollten Ungarn mit Flüchtlingen fluten.
"Es gibt zwischen Herrn Orban und mir überhaupt keine Schnittmengen. Wieso soll er in einer Partei bleiben, in der ich auch bin, wenn es keine Gemeinsamkeiten gibt?"
Für Kommissionspräsident Juncker, selbst EVP-Mitglied, ist die Grenze des Zumutbaren überschritten. Nicht zuletzt, weil das unappetitliche Poster von antisemitischen Stereotypen nur so strotzt. Auch Kanzlerin Merkel und die Chefs von CDU und CSU, Kramp-Karrenbauer und Söder, nannten die Aktion "inakzeptabel".
13 Mitgliedsverbände der EVP, aus insgesamt zehn Ländern, haben beantragt, die Fidesz aus der konservativen Parteienfamilie auszuschließen. Zu den Unterstützern gehören unter anderem die belgischen Christdemokraten, die schwedischen Moderaten und die Nea Demokratia aus Griechenland.
Droht die Spaltung innerhalb der EU?
Webers CSU und die Schwester CDU, die im EVP-Vorstand über das größte Stimmenpaket verfügen, haben sich im Vorfeld des heutigen Showdowns nicht eindeutig positioniert.
Daniel Caspary etwa, Sprecher der deutschen Unionsgruppe, mahnt mit Blick auf die Europawahl zur Vorsicht: "Wenn wir eben die Fidesz-Partei rausschmeißen, dann kappen wir Gesprächsfäden. Wenn das alle anderen Parteienfamilien mit ihren schwarzen Schafen machen, dann droht uns eine Spaltung in der Europäischen Union."
Dass Gutzureden noch helfen könnte, den Provokateur aus Ungarn auf Linie zu bringen, glauben freilich nicht mehr viele in der EVP. Nach einem Krisentreffen von Fraktionschef Weber in Budapest rang sich Viktor Orban zwar eine halbherzige Entschuldigung ab und signalisierte Entgegenkommen, doch vollständig eingestellt hat die Fidesz ihre Anti-EU-Tiraden bis jetzt nicht.
EVP-Insider nennen die Lage ernst, rechnen aber trotzdem nicht damit, dass man die ungarischen Nationalisten hochkantig rauswirft. Wahrscheinlicher ist, dass man der Orban-Partei eine allerletzte Verwarnung verpasst. Das Szenario: eine Suspendierung der Mitgliedschaft auf unbestimmte Zeit. Deren Aufhebung könnte man an Bedingungen knüpfen, vor allem den dauerhaften Verzicht auf das leidige Brüssel-Bashing. Denkbar auch: die Einsetzung einer Untersuchungskommission.