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Ewige Baustelle

Raumfahrt. - Vor zehn Jahren wurde das erste Modul der Internationalen Raumstation ins All geschossen. Die Bauarbeiten für dieses größte Kooperationsprojekt der Menschheit sind immer noch nicht abgeschlossen, die Baukosten haben die 100-Milliarden-Euro-Grenze locker überschritten. Doch in zwei Jahren soll die ISS endlich fertig sein.

Von Guido Meyer |
    Erst die Raumfähren, dann die Raumstation. Dies war schon immer der Plan der amerikanischen Weltraumbehörde Nasa. Schon in den siebziger Jahren war klar, dass die neuen Space Shuttles ein Ziel in der Umlaufbahn brauchen, das sie regelmäßig ansteuern können. 1981 flog mit der "Columbia" erstmals ein Shuttle ins All. In den folgenden drei Jahren wuchs die Fähren-Flotte auf vier Schiffe an. 1984 gab US-Präsident Ronald Reagan den Startschuss zum nächsten Schritt: Um an die bisherigen Erfolge in der bemannten Raumfahrt anzuknüpfen, solle die Nasa binnen einer Dekade eine ständig bemannte Station in der Erdumlaufbahn entwickeln.

    "Tonight I am directing Nasa to develop a permanently manned space station and to do it within a decade."

    "Freedom", Freiheit, war der Name des ersten Entwurfs, den die Nasa dem russischen "Frieden", der Mir-Station, entgegenstellen wollte. Doch die von Reagan vorgegebene Dekade verstrich, ohne dass ein einziges Element gebaut, geschweige denn ins All befördert worden wäre. Zehn Jahre dauerten allein die ersten Planungen und Verhandlungen mit den neuen internationalen Partnern Kanada, Europa und Japan. Außerdem explodierten die Kosten. Und so wurde aus der amerikanischen Raumstation "Freedom" das Projekt Alpha der westlichen Welt – so der Arbeitstitel für die geschrumpfte Version einer Raumstation. Auch diese wurde jedoch bald von den Realitäten auf dem Boden eingeholt: Ende der 80er Jahre ging der Kalte Krieg zu Ende.

    ""This is a promising moment. Instead of building weapons in space, Russian scientists will help us to build the International Space Station.”"

    Dies sei ein vielversprechender historischer Moment, so US-Präsident Bill Clinton 1992. Statt im All Waffen zu bauen, würden russische Wissenschaftler nun dabei helfen, eine internationale Raumstation zu errichten.

    ""Politisch wird es positiv beurteilt, technisch werden Probleme erwartet. Die Russen bauen alles schwerer, größer","

    so Hans-Dieter Zago, der damals für die Deutsche Agentur für Raumfahrtangelegenheiten (DARA) die Verhandlungen in Washington, D.C., beobachtet hat. Für die neue Internationale Raumstation griffen die Russen in der Tat wieder auf "schwere Bauteile" zurück – nämlich auf die, die sie ursprünglich für ihre Mir-II-Station geplant und bereits gebaut hatten. Am 20. November 1998 schoss eine russische Proton-Rakete von Baikonur aus das fast dreizehn Meter lange Kontrollmodul der ISS ins All.

    Saria, so der Name des ersten Moduls, "Sonnenaufgang". Zwei Jahre später, im Oktober 2000, flog die erste Besatzung zur neuen Station: ein Amerikaner und zwei Russen. Trotz eines dreijährigen Baustopps wegen des Columbia-Unglücks wächst und gedeiht die ISS seit zehn Jahren sichtbar. Neben russischen und amerikanischen Modulen sind mittlerweile mit dem japanischen Kibo und Europas Columbus auch die Labore aller internationalen Partner angedockt. Im nächsten Jahr soll die Mannschaftsstärke von jetzt drei auf dann sechs Astronauten und Kosmonauten verdoppelt werden.