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Ex-Hochburg Baden will eine andere FDP

Baden war einst liberales Stammland. Doch in Karlsruhe sehnt man sich nach einer anderen liberalen Partei als der derzeitigen FDP. Gerechtere Steuerpolitik, Bürgerrechte, Datenschutz – das sind die Stichworte, die die Badener der FDP am Tag nach dem Wahldesaster ins Stammbuch schreiben.

Von Ludger Fittkau |
    Blücherstraße 32 in Karlsruhe. Die Geschäftsstelle der FDP ist geschlossen. An der Tür hängt ein Zettel, mit dem die örtliche Kirchengemeinde um Altpapier bittet. Klingeln nützt nichts, heute am Tag nach dem liberalen Desaster im Bund ist niemand da. Dabei hat die FDP in ihrer einstigen Hochburg Karlsruhe noch gut abgeschnitten – 6 Prozent lautet das Bundestagsergebnis.

    "Baden – das hat es ja eine besondere liberale Geschichte gegeben. Deutschland würde es sonst vielleicht gar nicht geben. Baden war immer revolutionär, aber liberal. Das Volk regiert"

    Sagt Peter Heidel auf der Kaiserstraße in der Karlsruher Innenstadt. Lange Zeit konnte die FDP von der besonderen liberalen Prägung des deutschen Südwestens profitieren, die ihre Wurzeln schon im aufgeklärten Absolutismus und in der bürgerlichen Revolution des 19. Jahrhunderts hat. Noch heute erzielen die Liberalen in vielen Gemeinden der Region immer noch Stimmenergebnisse weit über dem Bundesdurchschnitt. Auf der Straße erklärt Peter Heidel, warum:

    "Wenn sie hier die Wahlergebnisse angucken, dann wären sie mit diesem Wahlergebnis im Parlament. Bei uns gibt es immer noch sechs, sieben Prozent, da sind sie also drüber. Baden-Württemberg, nicht nur Baden, sondern gesamt Baden-Württemberg ist eigentlich liberales Stammland. Hier kommt der Theodor Heuss her, der erste Bundespräsident, also hier gibt es schon liberale Wurzeln. Ich denke mal, hier in Baden-Württemberg haben die wieder ne Chance, sie müssen sich wieder an ihre liberalen Wurzeln erinnern und wieder das tun, was sie eigentlich versprechen und das haben sie halt nicht gemacht."

    Eine einfachere und gerechtere Steuergesetzgebung wäre ein liberales Thema gewesen, davon ist Peter Heidel überzeugt. Stattdessen habe die FDP mit der "Mövenpick-Steuer" Klientelpolitik gemacht.

    "Sie müsste sich an die Dinge halten, die sie auch versprochen hat. Vor allem eine echte Steuerreform. Wir haben in Deutschland meiner Meinung nach keine Besteuerung mehr, die in Ordnung ist. Wenn man sieht, dass die Besteuerung eigentlich nach Leistungsfähigkeit sein sollte. Dass sie gerecht ist, da sind wir weit weg davon. Das wäre ein Betätigungsfeld für eine liberale Partei."

    Enttäuscht von den Liberalen sind auch viele andere Bürger in der einstigen FDP-Hochburg Karlsruhe:

    "Weil die Leute sich mehr versprochen hatten von der FDP und das haben sie nicht bekommen."

    "Jeder verspricht und halten ist ein Unterschied. Versprechen kann man immer viel."

    "Ich bin froh, dass sie endlich mal weg sind. Weil die ja keine Bedeutung haben. Da soll man lieber das Original wählen und das original ist die CDU."

    Angela Merkel überstrahlt bei dieser Wahl auch im liberal geprägten deutschen Südwesten alles. In der FDP fehlen den vorderen Reihen seit langem Typen in wie Hans-Dietrich Genscher und Gerhard Baum, ist auch auf den Karlsruher Straßen häufiger zu hören.
    Außerdem kreidet man es den Liberalen an, die Lage des unteren Viertels der Bevölkerung völlig aus dem Blick verloren zu haben.

    Mancher glaubt auch, dass die FDP den Linksschwenk nicht verstanden hat, den es in der Bevölkerung nach der Hochzeit des Neoliberalismus gegeben habe:

    "Das scheint ein allgemeiner Trend zu sein, der hat weniger mit den Inhalten der FDP zu tun, die haben sich ja im Grunde nicht geändert. Die ist weggedriftet, die Bevölkerung.
    Was ja auch zu bedauern ist, weil ja viele Inhalte gar nicht so schlecht sind von der FDP, aber vielleicht gab es einen allgemeinen Trend und den haben sie verschlafen."

    Die FDP habe auch das Thema Bürgerrechte nicht überzeugend genug bearbeitet, glaubt Peter Heidel. Als reine Wirtschaftspartei seien die Liberalen gerade im deutschen Südwesten nie gewählt worden, glaubt er. Auch das Internet habe die Partei weitgehend verschlafen:

    "Zu einer liberalen Partei gehören natürlich auch die Bürgerrechte. Beispielsweise der Datenschutz, das wären Themen, wo sie eine Chance hätten. Jetzt müssen sie halt vier Jahre warten und dann müssen sie halt wieder was tun. Aber ich denke mal, eine liberale Partei, der liberale Gedanke ist nicht vorbei. Im Moment haben sie sich entfernt davon, aber es muss nicht so bleiben. Vielleicht lernen sie jetzt, hier wieder was zu tun."