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Examen für die Liebe

Wer als Student eine Wochenendbeziehung führt, braucht Nerven, Zeit und vor allem Geld. Ob freiwillig oder nicht, eine Fernbeziehung bringt Komplikationen und Strapazen mit sich, die zu einer regelrechten Prüfung für die Liebe werden. Als hätten Studenten nicht schon genug Lernstress.

Von Anne Sailer |
    Himmelfahrtstag in Deutschland: Stau auf den Autobahnen, die Züge sind überfüllt, Mitfahrgelegenheiten längst ausgebucht. Deutschland ist unterwegs. Vom Arbeits- oder Studienort nach Hause, oft auf dem Weg zur Wochenendbeziehung. Kurz vor der Abreise: Franziska Schneider, Claudia Eichelbaum und Verena Fischer stehen auf dem Campus der Martin-Luther-Universität in Halle. Die Studentinnen der Theologie, Germanistik und Philosophie bestätigen: Eine Wochenendbeziehung plant man nicht.

    "Also, als ich das Studium angefangen habe hatte ich noch keinen Freund. - Jetzt ja, ist schwierig Wir sind drei Jahre zusammen, hatten schon immer eine Wochenendbeziehung, obwohl es jetzt schwieriger geworden ist, weil man immer so lange hin und her fahren muss."

    Oft halten Partnerschaften diesen enormen Belastungen nicht stand.

    "Ja ich hatte schon eine Fernbeziehung die ist daran zerbrochen, weil gerade als Student man viele Sachen am Wochenende machen muss. - Ausprobiert haben wir es schon, das haben wir wieder rückgängig gemacht, das ist nichts auf die Dauer."

    Denn wer eine Wochenendbeziehung führt, ist ständig unterwegs. Emotional zumindest. Und das trotz Telefon und E-Mail. Denn ihre sozialen Kontakte pflegen Studierende meist am Studienort, in der WG, im Internat. Das Wochenende gehört allein dem Partner.

    " Ich habe jetzt auch alle meine Freunde hier. - Studienbezogener Austausch ist mit den Leuten, mit denen man das studiert. Es ist erfrischend, wenn man am Wochenende andere Themen ins Auge fasst."

    Die Wochenendbeziehung wirkt sich individuell unterschiedlich auf das Studium aus. Auf Claudia Eichelbaums Studium hat sie jedenfalls kaum einen Einfluss, wie sie sagt…

    "Also, die Beziehung auf Studium nicht, auf die Beziehung schon - Ich bin mit den Gedanken woanders. - Ich will soziale Kontakte pflegen, will schon alles machen, manchmal geht es aber nicht."

    Außerdem wollen die Studentinnen ihr Studium durchziehen, um nicht zu lange ein Wochenendbeziehung führen zu müssen. Denn die ist nicht billig. Tägliches Telefonieren und die ständige Fahrerei belasten den kleinen Studentengeldbeutel.

    " Also das ist wahrscheinlich das Hauptproblem. Ich kann mir dann eben nichts kaufen."

    Wer in Berlin wohnt und regelmäßig den Liebsten in München oder Hamburg besucht, braucht also Geld. Eva Simon jedenfalls kann da nur müde lächeln. Ihr Freund lebt als Architekt in New York. Sie beendet gerade ihr Studium am Literaturinstitut in Leipzig. Am Anfang – vor knapp zwei Jahren – haben sie sich noch lange E-Mails geschrieben, mittlerweile telefonieren sie hauptsächlich. Bei dieser Entfernung ein wirkliches Kommunikationsproblem.

    " Der arbeitet bis abends um 11.00 Uhr. Und dann ist bei mir morgens 6.00 Uhr, das ist nicht gerade meine kommunikativste Zeit. Man ist nie in der selben Tagesstimmung."

    Ich bin ein Opfer der Globalisierung, sagt Eva Simon. Wenn sie bei ihrem Freund in den USA ist, fühlt sie sich auf Besuch im Leben des anderen. Zu ihm in die USA ziehen möchte sie nicht, dennoch träumt sie von einem gemeinsamen Leben mit ihrem Partner. So wie alle, die in ihrer Wochenendbeziehung vor allem den Alltag vermissen.

    " Es ist total gemein, dass es mich erwischt hat, weil ich für so etwas voll die Falsche bin. Ich verstehe es nicht, wenn Leute Angst vor zu viel Nähe haben, Zusammenziehen, nein danke. Jetzt frage ich mich: Was soll daran schlecht sein?"