Archiv


Existenzbedrohende Plage

Kassava, in Südamerika auch Maniok genannt, ist neben Reis, Mais und Zuckerrohr das wichtigste Nahrungsmittel in tropischen Ländern. Die Kassava-Mosaik-Krankheit. jedoch kann die Ernte vernichten und das zieht in Afrika schnell eine Hungersnot nach sich. In Braunschweig wird an virusresistenten Pflanzen geforscht.

Von Nadine Querfurth |
    "Eine Kassava-Pflanze sieht eben so aus, das sie grüne Blätter hat, die ein bisschen wie Hanf aussehen. Der Wuchstyp ist ein grüner Stängel, große fingerförmige Blätter, und wenn die virusinfiziert sind, dass zeige ich Ihnen jetzt da drüben. Man sieht, dass die Blätter sehr stark ihre Form verändern. Die sind nur noch ein Drittel so groß. Die Blätter sind verkrüppelt und aus einem verkrüppelten Blatt oder einer verkrüppelten Pflanze kommt natürlich auch nur geringe Ernte und geringe Wurzelbildung hervor."

    Dr. Stephan Winter von der Abteilung Pflanzenviren der Deutschen Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen (DSMZ) blickt über die Sammlung infizierter Kassava-Pflanzen im Gewächshaus. Genauso verkümmert sieht ein Großteil der Pflanzen in den betroffenen Regionen Afrikas aus. Ernteausfälle haben dort dramatische Folgen, denn im Kongo und in Nigeria decken die Menschen mit Kassava fast 90 Prozent ihres Kalorienbedarfs. Gegessen wird außer dem Stängel alles: Die stärkehaltigen Knollen liefern Mehl, die Blätter eine vitaminreiche Grünkost. Der Ansatz von Dr. Stephan Winter gegen das Virus vorzugehen, ist der, infizierte Kassava-Pflanzen gezielt miteinander zu kreuzen und nach solchen Pflanzen zu suchen, die virusresistent sind.

    "Resistenzeigenschaft ist eine Sache, das sichert den Ertrag, aber das ist nur ein kleiner Teil eines komplexen Systems, die Pflanze dann an die Leute zu bringen. Dann geht man her und nutzt dieses Material und züchtet dann diese Resistenzeigenschaft mit klassischen Methoden in die bestehenden Landrassen ein."

    Genau das haben Stephan Winter und seine Kollegen gemacht. Sie haben resistente Stecklinge aus Braunschweig nach Nigeria und Kongo gebracht und dort auf einem Feld vermehrt. Dann haben sie den Kleinbauern die neuen, virusresistenten Kassava-Pflanzen präsentiert. Doch so einfach nimmt ein afrikanischer Kleinbauer neue Pflanzen nicht an, wenn er jahrelang seine traditionelle Sorte geerntet hat. Dr. Ismael Abdullahi steht mit nigerianischen Farmern in engem Kontakt. Ihre Reaktionen auf die neuen Pflanzen sind nicht durchweg positiv, sagt er.

    "In einigen Fällen beobachten wir, dass die resistenten Pflanzen einen nicht so hohen Ertrag liefern wie die, die die Farmer gewohnt sind. Einige haben auch einen anderen, nicht so guten Geschmack. Sie sind bitter, so dass die Farmer die Pflanzen nicht akzeptieren. Aber durch gezielte Schulungen und Trainings informieren wir die Farmer und animieren sie, neue Arten auszuprobieren."

    In Schulungen informieren die beiden Wissenschaftler Farmer und Kleinbauern nicht etwa detailliert über das Virus, sondern sie sprechen mit ihnen über ganz grundlegende Dinge.

    "Wenn du den Steckling auswählst, wähle ein Steckling aus, der nicht die Symptome hat, wähle einen aus, der gesund ist, beobachte die Pflanze während sie wächst, markiere die Pflanze, die gesund aussieht. Die bringst du aus."

    Die Forschung an Kassava-Pflanzen und am Erreger der Kassava-Mosaik-Krankheit kommt nicht nur den afrikanischen Kleinbauern zugute. Da die Viren eng verwandt sind mit jenen, die Baumwolle und Tomaten befallen, können die Wissenschaftler vom DSMZ von der tropischen Frucht Kassava lernen. Dr. Stephan Winter:

    "Wir konnten mit der Diagnostik von Viren in Kassava sehr schnell reagieren auf die Anforderung für Virusdiagnostik in Tomaten. Wir haben sozusagen von einer Frucht, die nur für arme Leute in Afrika von großer Bedeutung ist, was machen können, was für uns auch ein interessantes, wirtschaftliches Produkt sein kann, nämlich Virusdiagnostik in Tomaten."

    Die Kassava-Frucht erfährt in den letzten Jahren in Afrika sogar eine neue Nutzung: Die Kleinbauern können mit ihr nicht nur den eigenen Nahrungsbedarf decken, sondern auch Geld verdienen. Wenn die Kassava-Mosaik-Krankheit kontrollierbar ist, wird die Kassava-Knolle interessant als Grundlage für die industrielle Produktion von Stärke.