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Existenzgründer kein Thema?

Das Business-Angels-Netzwerk Deutschland, BAND, hat die Wahlprogramme der im Bundestag vertretenen Parteien unter die Lupe genommen. Es kritisiert ein Desinteresse aller Parteien am volkswirtschaftlich wichtigen Thema der Finanzierung junger Gründungsunternehmen. Im Business-Angels-Netzwerk sind sich erfahrene Unternehmer zusammengeschlossen, die Existenzgründer mit ihrem Know-how unterstützen.

Moderation: Lothar Guckeisen |
    Lothar Guckeisen: Auch in der profanen Welt der Wirtschaft gibt es Engel, nämlich die so genannten Business Angels. Das sind erfahrene Unternehmer - häufig schon im Ruhestand, und die unterstützen Existenzgründer mit ihrem Know-how, und ganz wichtig, auch mit Geld. Das Business-Angels-Netzwerk Deutschland, sozusagen der Dachverband dieser Engel, hat jetzt die Wahlprogramme der im Bundestag vertretenen Parteien kritisch unter die Lupe genommen. Welche Rolle spielt darin das für Wachstum und Arbeitsplätze wichtige Thema Existenzgründung? Doktor Roland Kirchhof, Vorstand des Business-Angels-Netzwerks, was haben Sie denn bei der Lektüre herausgefunden?

    Roland Kirchhof: Leider muss ich sagen, fast nichts. Die Wahlprogramme sind sehr stark ausgerichtet auf die allgemeine Steuerpolitik, auf die allgemeine Sozialpolitik. Aber das Thema Existenzgründung spielt eine nur ganz kleine Rolle und das Thema Finanzierung von jungen Unternehmen - das ist das, was wir für ausschlaggebend wichtig halten - spielt eigentlich gar keine Rolle.

    Guckeisen: Gilt das für alle Parteien gleichermaßen?

    Kirchhof: Das gilt für alle Parteien gleichermaßen. Natürlich mit unterschiedlichen Variationen. Ich kann einmal das Beispiel CDU nennen, die vielleicht doch am ehesten etwas zum Thema Finanzierung sagt. Die CDU sagt: Wir wollen mehr Wagnisfinanzierung, mehr Wagniskapitalfinanzierung für Gründungsunternehmen haben. Aber sie macht gleichzeitig einen steuerlichen Vorschlag, der Business Angels - das sind die wichtigsten Finanzierer in der ersten Runde - stark benachteiligen würde.

    Guckeisen: Was hätten Sie sich denn gewünscht? Was sollte da drinstehen in den Wahlprogrammen, mal ganz konkret? Was brauchen Gründer in Deutschland im Moment?

    Kirchhof: Gründer brauchen vor allen Dingen eine gute Finanzierung. Wir haben eigentlich eine ganz gute Gründerunterstützung durch Unterstützungsnetzwerke in Deutschland, die ist sogar Spitze in Europa. Es gibt eine ganze Reihe von Studien, die das festgestellt haben. Das ist eigentlich gar nicht das Thema, sondern es geht darum: Wie kann man möglichst schnell am Markt Fuß fassen. Und am Markt Fuß fassen kann man nur, wenn man ordentlich finanziert ist. Dabei spielen Bankkredite und öffentliche Kredite eigentlich eine zweite Rolle, weil Kredite nicht das beste Mittel sind, um junge Unternehmen zu finanzieren. Das Beste ist Eigenkapital. Und Eigenkapital erhalten Sie entweder von Business Angels oder von so genannten Venture Capital Gesellschaften, in der ersten Phase, also ganz am Anfang. Aber vor allem von Business Angels, weil die bereit sind, ein hohes Risiko einzugehen. Und deswegen kommt es darauf an, dass wir in Deutschland, wie in anderen Ländern, viel stärker diesen Business Angel-Gedanken unterstützen.

    Guckeisen: Gibt es denn in Deutschland viele Ideen die brachliegen, weil zu wenig finanzielle Unterstützung da ist?

    Kirchhof: Ja, man kann sagen, je hochwertiger in der Technologie die Idee ist, desto schwieriger ist es eigentlich, eine geeignete Finanzierung zu finden. Das gilt insbesondere für den so genannten Life-Science-Bereich, also für alles das, was mit unseren künftigen Medikamenten oder Technologien, im Bereich der Medizin zum Beispiel, zu tun hat. Da sind ja oft ganz langfristige Entwicklungen nötig, bevor die Medizin oder die Technologien beim Menschen eingesetzt werden können. Das kann zehn Jahre dauern, und da hat keiner den Mut so lange vorzufinanzieren. Das ist ein ganz schwieriges Thema. Und wir sehen eigentlich ständig Unternehmen, die sehr, sehr gut sind, hoch motivierte junge Unternehmerinnen und Unternehmer. Und sie finden eigentlich keine Finanzierung, und wir sehen, wie sie den frühen Kindstod des Unternehmertums sterben müssen, einfach, weil keiner sie finanziert.

    Guckeisen: Wenn man einmal schaut auf den Internetseiten oder andere Veröffentlichungen, da gibt es ja eine ganze Reihe von Existenzgründerprogrammen. Sowohl in Bund und Land, auch die Ich-AG, die Familien AG oder ein Beraterkreis beim Wirtschaftministerium in Berlin. Aktuell jetzt auch ein Gründer-Fond für Hightech-Start-ups. Das hört sich ja alles so an, als ob doch eine ganze Menge getan wird.

    Kirchhof: Man muss unterscheiden. Es wird in der Breite sicherlich heute mehr getan als früher. Für die Imbissbude, für die Boutique, für die Anwaltskanzlei, da gibt es viele, viele Beratungsmöglichkeiten und auch die eine oder andere kleine finanzielle Unterstützung. Aber worum es ja geht, ist, dass wir den Mittelstand der Zukunft und die Unternehmen der Zukunft schaffen. Und das sind Unternehmen, die eher in neuen Märkten aktiv sein müssen, in neuen Technologien arbeiten. Und die brauchen eben auch die Finanzierung, und zwar größere Finanzierung. Das fängt bei fünfzigtausend Euro an und endet bei mehreren Millionen Euro. Und da sieht es dann ganz anders aus. Die werden zur Zeit nicht ausreichend unterstützt. Der Hightech-Gründer-Fond, der jetzt aufgelegt werden soll, ist sicherlich eine gute Idee, wir unterstützen ihn sehr stark. Aber er kann immer nur die private Finanzierung begleiten und flankieren, weil er einfach vom Volumen her gar nicht so groß sein kann, wie das private Finanzierung sein kann.

    Guckeisen: Und im Übrigen wären das ja genau die Arbeitsplätze, die dort geschaffen werden könnten. Gerade diese innovativen Hightech-Unternehmen, die sind ja die, die auch die Zukunft bringen würden.

    Kirchhof: Richtig.

    Guckeisen: Jetzt haben Sie in den Wahlprogrammen zu wenig gefunden, sagen Sie. Entspricht das auch Ihrer Erfahrung aus Gesprächen mit Politikern, dass die Chancen da zu wenig erkannt werden?

    Kirchhof: Ja, ich glaube schon. Wir haben einfach noch nicht genügend in der Gesellschaft und in der Politik erkannt, dass es ein entscheidender Punkt ist, die Frage zu lösen, wie man jungen Unternehmen wirklich in den Markt verhilft. Es genügt nicht, eine gute Idee zu haben. Es genügt nicht, ein gutes Produkt zu haben. Sondern es kommt darauf an, dass man Märkte erobern kann, und nicht nur den Deutschen Markt, sondern auch europäischen Märkte oder gar Weltmärkte. Und dafür braucht man Geld, das finanziert keine Bank, das finanzieren nur Leute, die Eigenkapital spenden. Und das hat man etwa in Großbritannien hervorragend erkannt. Da wird die finanzielle Unterstützung solcher junger Unternehmen durch sehr gezielte steuerrechtliche Incentives unterstützt, so dass Leute auch Lust haben, ihnen zu helfen. Denn man muss ja sehen, es ist ein hohes Risiko, sich mit Eigenkapital an jungen Unternehmen zu beteiligen, das ist viel, viel höher, als wenn ich eine Aktie kaufe. Und deswegen muss der Staat etwas tun, denn das ist volkswirtschaftlich enorm bedeutsam. Wenn wir da nichts tun, sondern sagen, wir müssen jetzt, heute darauf achten, dass wir - das sind ja kleinen Summen, die der Staat da einspart - dass wir Steuern sparen und nicht sozusagen das unterstützen, dann verfrühstücken wir damit das Saatgut der Zukunft.